Nach der „Zauberflöte“ und der „Schachnovelle“ bringen Nils Strunk und Lukas Schrenk nun Jonathan Swifts „Gullivers Reisen“ an das Wiener Burgtheater. Im „Krone“-Interview versprechen die beiden „ein Spektakel für die ganze Familie“.
„Krone“: Sie bringen „Gullivers Reisen“ auf die große Bühne des Burgtheaters. Was erwartet das Publikum?
Lukas Schrenk: Gullivers Reisen ist der perfekte Stoff dafür. Das Original aus dem 18. Jahrhundert war ja gar nicht als Kinderbuch gedacht, sondern als Satire. Jonathan Swift wollte England kritisieren, ohne Ärger mit der Zensur zu kriegen. Dafür hat er diese Fantasiewelten erfunden und versteckt in ihnen seine Kritik an Gesellschaft und Politik. Dabei sind diese ganz fantastischen Welten entstanden: Lilliput, Riesen, sprechende Pferde, die schwebende Insel Laputa . . . Später kamen dann viele Kinderbuchvarianten, die aber die Satire eher vernachlässigt haben. Wir wollten beides machen: Ans Original anknüpfen. Wir glauben, dass sehr junge Menschen durchaus Satire verstehen. Gleichzeitig wollen wir nichts auslassen an Märchen, an Effekten, an Feuer, … wir wollen die ganze Zauberkiste, die das Theater zu bieten hat, auspacken.
Nils Strunk: . . .wir möchten aber auch bewusst Menschen höheren Alters erreichen, auch solche, die auf ein bereits langes Leben zurückschauen, denn auch der Gulliver tut das. Ich finde, dass es ein ganz, ganz, ganz großes Missverständnis ist, wenn Leute sich darüber beschweren, dass das Publikum so alt sei. Ich finde das absurd. Wie schön, wenn die Leute noch lange ins Theater gehen! Wenn ich Menschen sehe, die Gehhilfen benötigen, aber zu uns ins Theater kommen, dann habe ich vor allem Respekt. Für mich ist es das Größte, wenn sich, wie bei unserer „Zauberflöte“, Menschen über die Generationen hinweg verstehen.
Schrenk: Unsere Traumvorstellung ist, dass Kinder neben Jugendlichen, Menschen mittleren Alters, jungen Pärchen, Singles, Großeltern oder Urgroßeltern sitzen, ganz egal. Hauptsache, alle können etwas erleben, das Freude macht und ihnen zu denken gibt. Kinder checken immer mehr als man denkt und gerade Erwachsene haben Spaß am Märchen.
Strunk: Genau, wir machen mit „Gullivers Reisen“ eigentlich Erwachsenentheater für Kinder und Kindertheater für Erwachsene. Klar, Gulliver ist eine Identifikationsfigur für junge Menschen, weil er frisch und naiv, sozusagen als unabsichtlicher Entdecker durch die Welt geht. So wie Kinder und junge Menschen eben auch.
Schrenk: . . .und umgekehrt bei den Sachen, wo man eher denken würde, das ist Kindertheater, kriegen alle Erwachsenen leuchtende Augen. Wir nehmen die realen Kinder sehr ernst und wir sprechen gleichzeitig die Kinderseele der Erwachsenen an.
Wie lange haben Sie an „Gulliver“ gearbeitet bzw. das Stück erarbeitet?
Strunk: Die Idee stand vor etwa einem Jahr fest, wir haben dann im Jänner mit dem Schreiben und dem Bühnenkonzept begonnen (lacht) Ja bei uns läuft gerade manches parallel, aber es befruchtet sich alles auch enorm.
Schrenk: Wir haben den Roman mehrfach gelesen, und es hat so Spaß gemacht, aus diesen 500 Seiten die Essenz herauszuarbeiten, das, was für uns interessant war. Dann haben wir überlegt, was wir davon auf die Bühne bringen können. Wir haben einige Originaltexte unbearbeitet übernommen, dann wieder teilweise Sachen inhaltlich behalten, aber neue Dialoge dazu geschrieben. Und es gibt viel Musik, Songs mit eigenen Texten, die aber immer total auf Swift basieren.
Das satirische Werk gliedert sich in vier Teile, die den vier Reisen Gullivers entsprechen:
1) Nach Liliput, ins Land der zwergenhaften Liliputaner
2) Nach Brobdingnag, ins Land der Riesen
3) Nach Laputa, Balnibarbi, Glubbdubdrib, Luggnagg und Japan
4) Ins Land der Houyhnhnms und Yahoos
Strunk: . . .(lacht) die Sachen, die wir in den Proben rausgestrichen haben, waren eigentlich immer die, die wir dazu erfunden hatten. Swift war immer stärker.
Wir erklären Sie sich den Hype um Sie beide?
Nils Strunk: Meinen Sie, es gibt einen?
Ernsthaft? Bekommen Sie das nicht mit?
Nils Strunk: Nicht so sehr, wie man vielleicht annimmt. Erstens deshalb nicht, weil wir unsere Köpfe ständig irgendwo drin haben und zweitens lesen wir keine Kritiken.
Warum nicht?
Strunk: Wir müssen uns da ein bisschen schützen. Wir schätzen Kritiken und lesen sie auch von anderen Stücken. Aber von unseren eigenen Arbeiten nicht, weil das einfach zu verunsichernd sein kann. Zu gefährlich, dass man sich dann dadurch verändert (lacht) Aber Interviews lesen wir voll gerne.
Aber zurück zum Hype. . .
Nils Strunk: Es freut uns natürlich, wenn wir sehen, dass die Menschen in unsere Stücke kommen. Aber es gibt auch schon die Ersten, die einen scheitern sehen wollen. Beziehungsweise wenn es einen Hype gibt, dann fragt man sich immer, ist der echt? Ist der begründet? Es kommen mittlerweile immer mehr Menschen erst mal mit verschränkten Armen rein. Zum Glück öffnen wir die oft.
Was machen Sie anders als andere Theatermacher?
Strunk: Wir sind Schauspieler! Und wir verbinden Sprechtheater mit Musik …
Schrenk: . . .wir haben keine Angst vor dem Begriff Unterhaltung. Es gibt in der Kunst ja oft diese klassische Unterscheidung zwischen U und E, Unterhaltung und Ernst, und Unterhaltung wird oft despektierlich gesehen. Unterhaltung ist aber etwas Auszeichnendes. Und das U und das E schließen sich nicht aus. Gullivers Reisen ist an manchen Stellen todtraurig und total ernst. Wir können die Leute über etwas Unterhaltendes in den Bann ziehen, aber sie genauso mit Abgründen konfrontieren.
Strunk: Wir arbeiten auch nicht gerade sehr zeitgenössisch. Ich wurde in einem Interview gefragt, Sie sind ja recht konventionell. Und da habe ich gesagt, ich weiß genau, was Sie meinen, aber ich widerspreche Ihnen. Ich würde sagen, wir sind unkonventionell, weil die Konvention ja gerade eher noch eine andere ist.
Ich würde meinen, Sie haben einen neuen Stil kreiert, und man erkennt sofort Ihre Handschrift bei den Stücken.
Strunk: Das freut uns sehr. Ich glaube, in Berlin könnten wir damit baden gehen. In Wien gibt es einfach viele Menschen, die extrem geschult sind mit dem Theater. Es gibt hier, wie Stefan Zweig schrieb, eine Theatromanie. Hier ist das begeisterungsfähigste Publikum, dass wir bis jetzt kennengelernt haben. Und darum wollen wir auch weiter hier arbeiten, weil wir uns wünschen würden, dass das noch weitergeht mit diesem Publikum, dass man sich gegenseitig noch weiter fordert.
Hat es das Theater in digitalen Zeiten leichter oder schwerer?
Strunk: Ich sage dem Theater, der Oper und dem Konzert eine große Zukunft voraus. Weil das analoge Orte sind, wo Menschen eine kollektive Kraft spüren. Ohne, dass sie dafür jemand anderen runtermachen oder einer Ideologie folgen müssen. Im Theater bist du in einer großen halb-anonymen Gruppe versammelt, Masse, aber ohne Macht. Und das ist ein ganz wichtiges Gefühl für uns. Das ist eigentlich das alte Gefühl des Lagerfeuers.
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