Album „Liquid Center“

Elektro Guzzi: Von der Wurstfabrik zur Lithografie

Musik
22.10.2025 06:00

Vor mehr als 20 Jahren formierten drei junge Burschen das Techno-Trio Elektro Guzzi – mehr als zwei Dekaden später ist man gereift, musikalisch aber noch immer so hungrig wie eh und je. Davon zeugt auch das neue Studioalbum „Liquid Center“, über das die Band mit der „Krone“ sprach.

kmm

Mehr als 20 Jahre elektronische Musik am Puls der Zeit, ohne sich dabei zu verbiegen, Trends nachzuhecheln oder sich zu sehr in eine Nische pressen zu lassen – das Dreigespann Elektro Guzzi ist schon länger nicht mehr aus der heimischen, aber noch weniger aus der internationalen Szene wegzudenken. Noch immer probt man in trauter Einigkeit in einem schön ausgestatteten Keller im 20. Wiener Gemeindebezirk und diskutiert dabei offen und manchmal auch etwas rauer die gegenwärtige Ausrichtung und Identität des gemeinschaftlichen Lebensprojekts. „Man fragt sich schon, wo die Zeit hingegangen ist“, so Schlagzeuger Bernhard Breuer im „Krone“-Gespräch, „bei Konzerten merken wir, dass da teilweise Leute mit uns mitgewachsen sind, auch schon 20 Jahre zu uns kommen. Manchmal haben sie ihre Kinder dabei und es ist eine generationenübergreifende Sache. Wir haben zu einer Zeit begonnen, wo Minimal Techno gerade cool war und viel im entstanden begriffen ist – schon arg, wie lange unsere Reise schon geht.“

Das Trio im Gespräch mit „Krone“-Redakteur Fröwein in ihrem Studio und Proberaum im 20. Wiener ...
Das Trio im Gespräch mit „Krone“-Redakteur Fröwein in ihrem Studio und Proberaum im 20. Wiener Gemeindebezirk.(Bild: Jöchl Martin)

Zügel fest in der eigenen Hand
Elektro Guzzi veröffentlichen in steter Regelmäßigkeit qualitativ hochwertige Alben, die immer anders klingen, aber nie versuchen, sich einem Zeitgeist anzubiedern. Seit einigen Jahren veröffentlicht das Trio unter dem eigenen Label und hat alle Zügel fest in der Hand. „Das Musikbusiness hat sich in den letzten 20 Jahren wahnsinnig gewandelt“, analysiert Bassist Jakob Schneidewind, „nicht aber wir. Wir machen immer noch das, was uns Spaß macht und was wir für richtig halten, auch wenn sich drumherum alles komplett verändert.“ Das beginnt schon damit, dass man als Techno-Band mit analogen Instrumenten auf ganze Alben und nicht etwa auf schnelllebige Single-Formate setzt. „Uns gefällt das Albumformat gut. Man hat eine knappe Stunde Musik, die eine Geschichte erzählt. Einen Anfang und ein Ende hat. Würden wir uns ständig einem Markt anpassen, wären wir längst nicht mehr da, wo wir sind. Wir lassen uns von äußeren Umständen nicht aus der Ruhe bringen.“

Elektro Guzzi spielten die größten und artifiziellsten Bühnen und Festivals der Welt und haben, in ihren 40ern angekommen und zuweilen Familienväter, längst andere Ambitionen als in der juvenilen Sturm-und-Drang-Phase vor 20 Jahren. „Wir drei konnten sehr lange von dieser Band leben, das war ein großes Glück. Mittlerweile sind wir alle auch in vielen anderen Projekten involviert, aber der Stellenwert dieser Band ist unverändert hoch. Durch die äußeren Lebensumstände muss die Musik manchmal zurückstecken, aber das Grundverständnis war und ist immer, dass wir drei uns treffen und gemeinsam Musik machen wollen. Solange das der Fall ist, ist alles in Ordnung.“ Das neue, mittlerweile neunte Album nennt sich „Liquid Center“ und ist ein in sich geschlossenes, sehr warmes und zuweilen auch melancholisches Werk. Mehr denn je zielte man im Bandcamp nicht auf die Lautstärke, sondern auf Details ab. Möglicherweise auch eine Herangehensweise, die der zunehmende Reife der Menschen und Musiker geschuldet ist.

Vom Club zu den Kopfhörern
„Wir haben viel in Räumen und mit Mikrofontechniken experimentiert. Es gab viele Aufnahmesessions und sehr viel blieb davon auf der Strecke. Im Endeffekt führte das dazu, dass ,Liquid Center‘ eines der aufwändigsten Alben wurde, das wir je selbst produziert haben.“ Die Konzentration auf eine Raumaufnahme war auch für Elektro Guzzi Neuland. Man möchte das Gefühl verbreiten, dass der Zuhörer mit den Musikern gemeinsam der Aufnahme beiwohnt, weshalb das neue Werk ein perfektes Kopfhöreralbum ist, dass sich live seinen Weg mit etwas mehr Vehemenz bahnen wird müssen, als das bei offensichtlich lauteren und auf die Liveatmosphäre konzipierten Alben der Vergangenheit der Fall war. „Der Wille, dass wir Club-Alben machen, war schon mal stärker gegeben als dieses Mal. Wir wollten aber bewusst wieder akustischer, offener und vielseitiger klingen.“ Das könnte wiederum ein direktes Resultat dessen sein, dass man als Band in den letzten Jahren auch viel seltener in Clubs aufgetreten ist.

„Es gab öfter klassische Konzertsettings und die Club-Schiene haben wir zurückgefahren“, erklärt Gitarrist Bernhard Hammer, „auch bei der Albumpräsentation von ,Liquid Center‘ spielen wir im Radiokulturhaus in Wien vor sitzendem Publikum. Wir haben über die Jahre gelernt, dass wir nicht immer die Tanzfläche bedienen müssen, aus diesem Hintergrund heraus hat sich auch die Ausrichtung des neuen Albums ergeben.“ Diese Zurückhaltung bei Club-Gigs ist nicht nur der veränderten Familiensituation der Musiker zuzuschreiben. „Die Club-Landschaft hat sich seit Corona stark verändert. Die Betreiber sind heute nicht mehr so risikofreudig und auch die Besucher überlegen sich sehr genau, wo sie wann hingehen. Schnittstellen, die irgendwo zwischen Konzerten, Partys und Festivals wandeln, tun sich heute jedenfalls leichter als reine Clubs. Die Leute trinken auch merkbar weniger Alkohol, was natürlich auch gute Seiten hat, aber für die Gastronomie und das Gesamtpaket des Nachtlebens hat es nicht unbedingt große Vorteile.“

Vereint in der Leidenschaft. Bernhard Hammer, Jakob Schneidewind und Bernhard Breuer (v.l.) sind ...
Vereint in der Leidenschaft. Bernhard Hammer, Jakob Schneidewind und Bernhard Breuer (v.l.) sind seit 2004 Elektro Guzzi.(Bild: Jöchl Martin)

Zuhören und fallenlassen
Für die Anordnung der Tracks auf „Liquid Center“ holte man sich in Form eines befreundeten DJs Hilfe von außen, um nicht im Tunnelblick der eigenen Produktion zu verharren. „Wir haben bei ein paar Arbeitsschritten mit externen Leuten gearbeitet, weil sich das Produkt dadurch am Ende verbessert.“ Das mystische Cover-Foto wurde vom langjährigen Partner Klaus Pichler auf der nächtlichen Baumgartner Höhe aufgenommen, dazu fliegt ein Plastiksackerl durch die Gegend, das mit farbigen Blitzen aufgenommen wurde. „Wir haben uns stark mit Themen wie dem Erdkern und der Erdkruste beschäftigt, das war dann auch die Inspiration für die Songtitel. Die Arbeitstitel sind meist sehr räudig und tragen Namen wie ,Topfengolatsche‘, ,Sachbearbeiter‘ oder ,Wurstfabrik‘ – mit ,Amorphea‘, ,Litosphere‘ oder ,Cuore Morbido‘ lässt sich unsere Musik aber dann doch besser erklären.“ Am Allerbesten ist aber ohnehin zuhören, fallen lassen und genießen – Elektro Guzzi funktionieren immer dann am besten, wenn man sich in Ruhe auf ihre austrabende Klangwelt einlässt.

Live quer durch Österreich
Ihr Album „Liquid Center“ präsentieren Elektro Guzzi am 20. November im Wiener Radiokulturhaus. Weitere Termine in Österreich: am 21. November in der Stadtwerkstatt Linz, am 22. November im Innsbrucker Treibhaus, am 20. Dezember im Spielboden Dornbirn, am 29. Jänner im Kremser Kino im Kesselhaus, am 30. Jänner im Röda in Steyr, am 31. Jänner beim „Jazz It“ in Salzburg und am 27. Februar im Kino Ebensee. Unter www.elektroguzzi.net gibt es alle weiteren Informationen und die detailliert angeführten Termine.

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