Blutige Kriegsbilanz
Wehrschütz: „Wäre das Signal der USA an Moskau“
Seit 25 Jahren berichtet ORF-Urgestein Christian Wehrschütz (64) von den Frontlinien am Balkan und in der Ukraine. Nun hat er sein Reporterleben im Buch mit dem Titel „Frontlinien“ zusammengefasst.
Nicht nur in seinem Buch zieht Christian Wehrschütz seine brisante Blitz-Bilanz zum blutigen Putin-Krieg – im Interview mit der „Krone“ legt er seine Einschätzung dar.
„Krone“: Herr Wehrschütz, wie schätzen Sie den Status quo im Ukraine-Krieg ein?
Wehrschütz: Trotz ihrer Sommer- und Herbstoffensive ist den Russen beim Kampf um die Städte kein strategischer Mega-Erfolg gelungen. Deshalb verlagert sich auf beiden Seiten alles auf Luftangriffe.
Welche Rolle haben die USA?
Dank der amerikanischen Waffenlieferungen hatten die Ukrainer Erfolge: bei der Zielerfassung, der Zerstörung von Luftverteidigungsanlagen. Zudem konnte kritische Infrastruktur getroffen werden; Öl- und Erdgasleitungen, Raffinerien.
Welche ist die größte Stärke der Russen?
Sie nehmen wichtige Angriffsziele der ukrainischen Eigenversorgung exakt ins Visier: Gas- und Kraftwerke sowie Eisenbahnlinien werden systematisch ausradiert.
Wächst die Kriegsgefahr deshalb nun auch für Europa?
Es droht eine Entwicklung Richtung Eskalation, der Konflikt schaukelt sich immer mehr auf, und die Gesamtlage wird dadurch weltweit immer konfrontativer.
Werden die von den USA möglicherweise bald gelieferten Tomahawk-Raketen etwas im Kriegsverlauf verändern können?
Diese Langstreckenraketen haben eine Reichweite von mehr als 2000 Kilometern. Sie wären somit das Signal an Moskau, dass das gesamte Land beziehungsweise weite Teile des russischen Territoriums nun getroffen werden können. Dass die auch mit atomaren Sprengköpfen bestückbaren Tomahawk-Raketen allerdings zum „Gamechanger“ (engl. für Spiel-Veränderer, d. h. kriegsentscheidend) werden könnten, schließe ich aus.
Abseits des grausigen Kriegsdramas. Was war einer der skurrilsten Momente im Laufe Ihrer Reporter-Zeit an der ukrainischen Front?
Nach der Sprengung eines Dammes in der Ostukraine traf ich einen Mann vor seinem versunkenen Haus. Er wollte mir seine Ruine zeigen. Da ich nur Stiefel trug, gab er mir seine Fischerhose, und ich watete mit ihm durchs Wasser. Plötzlich ein Anruf aus Wien: „In drei Minuten ORF-Einstieg!“ Mir blieb nichts anderes übrig, als aus dem überfluteten Minengebiet zu berichten – bis zu den Hüften im Brackwasser stehend.
Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
Ich bleibe Balkan-Korrespondent bis Juni und dann bis Oktober 2026 noch in der Ukraine.
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