Er gehört zu den berühmtesten und beliebtesten klassischen Pianisten der Welt und begeistert ein Millionenpublikum. Nun veröffentlicht Lang Lang sein neues Studioalbum „Piano Book 2“. Nachdem er im Sommer eine spontane Kostprobe seines Könnens bei der Gloriette in Schönbrunn zu Besten gab, kommt er 2026 offiziell dreimal in den Wiener Musikverein. Die „Krone“ traf ihn vorab zum Gespräch.
„Krone“: Lang Lang, Sie haben im August vor der Gloriette des Schlosses Schönbrunn eine Kostprobe am Piano zum Besten gegeben. Das ist ein Ort, den Sie besonders gut kennen …
Lang Lang: Das stimmt. Ich spielte 2005 und 2014 die Sommernachtskonzerte und 2008 auch mit den Wiener Philharmonikern. Da waren Tschaikowsky, Chopin und Richard Strauss im Programm. In diesem Fall war das eine Überraschungs-Performance, die nicht angekündigt war und damit natürlich auch mein kleines Wien-Konzert. (lacht) Wir haben damit die Tage zwischen meinen Auftritten beim Lucerne Festival überbrückt. So haben wir ein Klavier vor die Gloriette gestellt und ich habe Mozart und „La La Land“ gespielt – wir haben nur für gutes Wetter gebetet und wurden zum Glück erhört.
Was hat Ihnen besonders gut gefallen?
Dieser kleine gelbe Bummelzug, der durch die Gegend fährt. Insgesamt war das sicher meine speziellste Erfahrung in Wien und sie wird garantiert unvergesslich bleiben. Vor drei Jahren haben wir in Großbritannien bei Zugstationen Überraschungsgigs gespielt, aber das war nicht im Freien und da die Leute ihre Züge erwischen mussten, hat sich das ganz anders angefühlt. Jeder war in Eile und mein Ziel war es, die Leute ein bisschen zum Zuhören zu bewegen – ein schwieriges Unterfangen, wie Sie sich vorstellen können. Wenn sich jemand für fünf Minuten in die Musik einleben kann und das Drumherum vergisst, dann haben wir damit aber schon viel erreicht.
Dieser Tage erschein Ihr neues Album, der zweite Teil des „Piano Book“. Nach welchen Kriterien haben Sie die darauf befindlichen Nummern dieses Mal gewählt?
Der erste Teil des Albums hat rund eine Million physischer Kopien verkauft. Das ist in diesen Zeiten unglaublich und hat uns sehr überrascht. Es war eine Freude, weil wir damit überhaupt nicht gerechnet haben. Dieses Mal haben wir mehr vom selben und auch viele Neues. Es gibt den türkischen Marsch von Beethoven, Schubert, Mendelssohn und Chopin zu hören. Es ist eine Mischung aus klassischen Kompositionen und moderneren Zugängen, die unterschiedlich arrangiert sind.
Gibt es ein Stück, dass Ihnen mit Ihren Fähigkeiten schwergefallen ist, zu spielen?
So ein Song von Thelonious Monk, dessen Titel mir akut nicht einfallen will – das war eine große Herausforderung, auch wenn es nicht auf diesem Album ist. Es ist sehr jazzig und ich habe es fast aufgegeben, weil ich den Vibe nicht gefunden habe. Es ist eine ganz spezielle Form von Rhythmus, für den ich ziemlich viel Zeit in Anspruch nehmen musste. Ich fragte mich zeitweise wirklich, ob das ernstgemeint ist. Aber manchmal braucht man Zeit und mehr Geduld.
Werden Sie es bei Ihrem Auftritt im Wiener Musikverein zum Besten geben?
Wahrscheinlich nicht. Das wäre eher eine Nummer für Festivals, aber bei einem abendfüllenden Programm werde ich eher Abstand davon nehmen.
Auf den letzten Alben haben Sie verstärkt mit Ihrer Frau Gina Alice Redlinger zusammengearbeitet. War das für „Piano Book 2“ wieder der Fall?
Nein, dieses Mal nicht, das waren neue Kollaborationen. Ich habe mit meiner Frau in den letzten Jahren sehr viele schöne Projekte umgesetzt, aber wir haben beide ein bisschen Pause gebraucht, um in andere Richtungen zu gehen. In der Zukunft werden wir aber sicher wieder zusammenarbeiten. Sie ist eine großartige Songwriterin, kann spielen und singen. Sie ist aber selbst im Moment ausreichend ausgelastet.
Macht es einen großen Unterschied, ob Sie Songs mit oder ohne sie spielen?
So viel haben wir insgesamt auch noch nicht zusammengearbeitet, es waren ein paar Projekte und ich würde da keine großen Unterschiede erkennen. Wenn man mit anderen zusammenspielt, muss vor allem die Chemie passen. Es muss immer so gut ineinanderfließen, als spiele man nur mit sich selbst.
Sie sind jemand, der gerne Grenzen übertritt, indem Sie etwa mit Pharrell Williams gearbeitet haben oder sich an „Disney“-Liedern zu schaffen machten. Suchen Sie immer nach dem Neuen und Ungewöhnlichen?
Mit den Crossover-Projekten bin ich in letzter Zeit gewaltig zurückgefahren, weil ich so viel klassisches Repertoire habe, dass ich mit den Menschen teilen will. 2026 habe ich zwölf verschiedene Piano-Konzerte eingeplant, die mich in der Vorbereitung schon jetzt verrückt machen. Darauf liegt mein Fokus, die Crossover-Schiene wird jetzt einmal hintangestellt. Ich will aber nicht sagen, dass es danach nicht wieder stärker in die Richtung gehen könnte.
Nachdem Sie so viel Zeit für Ihre große Passion Musik verwenden – bleibt in Ihrem Leben auch noch Zeit für andere Dinge?
Es gibt die „Lang Lang International Music Foundation“, die sehr viel Zeit in meinem Leben verschlingt. Wir besuchen verschiedene Schulen rund um den Planeten und versuchen, musikalische Bildung stärker reinzubringen. In diesen Klassen geht es nicht nur ums Zuhören, sondern auch um das Spielen. Jede Musikklasse muss 20 bis 30 smarte Digitalpianos haben, denn dort lernst du dann das physische Spielen auf günstigerer Ebene.
Sie arbeiten schon sehr lange mit Kindern und Jugendlichen zusammen. Trägt diese Arbeit schon sichtbare Früchte, indem Musiker selbst eine Karriere gestartet haben?
Das ist schwer zu sagen, weil sich die Schulen sehr stark voneinander unterscheiden. Ich sehe Veränderungen und viele Verbesserungen, aber wir sind noch lange nicht dort, wo wir hinwollen. Wenn man Kinder mit klassischer Musik verbinden will, muss man sich auf eine sehr lange Reise einstellen. Das ist es mir aber wert, denn die Musik hat auch mein Leben verändert. Ich bin dadurch zu einer besseren, interessanteren und bedeutungsvolleren Person geworden. Speziell die Kinder, die ein bisschen benachteiligt sind, können sehr viel daraus ziehen. Die gesamte Welt der Klassik muss sich viel mehr auf Bildung und Ausbildung konzentrieren. Verschiedene Wege und Stile ausprobieren, Neues wagen, aber dafür brauchst du Schulen, Instrumente und Proberäume. Ohne fundamentales Training und Hintergrundwissen lässt sich kaum eine große Karriere erschaffen. Am Ende ist das gut für Kinder und ihre Eltern, denn etwas Kunstvolles oder Musikalisches zu machen, ist immer eine gute Wahl.
Wir alle wissen aber, dass Kinder gerne Pop-, Hip-Hop- oder Rockmusik hören. Wie macht man Klassik für sie cool?
Musik an sich ist immer großartig, aber in erster Linie ist sie theoretisch. Es geht um die ersten Lernschritte, um die Zugänge, die man Kindern zur Musik ermöglicht, um diese Musik von der Theorie weg lebendig zu gestalten. Natürlich kann man mit gewissen Fähigkeiten ein erfolgreicher Rapper werden. Wenn du zusätzlich aber das Klavier oder ein anderes klassisches Instrument beherrscht, tun sich da mit fundamentalem Training viele weitere Welten auf. Im Streamingzeitalter ist das alles noch einfacher. Jeder Mensch kann mich heute jederzeit auf seinen Geräten spielen hören und man kann sich daheim die Visuals im iPad anschauen und die Lieder nachspielen. Das Klavierspiellernen kann unheimlich kreativ gestaltet werden. Die neuen Technologien machen den Zugang zur klassischen Musik niederschwelliger und dadurch kann man mehr junge Menschen dafür begeistern.
Hätten Sie all diese Möglichkeiten gerne gehabt, als Sie ein Kind waren und sich in die Musik verliebt haben?
Natürlich, denn dann hätte ich Herbert von Karajan viel schneller verstanden. (lacht) Seit 1986, als ich vier Jahre alt war, habe ich jedes Jahr sehnsüchtig auf das Neujahrskonzert im Fernsehen gewartet, um es mir anzusehen. Es war nur einmal im Jahr möglich, dieses Schauspiel aus Wien zu verfolgen. Jetzt kann ich über YouTube und Social-Media-Plattformen darauf zugreifen, wann ich will. Dieser Zugang erleichtert den Weg der Klassik an sich erheblich.
Ist es nach wie vor eines Ihrer größten Ziele, immer besser und besser zu werden?
Ich bin mir nicht sicher. Es gibt auch die Zeit der Improvisation, die nichts mit dem Besser werden zu tun hat. Ich spiele jedes Jahr ein anderes Repertoire und greife auf anderes Material zurück. Das sorgt dafür, dass man ohnehin immer lernen muss. Auf der anderen Seite – selbst, wenn du ein Stück seit zehn Jahren spielst. Du wirst ihm immer neue Facetten abringen können, neue Wege finden, es lebendig zu machen. Je mehr man spielt, umso tiefer taucht man in die Welt der Musik ein.
Wird es mit den Jahren schwieriger für Sie, sich selbst zu überraschen, weil Sie sich schon auf so vielen Ebenen versucht haben?
Diese Herausforderung stellt sich manchmal tatsächlich, aber es ist nicht unmöglich, sich ständig zu pushen. Das Gute am Piano ist, dass man es nie ausgelernt hat. In einem Jahr fokussierst du dich auf Beethoven, im nächsten dann auf Barockmusik und später auf Latin-Sounds. Man kann auf dem Klavier jede Kultur, jedes musikalische Vermächtnis adaptieren und umsetzen. Von der europäischen Klassik bis hin zu chinesischer Volksmusik. Das Piano ist eine Brücke zu den verschiedensten Kulturen und man kann sie alle durch das Piano erreichen.
Zwei Staffeln lang waren Sie auch Juror in der britischen Show „The Piano“.
Das war großartig, dass Musik am Piano so prominent ins Fernsehen kam. Wir Pianisten aus der Klassik sind immer auf der Suche, wie wir die klassische Musik und unser Spiel stärker in die Öffentlichkeit und in den Mainstream bringen können. Wir hatten großes Glück, denn vor allem in der ersten Staffel waren ein paar unglaubliche Talente mit an Bord, die uns wirklich motiviert haben. Mika und ich waren in der Jury und haben Tipps gegeben, aber wenn nicht zumindest ein gewisses Grundtalent vorhanden ist, helfen alle Tipps nichts. Da war ein Mädchen namens Lucy, die mit ihrer Geschichte und ihrem Spiel die Herzen zum Schmelzen brachte. Wir mussten sie der Welt nur vorstellen – ein einfacher Job. So viel Talent findet man nicht immer.
Was wollen Sie bei einem Konzert mit Ihrem Spiel in den Menschen erwecken? Wie sollen sie sich fühlen, wenn sie einem Auftritt von Lang Lang beiwohnen?
Für mich geht es nur um die Verbindung von Herz zu Herz. Nichts ist wichtiger. Natürlich respektieren wir die große Tradition der klassischen Musik, aber es ist genauso wichtig, diese große Kunst zu nehmen und in die moderne, zeitgemäße Gesellschaft zu transferieren. Das ist die Grundvoraussetzung für eine komplette Verbindung. Außerdem musst du in deiner Musik auch ein guter Geschichtenerzähler sein. Ehrlich und authentisch sein. Die Menschen mit deiner Musik und deinem Zugang zum Spiel nicht belügen. Man kann als Musiker nie so tun, als ob. Das fällt sofort auf. Nur wer sich voll in die Wahrheit legt, kann die Menschen auch berühren.
Hatten Sie zeitlebens immer so viel Herz und Liebe für die Musik, oder gab es auch mal schwierige Zeiten, in denen Sie an mangelnder Motivation litten?
Ich liebe Musik über alles, aber als Kind hat man natürlich keine 24 Stunden am Tag Lust, am Klavier zu sitzen und zu üben. Manchmal will man einfach Fußballspielen oder die Spielkonsole einschalten, aber ganz generell war ich immer fokussiert und ließ mich durch nichts aus der Ruhe bringen. Es gab zwei kurze Momente in meinem Leben, wo ich kurz vor dem Aufgeben war, aber die sind lange her.
Live in Wien
Am 20., 21. und 22. Februar ist Lang Lang live im Wiener Musikverein zu sehen. Unter www.musikverein.at gibt es weitere Informationen und Details zu den Konzerten.
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