Newcomer im Interview

Nenda: Mit Rap wird sie zum Krampus der Herzen

Musik
20.11.2025 06:00

Gute vier Jahre nach ihrem in Indie-Kreisen erfolgreichen Debütsong „Mixed Feelings“ schießt die Ötztalerin Nenda das Album „KRRRA“ nach. Eine musikalische Melange aus Rap, Indie und Spoken-Word, die zwischen melancholischer Trauerbewältigung und aktiver Rassismusbekämpfung mäandert. Im „Krone“-Gespräch gibt die sympathische Künstlerin Einblicke in ihr vielseitiges Leben.

kmm

Wer mit offenen Ohren und Neugierde auf neue Musik durch die heimische Landschaft geht, stolperte vor gut vier Jahren vielleicht über den Song „Mixed Feelings“. In Englisch, Deutsch und herzhaftem Tirolerisch rappte die Ötztalerin Nenda Neururer über Alltagsrassismus am Land, Vorurteile, Ressentiments und erklärte darin auch, warum sie von der pittoresken westösterreichischen Berglandschaft hin in die große englische Metropole London übersiedelte. Direkt nach der Matura ging es nach Großbritannien, wo sie die letzten zwölf Jahre verbrachte und enorm viel fürs Leben lernte. „Ich war mir nie sicher, welche Jobs in Österreich ich bekommen würde“, erzählt uns Nenda im „Krone“-Gespräch, „so wie ich ausschaue und rede. Deshalb wollte ich immer nach England, um dort eine Schauspielschule zu besuchen und international tätig zu sein.“ Nach einem „Foundation Year“ hat das auch geklappt und Nenda arbeite sich fleißig weiter voran.

Nacktschnecken in der Küchenschublade
Wer sich schon einmal mit den Wohnungspreisen in der Acht-Millionen-Stadt auseinandergesetzt hat, weiß, als Ottonormalverdiener sind keine großen Sprünge möglich. „Ich war in einem schimmligen Haus, wo die Nacktschnecken bei der Gartentür reinkamen oder in der Küchenschublade unterwegs waren. Das war richtig schlimm.“ Nenda hält sich jahrelang mit diversen Schauspielrollen über Wasser, vernetzt sich, schreibt nebenbei Musik und saugt das Leben in der Großstadt auf. Nach mehr als einer Dekade ist es nun aber Zeit für ein neues Kapitel – mit Jänner 2026 übersiedelt sie nach Wien – preislich doch noch ein Unterschied und auch kulturell eine Möglichkeit, in neue Sphären zu schnuppern. Die Musik ging bei Nenda erst nur nebenher. Bis auf eine kurze Phase im Chemie-Studium in Innsbruck war immer Kunst und Kultur der Bereich, in dem sie sich und ihre Zukunft gesehen hat. Mit der alten Heimat im ruralen Tirol, dort, wo der einstige Landeshauptmann Günther Platter Fußballprofi David Alaba auf Englisch begrüßte, pflegt sie eine ambivalente Beziehung.

„Natürlich war es eine schöne Gegend, um als Kind dort aufzuwachsen. Man kann ganz allen in den Wald rennen und dort spielen - wenn die Mama schreit, kommt man zurück, weil dann gibt es wahrscheinlich was zu essen. In London ist das denkunmöglich. Aber ich hatte immer Ausgrenzungserfahrungen und suchte ein Ventil, um sie zu verarbeiten. ,Mixed Feelings‘ war so ein Song, der entstand nach dem Mord an George Floyd und im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung. Da ich aussehe, wie ich aussehe, hat mich das Thema natürlich betroffen und das kam aus mir raus.“ Das Lied an sich wurde zu einem Hit im Indie-Segment, bis zum Debütalbum „KRRRA“, das dieser Tage auf den Markt kam, hat es trotzdem einige Jahre gedauert. Ein in Ton gegossenes Manifest gegen Rassismus, Nationalismus und das Patriarchat, vermischt mit einer kräftigen Dosis Persönlichkeit und Emotionalität.

Wichtige Liebesbekundung
„Viele negativen Geschichten häufen sich mit den Jahren und finden statt, seit ich klein bin. Irgendwann hat man einfach keinen Bock mehr auf das Ganze und lässt alles raus. Songs zu schreiben, ist für mich eine Möglichkeit, mit diesen Dingen klarzukommen. Es gibt Themen, die sind mit der Familie oder von Angesicht zu Angesicht schwer zu besprechen. Aber ich kann solche Gedanken aufschreiben, ein paar Reime basteln und einen schönen Song drumherum bauen.“ Einen gewichtigen Teil des Debüts nimmt der tragische und viel zu frühe Tod ihres Herzensbruders Ben ein. Lieder wie „R2F“, „Alone“ oder „Stellar“ sind von Trauer geprägt, mit dem Intro „Bentro“ gibt es sogar eine Botschaft von ihm zu hören. „Vor zwei Jahren hätte ich diverse Songs niemals singen können, aber mittlerweile ist es okay. Es ist ein schönes Vermächtnis und ich hoffe, dass Ben stolz auf mich wäre.“ Die persönlichen und emotionalen Lieder stellen nicht nur das Verarbeiten einer persönlichen Tragödie dar, sie sind auch als Liebesbekundung gedacht.

Nenda im Gespräch mit der „Krone“ im Wiener Café Weidinger.
Nenda im Gespräch mit der „Krone“ im Wiener Café Weidinger.(Bild: Eva Manhart)

Neben der Melancholie herrscht vorrangig das Gefühl von Selbstermächtigung und dem Freistrampeln von rassistischen Umtrieben und toxischen Männlichkeitsbildern. „Ohne Liebe gibt es kein Empowerment. Es gehört beides dazu und man kann nicht immer nur stark sein.“ Stärke zeigt Nenda etwa im flotten Titeltrack, wo der urösterreichische Krampus nicht Furcht verbreitet, sondern von der Künstlerin gefressen wird – quasi eine metaphorische Zurückeroberung der Selbständigkeit und Kraft in der Gesellschaft. „Der Krampus ist das perfekte Bild für Tradition, vor allem in Tirol. Ich bin Tirolerin, genauso wie alle anderen auch, als darf ich auch der Krampus sein und das Symbol umdeuten.“ Das Wort Tradition ist für die Sängerin nicht nur negativ behaftet, aber „die Leute verwenden es als Ausrede, um Veränderungen im Weg zu stehen. Wenn man sich nur quer stellt und Veränderungen boykottiert, dann kann ich Traditionen wirklich nicht brauchen.“

Reise in die Seelenwelt
Das Aufbrechen von Dogmen, klischeehaften männlichen Rollenbildern und althergebrachten, verstaubten Idealen ist Nenda ein besonders wichtiges Anliegen. „Das Album ist eher an Frauen und nicht-binäre Menschen gerichtet, die sich trauen sollten, mehr und selbstsicherer den Platz im Leben einzunehmen. Wo man sich nicht immer vom Männlichkeitsbild und seiner vermeintlichen Stärke verjagen lässt.“ Musikalisch ist „KRRRA“ eine frische Melange aus Rap, Hip-Hop, Indie-Sounds, elektronischen Versatzstücken und Spoken-Word-Einsprengseln – und das dreisprachig, wenn man den Tiroler Dialekt dazuzählt. „Ich war früher immer am Nova Rock und habe extrem viel Punk gehört – bis mir Leute gesagt haben, Punk wäre weiß und ich dürfte keiner sein. So kam es dann zum Rap und dafür bin ich im Nachhinein sogar dankbar.“ Auf „KRRRA“ kann man jedenfalls ganz tief in den inhaltlichen Kosmos von Nenda eintauchen und wird sogar über temporäre Narkolepsie unterrichtet, die sie in Teenagerjahren belastete. Eines der frischesten und spannendsten österreichischen Alben dieses Jahres.

Live-Auftritte in Österreich
Am 26. November stellt Nenda ihr Debütalbum „KRRRA“ im Berio-Saal des Wiener Konzerthauses live vor. Derzeit gibt es für die Show keine Karten mehr, aber es gibt weitere Termine. Am 27. November in der Stadtwerkstatt Linz, am 28. November im Villacher Kulturhof, am 29. November im Grazer Dom im Berg, am 11. Dezember in Kammgarn in Hard und am 13. Dezember im Innsbrucker Treibhaus.

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