Nikolaus Habjan

„Am Ende wuchtet uns Beethoven wunderbar um“

Kultur
16.12.2025 06:00

An der Wiener Staatsoper feiert am Dienstag, 16. Dezember, die Neuinszenierung von Ludwig van Beethovens einziger Oper „Fidelio“ Premiere. Wir baten den 38-jährigen Grazer Regisseur Nikolaus Habjan zum Gespräch über Puppen, böse Briefe und Erwartungsdruck.

Nach 55 Jahren bekommt Beethovens „Fidelio“, jene Oper, mit der die Wiener Staatsoper am 5. November 1955 wiedereröffnet wurde, ein neues Kleid: Nach 253 Vorstellungen in der Kulisse Otto Schenks feiert nun die Inszenierung des 38-jährigen Grazer Regisseurs Nikolaus Habjan Premiere:

„Krone“: War „Fidelio“ immer schon eine Wunschoper, die Sie inszenieren wollten?
Nikolaus Habjan: Zum ersten Mal habe ich „Fidelio“ gesehen, da war ich sieben Jahren alt. Das war in Graz, Open Air, auf der Kasemattenbühne. Das hat mich sehr beeindruckt, vor allem der Gefangenen-Chor, und als ich dann 2004 meine erste Opern-Hospitanz an der Grazer Oper gemacht habe, da hat sich „Fidelio“ in mein Hirn gebrannt. Also ja (lacht), ich hatte immer Lust, dieses Stück mal zu machen.

Was beeindruckt Sie so an dieser Oper?
Also es ist auf jeden Fall diese unglaublich starke Musik von Beethoven. Und diese Zerrissenheit zwischen, ich sage es unter Anführungszeichen, kleiner, biederer Spieloper und dem völlig unvermittelten Bruch ins Oratorium. Für mich war immer ganz klar, dass sich dieser Befreiungsgedanke nicht nur auf Leonores Bemühungen, Florestan zu retten, bezieht, sondern sich durch das gesamte Stück zieht. Auch Marzelline und Rocco haben ihre Befreiungsmomente. Doch wie geht man auf der großen Bühne damit um? Ich habe mit Julius Semmelmann, einem ganz großartigen Bühnenbildner, versucht, sowohl drückende Kleinheit und die Bedrängnis darzustellen, als auch den Moment der Befreiung in all seiner Riesigkeit auf der Bühne hinzukriegen. Außerdem haben wir eine Kulisse wie einen Holztrichter gebaut. Das ist akustisch optimal. Die Sängerinnen und Sänger sind damit ganz glücklich.

Sie bringen auch hier Ihre Puppen zum Einsatz. Warum?
Ich wollte ursprünglich keine Puppen einsetzen, habe lang überlegt und bin auf folgendes Dilemma gestoßen: Ich habe eine Sängerin, die spielt Leonore, die verkleidet als Fidelio in dieses Gefängnis kommt und unter keinen Umständen ihre Tarnung auffliegen lassen darf. Muss aber dabei die größten und schwersten emotionalen Vorgänge und Zustände an das Publikum vermitteln. Da ist die Gefahr ganz groß, dass das ganz schnell Schmierentheater wird. Die Puppe übernimmt all das, was außen gesehen wird. Die Puppe ist dieser Fidelio, der immer unter Kontrolle ist, der relativ wenig Persönlichkeit hat und dadurch zu einer riesigen Projektionsfläche für Marzelline und Rocco wird. Und um diese Puppe herum habe ich die ganze Zeit die Sängerin Leonore, die das emotionale Innenleben sichtbar macht.

Ist Fidelio dann die einzige Puppe?
Nein, Florestan bekommt auch eine Puppe.

Warum?
Damit ich die beiden auf der gleichen Ebene zeigen kann. Florestan fantasiert sich einen Todesengel, zehn Minuten später steht seine Frau vor ihm. Der weiß einfach nicht mehr, was real ist. Wenn sie sich dann in die Arme fallen und „oh himmlisches Entzücken“ singen, das war für mich immer der Punkt, ab dem die Puppen fertig sind, und dann treten die Sänger von der Puppe weg und erkennen sich und die Emotionen.

Ich habe gehört, Sie haben im Vorfeld der Produktion böse Briefe wegen der Puppen bekommen. Warum polarisieren diese so?
Ich weiß es ehrlich gesagt nicht genau. Aber dass etwas Neues kommt, ist einfach das Wesen von Oper, dass sie sich eben erneuert. Und manchmal kommt was Gutes, manchmal kommt was Schlechtes, aber wichtig ist, dass immer wieder was kommt, weil sonst bleiben wir ja stehen: Ich sehe hier die Möglichkeit, etwas, das in diesem Stück liegt, klarer und sichtbarer zu machen. Deswegen setze ich die beiden Puppen ein. Ich habe versucht, einen sehr emotionalen Zugang dazu zu finden und nicht versucht, es jetzt irgendwie politisch genau einzuordnen. Es bleibt dadurch ganz klar und werktreu.

Der Text wurde bearbeitet vom österreichischen Autor Paulus Hochgatterer – inwieweit hat er da eingegriffen.
Die Gesangstexte sind unverändert, aber die Dialoge sind verändert. Paulus ist ein hochmusikalischer Mensch, der Beethoven und Fidelio ganz genau kennt. Und er arbeitet so wie Franz Welser Möst und ich sehr akribisch, das verbindet uns.

Können Sie mir ein Textbeispiel geben?
Im Original-Libretto sagt Rocco „Ich mache dich zu meinem Tochtermann“. Durch dieses Wort wird man ganz schnell in eine andere Zeit katapultiert. Jetzt sagt er „Ich werde dich zu meinem Schwiegersohn machen“. Und Jaquino sagt ganz leise „sonst sagt er immer Tochtermann“. Das sind kleine Veränderungen, mit einer großen Liebe zum Original.

Wie groß ist der Druck, der auf Ihnen lastet?
Ehrlich gesagt, mache ich mir selbst gar nicht so viele Gedanken. Ich weiß, dass ich das Beste gebe. Mein Ziel ist immer, dass sich die Leute am Ende in die Produktion verlieben.

Verraten Sie uns vielleicht, wie Sie das Finale anlegen?
Lassen Sie mich so viel verraten: Am Schluss werden Szene und Bühne unwichtig. Da muss die Regie dann auch nicht mehr viel tun. Da sollte die Musik einfach wirken und sich ihr nichts mehr in den Weg stellen. Die Geschichte ist fertig erzählt, und danach wuchtet uns Beethoven wunderbar um.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
kein Artikelbild
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Eingeloggt als 
Nicht der richtige User? Logout

Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

Kostenlose Spiele
Vorteilswelt