Bühnenbildner und Regisseur Wolfgang Menardi inszeniert Shakespeares Königsdrama „Richard III“. Premiere im Wiener Akademietheater ist am Freitag – mit Nicholas Ofczarek in der Titelpartie. Ein Gespräch über die Faszination des Bösen, das Fegefeuer im Theater und Räume mit Traumlogik.
„Krone“: Was hat Sie daran gereizt, „Richard III“ zu inszenieren?
Wolfgang Menardi: Dieses Stück ist ein Monster! Es hat eine totale Faszination, weil es so viel Aktualität hat. Es behandelt die Strukturen von Autokraten und Diktatoren, zeigt geschichtliche Wiederholungen auf, die immer wieder kommen. Diese Machtstrukturen zu untersuchen, fasziniert mich – gerade mit einem Blick auf heutige Führer wie Trump oder Putin. Wie ist es möglich, dass jemand so skrupelloser, ohne jegliche Empathie in einer Gesellschaft aufsteigen kann? Und wie viel Verantwortung trägt das System, das ihn groß macht? Diese Muster zu untersuchen, macht dieses Stück so zeitlos brisant.
Wer bringt einen Tyrannen zur Macht – seine Skrupellosigkeit oder die Gesellschaft?
Damals wie heute basiert so ein Aufstieg auf einem System, das auf Ungleichheit basiert. Nur die Ungerechtigkeit eines Gesellschaftssystems macht so etwas möglich.
Es ist ein bisschen wie ein Fegefeuer. Der einzige Ausgang ist die Hoffnung, dass die Wiederholung irgendwann aufhört.
Wolfgang Menardi
Sie führen Regie, machen das Bühnenbild und sind selbst Schauspieler. Was entwickeln Sie zuerst?
Das greift alles sehr Hand in Hand. Wenn ich ein Bühnenbild entwickle, sehe ich immer schon einen Raum für Schauspieler. Und ich denke Regie-Ideen immer sehr, sehr zusammen mit der visuellen Ebene.
In welche Welt stellen Sie diesen Richard?
In einen Raum ohne Ausgang, ohne Fenster. Die Schauspieler können nie abgehen von der Bühne. Es ist ein bisschen wie ein Fegefeuer: ein Schacht, in dem sich sechs Personen befinden, die immer wieder diese Geschichte erzählen und einen Ausgang suchen. Sie finden ihn aber nicht – und es fängt alles wieder von vorne an. Der einzige Ausgang ist die Hoffnung, dass die Wiederholung irgendwann aufhört.
Was ist Ihr Ausgangspunkt, das Herzstück der Produktion - die Sprache, der Raum, die Schauspieler?
Wenn ich ein Stück lese, suche ich nach der Atmosphäre, die es bei mir auslöst. Bei „Richard III“ ist das eine Art Beklemmung, eine Ausweglosigkeit. Darum versuche ich dann, eine Welt zu schaffen, einen Mikrokosmos, der nach gewissen Gesetzmäßigkeiten funktioniert. Der Raum funktioniert wie eine Art Traumlogik, die sich erst nach und nach erschließt für die Zuseher.
Wir wollen das Böse nicht erklären. Die Härte dieses Stückes entsteht durch das Unerklärliche.
Wolfgang Menardi
Nicolas Ofczarek spielt die Titelpartie. Was für ein Richard ist er?
Ich habe selten jemanden erlebt, der so eine Leidenschaft für diesen Beruf hat und eine so intuitive Klugheit. Er ist sich für nichts zu schade. Aber ist gleichzeitig ein wahnsinniger Teamplayer, unglaublich wertvoll für alle Beteiligten. Ich habe großes Glück mit der ganzen Besetzung.
Shakespeare beschreibt Richard als hässlich und als verkrüppelt. Wie gehen Sie damit um?
Wir versuchen, diese Boshaftigkeit nicht darin zu begründen, dass er hinkt oder weil er einen Buckel hat. Das wäre zu einfach. Damit wir nicht in die Falle tappen, Entschuldigungen für sein Verhalten zu finden. Wir wollen das Böse nicht erklären. Die Härte dieses Stückes entsteht durch das Unerklärliche.
Im besten Fall löst das in uns ein Nachdenken aus, weil wir vielleicht nicht nur vor Richard erschrecken, sondern vielleicht auch ein bisschen vor uns selbst.
Wolfgang Menardi
Mächtige Menschen üben immer auch eine Faszination aus. Zieht auch dieser Richard in den Bann?
Richard schafft es immer, Zuschauer zu verführen. Oder zumindest, dass man ihm wahnsinnig gerne zuschaut. Shakespeare macht uns dabei zu Komplizen: Wir wissen lange bevor ein Mord passiert, dass er passieren wird. Wir freuen uns also auf eine schreckliche Weise darauf, das zu sehen, was uns angekündigt wurde. Im besten Fall löst das in uns ein Nachdenken aus, weil wir vielleicht nicht nur vor Richard erschrecken, sondern vielleicht auch ein bisschen vor uns selbst.
Macht das das Stück so zeitlos?
Es zeigt, was entstehen kann, wenn sich niemand mehr wehrt oder auflehnt. Dass sich dann wahrscheinlich diese Struktur weiter wiederholen wird. Ich versuche nicht, den Zuschauern eine Moral aufzutischen, sondern ein Angebot zu machen, darüber zu reflektieren. Und im besten Fall sieht jeder auch etwas anderes darin.
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