Mattia Olivieri

Von Pavarotti, Popträumen & Gänsehaut in der Oper

Kultur
13.11.2025 05:30

Der italienische Bariton Mattia Olivieri erobert gerade die Opernbühnen der Welt. Am Sonntag tritt er erstmals als böser Bruder Enrico in Donizettis „Lucia di Lammermoor“ in Wien auf. Wir trafen ihn während der Proben an der Staatsoper zum Interview.

„Für mich war es ein Traum, den Don Giovanni hier in Wien zu singen“, strahlt Mattia Olivieri, kurz nach seinem akklamierten Rollendebüt an der Staatsoper. Nach dem Figaro in Rossinis „Barbiere di Siviglia“, mit dem er im Juni 2022 sein Haus-Debüt gab, und dem Lescaut in Massenets „Manon“, ist Mozarts großer Verführer hier die dritte Rolle des 1984 geborenen Baritons. Die vierte, Lucia di Lammermoors böser Bruder Enrico, folgt am Sonntag. Eine Partie, die er soeben an der Seite von Lisette Oropesa in der Titelrolle auch auf CD vorgelegt hat.

Mattia Olivieri (li.) und Philippe Sly als Don Giovanni und sein Diner Leporello in der Wiener ...
Mattia Olivieri (li.) und Philippe Sly als Don Giovanni und sein Diner Leporello in der Wiener Staatsoper.(Bild: Wiener Staatsoper/Michael Poehn)

Aufgewachsen ist Mattia Olivieri in Maranello, der Stadt der Ferrari-Werke. Der Vater Mechaniker, die Mutter Postbotin, war die Welt der Oper in seiner Jugend kein Thema. Doch die Mutter hatte sich das Gitarrenspiel beigebracht, liebte Musik: „Sie wollte uns das weitergeben, und meinen Bruder und mich zum Klavier- und Gitarrenunterricht bringen. Ich habe sogar versucht, Flöte zu spielen. Ich erinnere mich auch an den Pfarrer, der, als wir ein kleines Konzert sangen, meinte, ich solle Gesang studieren, weil meine Stimme so aus dem Chor herausstach. Ich habe dann begonnen Popmusik zu singen, ,Perdere l’amore‘ von Massimo Ranieri etwa und Lieder von Albano, weil meine Mutter das liebte.“

Gänsehautmoment in der Scala
Im nahen Modena besuchte Mattia Olivieri auch mehrmals die „Pavarotti & Friends“-Konzerte, wo sich der Tenorstar internationale Größen, wie Tina Turner oder B. B. King, in seinen Geburtsort einlud: „Ich war noch sehr jung, aber ich war dabei. Es war einfach unglaublich!“, so Olivieri, der mit siebzehn auch an ein paar Wettbewerben teilnahm, bis ihm jemand riet, professionell zu studieren, um auch eigene Songs schreiben zu können.

Also ging er ans Konservatorium und ließ seine Stimme ausbilden. Dabei gab ihm eine seiner Lehrerinnen immer wieder auch Opernarien zum Studieren. Dennoch: „Ich hatte das Gefühl, am falschen Ort zu sein. Ich war kurz davor, das Konservatorium zu verlassen,“ erinnert sich Olivieri. Doch dann nahm ihn die Lehrerin, er war 21, mit in eine „Barbiere“-Vorstellung nach Mailand. Olivieris erster Opernbesuch: „Dieser Moment hat mein Leben verändert. Als das Orchester einsetzte, bekam ich Gänsehaut. Natürlich hatte ich mir davor Oper auf Youtube angehört, wenn ich Arien studieren musste. Aber der echte Orchesterklang und das in einem Theater wie der Scala! Was mich damals außerdem beeindruckte, war die Erkenntnis, dass ich in diesem Job eine Chance habe, wenn ich mich gut vorbereite und sehr gut singe.“

Mattia Olivieri begann bei einem neuen Lehrer, Maurizio Leoni, und verstand „von diesem Moment an erst richtig, was es heißt, Oper zu studieren“, denn lernbegierig war er schon immer, und „auch heute noch lerne ich an all meinen freien Tagen.“ So hat er sich in Wien zwischen den „Giovanni“-Vorstellungen und den Proben zur „Lucia“ zwei russische Pianisten engagiert, mit denen er seine nächste neue und erste russische Rolle, Tschaikowskys Eugen Onegin einstudiert.

Mozart, Belcanto und die Moderne
Sein umfangreiches Repertoire kann sich sehen lassen. Von Mozart hat er alle wichtigen Rollen für Bariton im Gepäck. Derzeit faszinieren ihn besonders Belcanto-Rollen von Rossini und Donizetti, längst ist er im Verdi-Fach angelangt. Auch Moderne schreckt ihn nicht. In Daniel Catáns „Florencia en el Amazonas“ hat er sein Debüt an der New Yorker Metropolitan Opera absolviert. Als große Wunschpartie für die Zukunft nennt er Bergs Wozzeck und in Rom hat er als „Il Prigioniero“ von Luigi Dallapiccola starken Eindruck hinterlassen.

In Calixto Bietos Inszenierung tritt er nur in Unterhosen auf, auch im Wiener „Don Giovanni“ macht er mit nacktem Oberkörper und über die Steinkulisse turnend gute Figur. Auf seinem Instagram-Account sieht man ihn regelmäßig im Fitnessstudio trainieren. Wie fit muss heute ein Sänger sein? „Sport ist genauso wichtig. Wenn mein Körper bereit ist, kann ich mich sicherer bewegen und es fällt mir auf der Bühne leichter, andere Dinge zu tun. Ich habe auch den ,Don Giovanni‘ in Berlin an der Deutschen Oper in der Inszenierung von Roland Schwab gespielt. Ich mag die Produktion sehr gerne. Aber es ist ein Wahnsinn. Ich muss Liegestütze machen, auf der Bühne herumrennen. Es ist eine körperlich sehr anstrengende Produktion. Wenn ich im Fitnessstudio kein Cardio-Training mache, kann ich das nicht singen.“

Wo sich Opernkreise schließen
Aber Olivieri ist ohnehin lieber der Typ von Sänger, der etwas unternimmt, als nur dazusitzen. Sein Credo lautet, „immer einen Schritt weiterzugehen. Ich bin sehr offen. Natürlich bin ich Italiener, und für Theater ist es am einfachsten, mich für italienisches Repertoire zu engagieren. Aber letztendlich bewundere ich viele Sänger, wie besonders Plácido Domingo. Er hat sein ganzes Berufsleben lang studiert, so viele verschiedene Rollen. Es ist unglaublich. Er war auch jetzt bei meinem ,Don Giovanni‘ im Publikum und hat uns Sänger nachher zum Abendessen eingeladen. Er war wunderbar!“

Einmal konnte Olivieri mit ihm sogar auf der Bühne stehen. Das war ganz am Beginn seiner Karriere, als er nach dem Opernstudio in Bologna ans Centro di Perfezionamento Plácido Domingo in Valencia aufgenommen wurde. Damals sang Domingo in Verdis „I due Foscari“. „Es war unglaublich ihn auf der Bühne zu erleben. Ich habe damals nur ein ganz kleine Rolle gesungen, mit zwei Rezitativen“, erinnert sich der Sänger.

Valencia war dank der aus Wien stammenden Direktorin Helga Schmidt, die an ihn glaubte, eine große Chance. Hier konnte er sich in vielen kleinen Rollen ausprobieren, war fast ständig auf der Bühne. Er durfte aber dann auch den Schaunard in Puccinis ,La bohème‘ singen. Riccardo Chailly dirigierte – und holte Mattia Olivieri schließlich nach Mailand an die Scala, wo er 2015 als Schaunard sein Debüt gab. Dort, wo sich dann der Kreis schloss, als Mattia Olivieri selbst als Figaro in Rossinis „Barbiere“, der ihm einst die weite Welt der Oper geöffnet hatte, auf die Bühne trat.

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