Die schwedische Regisseurin Therese Willstedt hat Thomas Bernhards monumentalen letzten Roman „Auslöschung. Ein Zerfall“ für die Bühne bearbeitet und inszeniert. Premiere im Burgtheater ist heute.
Es ist wohl einer seiner radikalsten Texte: In seinem Roman „Auslöschung“ aus dem Jahr 1986 rechnet Thomas Bernhard ab. Mit seiner Herkunft, dem österreichischen Bürgertum, der katholischen Kirche und dem Nationalsozialismus. All das soll „ausgelöscht“ werden.
Vorgebracht wird diese sprachgewaltige Abrechnung bei Bernhard als innerer Monolog des Ich-Erzählers Franz-Josef Murau. Anstoß der Geschichte ist ein Telegramm, das den Protagonisten über den Unfalltod seiner Eltern und seines Bruders informiert. Murau lebt in Rom und ist nun Erbe des Familiensitzes Schloss Wolfsegg in Oberösterreich. „Wolfsegg ist der Inbegriff der österreichischen Verlogenheit“, lässt Bernhard ihn darüber sagen.
Die aus Schweden stammende Regisseurin Therese Willstedt hat die bitterböse Tirade gegen das spießbürgerliche, katholisch-nationalistische Österreich, das Bernhard zeitlebens bekämpfte, jetzt für das Theater adaptiert.
Sieben Orlandos und acht Muraus
Mit Romanbearbeitungen hat Therese Willstedt bereits Erfahrung. Vergangenes Jahr stellte sie bei Viginia Woolfs „Orlando“ im Akademietheater sieben Orlandos auf die Bühne, nun wird es im Burgtheater acht Muraus geben. Denn auch in ihrer Dramatisierung von Bernhards letzten Roman setzt Willstedt erneut auf den Kunstgriff der Vervielfältigung.
Diesen monumentalen Monolog zum Stück zu machen, beschreibt Therese Willstedt im Gespräch mit der APA als „sehr interessante und komplexe“ Arbeit: „Der Text ist ein Labyrinth, eine Spirale von Gedanken, hinter denen ein großer Aufruhr steckt. Anstatt auf der Bühne nur einen Protagonisten, eine Stimme zu haben, habe ich mich entschieden, Franz-Josef Muraus Geschichte mit acht Schauspielerinnen und Schauspielern zu erzählen. Das gibt dem Publikum die Möglichkeit, sich in einer der Personen selbst zu spiegeln.“
Sprache als messerscharfe Waffe
Zum Werk des österreichischen Dichters, der Sprache durchaus als messerscharfe Waffe benutzte, hat Willstedt eine starke Beziehung, bezeichnet „Auslöschung“ als eines „der kraftvollsten Werke, die Bernhard geschaffen hat.“ Was sie daran besonders fasziniert? „Dass es einerseits um ein so klares persönliches Trauma geht, aber gleichzeitig zeigt, dass das Individuum ganz eng mit einem kollektiven Trauma verbunden ist.“
Der Protagonist des Romans, Franz-Josef Murau, ist für die Regisseurin ein „sehr komplizierter, traumatisierter – und auch unsympathischer – Charakter. Er will das Böse sezieren, das er erfahren hat. Aber er urteilt über andere und merkt nicht, dass er Teil dieser Kultur ist und das Böse, das er kritisiert, auch in ihm selbst lebt.“
Grotesker Humor gegen den Wahnsinn
Bernhards bitterböse Abrechnung ist 1986 erschienen. Was macht den Stoff heute noch relevant? „Bernhard arbeitet hier heraus, dass wir – auch wenn wir es nicht zugeben wollen – alle Teil einer gesellschaftlichen Struktur sind. Es geht ihm um den Kampf gegen unsere Unwissenheit, unsere Gleichgültigkeit. Ich denke, das macht ,Auslöschung‘ hoch aktuell.“
Auch in der Sprache selbst steckt für Willstedt eine Kraft, die nicht in die Jahre gekommen ist: „Sein grotesker Humor ist eine sehr gute Antwort auf all den Wahnsinn, der in der Welt vor sich geht.“
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