In Wien-Meidling hat nun ein Supermarkt der anderen Art geöffnet: Jeder Kunde ist als Genossenschafter zugleich auch Besitzer – mit Mitspracherecht beim Sortiment, aber auch der Pflicht zur Mitarbeit. Profit wirft das Geschäftsmodell nicht ab, dafür aber günstige Preise für die Mitglieder.
Auf den ersten Blick sieht der neue MILA-Supermarkt in der Meidlinger Vivenotgasse 29 aus wie viele andere abseits der bekannten Handelsketten: auf 350 Quadratmetern in zwei Stockwerken mit einem Schwerpunkt auf nachhaltige und Bio-Lebensmittel, aber einem Vollsortiment für den täglichen Einkauf. Dieser Supermarkt gehört aber all denen selbst, die dort Waren in ihre Körbe packen – wenn sie nicht selbst gerade kassieren, Preisschilder kontrollieren, Lieferungen entgegennehmen oder Regale einräumen.
Nach drei Jahren großen Schritt gewagt
MILA wurde Anfang 2023 mit rund 100 Mitgliedern gegründet und hat sich seither stetig emporgearbeitet: Im Frühjahr nach der Gründung wurde ein Mini-Markt in Ottakring eröffnet, die Mitgliederzahl hat sich in den knapp drei Jahren verzehnfacht. Nun hat die Initiative den Schritt gewagt, den sie sich schon bei ihrer Gründung vorgenommen hat: die Eröffnung von Österreichs erstem 100-prozentig genossenschaftlichem Supermarkt. Bereits funktionierende Vorbilder dafür gibt es in Frankreich und Deutschland.
180 Euro Einstiegsgebühr und 3 Stunden Arbeit pro Monat
Die Regeln für Mitglieder sind seit dem Anfang gleich geblieben: Der reguläre Genossenschaftsanteil für den Einstieg liegt bei 180 Euro – wer will, kann sich auch mit größeren Summen beteiligen – und der reduzierte Sozialanteil bei 20 Euro. Außerdem muss jedes Mitglied drei Stunden Mitarbeit pro Monat mitarbeiten. Für viele ist das aber nicht einmal Pflicht, sondern ein weiterer Bonus, um Kontakte zu knüpfen und neue Erfahrungen zu sammeln.
Ich war überrascht, wie viel Spaß das Mitmachen macht. Ich kann sogar Produkte vorschlagen – und wenig später stehen sie im Regal. Das ist mehr als einkaufen, das ist mitgestalten in meinem eigenen Supermarkt.
Karin Kuna (63), Pensionistin
Die Mitbestimmungsrechte beim Sortiment sind für viele Mitglieder nur ein zusätzliches Zuckerl, die größten Argumente sind für die meisten die Nachhaltigkeit – 70 Prozent bekommen fix die meist regionalen Produzenten, aus den anderen 30 Prozent des Regalpreises wird der Betrieb finanziert und Steuern gezahlt – und das eigene Börsel: Gegenüber Handelsketten lassen sich oft 10 bis manchmal sogar 40 Prozent billigere Preise erzielen.
Modell hat noch nicht ganz Oberwasser
So sehr die Genossenschaft auch von Ideologie getragen ist, so realistisch wird umgekehrt kalkuliert: Der Genossenschaftsvorstand besteht auch aus Lebensmittelmanagern, Betriebswirtschaftlern und anderen Profis. Gemäß den Regeln von Genossenschaften bekommt man bei einem Ausstieg auch den ursprünglich eingezahlten Beitrag wieder zurück – allerdings nur, wenn die Genossenschaft dann auch weiterhin liquid ist.
Es wird nicht verhehlt, dass die Genossenschaft derzeit noch nicht genug Mitglieder hat, um den Supermarkt auf Dauer abzusichern: Rund 500 Teilhaber fehlen laut der MILA-internen Rechnung noch. Sollte die Supermarkt-Utopie scheitern, würden die Genossenschaftsanteile in die Insolvenz fließen. Dann wären die eingezahlten Beiträge – aber auch nicht mehr als das – für die Mitglieder verloren.
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.