„Swallow The Knife“

Sir Chloe: Indie Rock, der etwas bedeuten soll

Musik
24.12.2025 06:00

Dana Footes Band Sir Chloe ist das Resultat eines Uni-Projekts, ging schnell auf TikTok viral und brachte es anfangs zu einem Majorlabel-Vertrag und einer ausladenden Europatour. Mit dem Zweitwerk „Swallow The Knife“ hat sich etwas mehr Beständigkeit breitgemacht. Foote erzählt uns von ihrer bisherigen Karriere.

kmm

Wenn es möglich ist, warum eigentlich nicht? Als Dana Foote am Bennington College in Vermont Komposition studierte, wählte sie statt einer schnöden Abschlussarbeit ein viel praktischeres Projekt: Sie hat mit einer Handvoll Klassenkollegen eine Band geformt, selbst Songs geschrieben und damit ein Konzert auf die Beine gestellt. Das alles passiert 2017, in Footes ganz frühen Erwachsenenjahren, und war gleichzeitig der unbewusste Startschuss für ihre Karriere. Unter dem kryptischen Namen Sir Chloe lud sie den Song „Michelle“ hoch und ging – wie sollte es in Zeiten wie diesen auch anders sein – damit viral. Auf der Videoplattform TikTok ging die Nummer durch die Decke und plötzlich musste die eigentlich introvertierte Musikerin ad hoc mit viel Öffentlichkeit und dem Online-Rampenlicht umzugehen lernen. Bei ihrem bislang einzigen Österreich-Gig, dem mittlerweile verblichenen Lido Sounds in Linz 2023, erzählte uns Foote im Interview vom unerwarteten, aber erfreulichen Senkrechtstart.

Keine Ahnung vom Business
„Was mit ,Michelle‘ passierte, hat mich anfangs geschockt. Ich hatte mir in meinem Kopf ausgemalt, wo ich mit der Band irgendwann vielleicht hinmöchte, aber da hatte ich noch keinen blassen Dunst von Agenten, Managern und dergleichen. Alles, was ich mir damals ausmalte, konnte ich zusammenbinden und aus dem Fenster werfen. Ich wollte immer, dass viele Menschen meine Songs hören. Dann hörten so viele Menschen diesen einen Song, dass ich Druck mit den anderen hatte. Ich habe sehr schnell gelernt, dass ich vom eigentlichen Business überhaupt keine Ahnung habe.“ Mit der Band geht es schnell weiter. Die EP „Party Favors“ versüßt die dürre Corona-Zeit 2020, das Velvet Underground-Cover „Femme Fatale“ sorgt 2021 für den nächsten viralen Moment und der Branchenriese Atlantic Records legt einen Plattenvertrag vor, aus dem 2023 das stark an den frühen 90er-Grunge und Indie Rock angelehnte „I Am The Dog“, mit dem Sir Chloe sich Supportslots von Größen wie den Pixies, Beck oder Phoenix sichern.

„Im Endeffekt war es eine Verkettung glücklicher Umstände“, sinniert Foote, „TikTok kam zu der Zeit gerade auf, wir hatten mit unserem Song das richtige Timing erwischt und daraus entwickelte sich das Privileg, mit einem Song viele Menschen zu erreichen. Ohne den Erfolg hätten wir niemals den Labelvertrag bekommen.“ „I Am The Dog“ gefällt den immer zahlreicher werdenden Fans, mit dem großen Major-Vertrieb gibt es aber von Anfang an Unstimmigkeiten. Footes Visionen für ihre Uniprojekt-Band sind zu klar und zu schräg, um in das Korsett eines Konzerns zu passen, der die Musik stets hinter den Umsatz stellt. „Im Endeffekt hätten sie gerne den Sound meiner allerersten Single ,Animal‘ mit dem Erfolg von ,Michelle‘ gehabt und immer wieder neu produziert. Ich liebe es aber, vertrackte Songs zu schreiben, Balladen zu schreiben, aus dem Korsett auszubrechen. Ich bin mit dem Album zufrieden, es ist sehr vielseitig ausgefallen, aber diese Richtung wollte ich unbedingt beibehalten.“

Fernab der eigenen Idole
Wer sich bei Foote nach ihren Lieblingsbands und am meisten inspirierenden Künstlern erkundigt, bekommt in der Antwort eine gewisse Komplexität in den Kompositionen mitgeliefert. Beach House, die Cocteau Twins, der kanadische Singer/Songwriter Andy Shauf, die Briten Lush oder Jimi Hendrix in seiner „Axis: Bold As Love“-Phase 1967 werden da als erstes genannt. Schräge Gitarren und Fuzz-Sounds vermischen sich mit der anschmiegenden Wärme von Dreampop und repetitivem Shoegaze. Da mutet es fast schräg an, dass sich Sir Chloes im Sommer erschienenes Zweitwerk „Swallow The Knife“ so gar nicht in diese Richtung bewegt. Sehr wohl hat sich Foote mit fast runderneuerter Begleitband dafür von allen Fesseln der alten Plattenfirma gelöst und in Eigenproduktion auch alle Wünsche erfüllt. Als Hauptinspiration diente die Kunstinstallation „A Cold Hole“ von Taryn Simon in Massachusetts, die den Opener „The Hole“ nach im benannte. Als Synonym für Depression und Stagnation bzw. als „psychologischer Winter“, wie sie es selbst beschrieb.

Die weniger an Grunge und stärker an Indie Rock mit elektronischen Beifügungen gemahnenden Songs sind eine Mischung aus später Coming-Of-Age-Symbolik, Beziehungskrisenabwicklungen und purer Katharsis. Der logische nächste Schritt, mit dem sich Sir Chloe endgültig vom kurzen Aufflackern der „Popstar“-Karriere abkapselt und ihrer Leidenschaft freien Lauf lässt. Mittlerweile ist auch ihr alter Songwriting-Partner Teddy O’Mara nicht mehr Teil der Band, was man dem Sound anhört. Von großer Demokratie hält Foote bei Sir Chloe nicht allzu viel, dafür ist das ganze Projekt viel zu sehr ihr ganz persönliches Baby. Dass sie mittlerweile gut weiß, wie man sich selbst bestmöglich vermarktet, liegt auch daran, dass ihr Plan B ein „Marketing-Job“ gewesen wäre. „Ich würde mich sonst in einem Büro sehen. Definitiv als Teil der Musikbranche, aber eher organisatorisch. Obwohl ich den Leuten am liebsten erzählte, ich wäre ansonsten Bestatterin“, fügt sie schmunzelnd an.

Mit dem gewissen Wohlfühlfaktor
Ein Glück für alle, dass Foote dank TikTok doch den Sprung auf die Bühne geschafft hat. Was ist ihr mit ihrem Sound wichtig? „Ich hoffe vor allem, dass die Menschen da draußen mit unserer Musik eine Verbindung aufbauen können. Die Alben, mit denen ich mich am besten verbinden konnte, waren immer jene, die zu mir sprachen – das will ich mit meiner Musik auch tun. Die Menschen sollten meine Musik so verstehen, wie sie ihnen guttut und wie sie sie für richtig halten.“ Eine Europatour bzw. ein Österreich-Auftritt ist aus aktueller Sicht noch nicht am Horizont erkennbar, vielleicht geht sich nach der nächsten ausladenden US-Tour aber doch wieder eine Rutsche aus. „Swallow The Knife“ würde sich jedenfalls perfekt für einen herbstlichen Hallenzyklus eignen. „Man muss Musik nicht neu erfinden“, so Foote, „es ist ausreichend, wenn man zwischendurch etwas in jemandes Leben bedeutet. Das ist alles, was ich will.“

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