Es kriselt überall

Russische Wirtschaft gerät in die Zwickmühle

Wirtschaft
26.09.2025 16:07

Die Warnzeichen für die russische Wirtschaft werden größer. Selbst hochrangige Regierungsmitglieder warnen vor einem starken Rückgang der Wachstumszahlen. Nun muss das Kabinett das Volk auch mit einer Mehrwertsteuererhöhung zur Kasse bitten, um die enormen Kriegsausgaben zu decken.

Selbst der sonst dem Kreml vergleichsweise wohlgesonnene US-Präsident Donald Trump bezeichnete Russland zuletzt mit Blick auf dessen Wirtschaft als „Papiertiger“. Droht tatsächlich eine Krise?

In vielen zivilen Bereichen gibt es schon offensichtliche Probleme. „Eine schwierige Situation in einzelnen Sektoren“, erklärte Zentralbankchefin Elvira Nabiullina vor einer Woche dazu und führte als Beispiele die Ölförderindustrie sowie Kohle und Stahl an. Daneben klagen auch die Autoproduzenten über sinkende Absatzzahlen. Im Wohnungsbau herrscht seit dem Wegfall staatlich gestützter Hypothekenkredite schon länger Flaute. Und nun erhöht sich auch noch der Druck auf den Einzelhandel durch eine Steuererhöhung.

Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) senkte ihre Wachstumsprognose für Russland und erwartet für heuer nur noch eine um 1,3 Prozent höhere Wirtschaftsleistung. Zugleich liegt diese Erwartung immer noch über den Zahlen für Deutschland oder den Euro-Raum, die mit weniger als einem Prozent Wirtschaftswachstum rechnen müssen.

Für die Russen wird der Alltag immer teurer.
Für die Russen wird der Alltag immer teurer.(Bild: EPA/YURI KOCHETKOV)

Welche Steuern will die Regierung aus welchem Grund erhöhen?
Die Mehrwertsteuer soll zum Jahreswechsel von 20 auf 22 Prozent steigen. Mehr noch: Nun sollen auch kleinere Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als zehn Millionen Rubel (gut 100.000 Euro) diese Steuer zahlen – bisher lag die Grenze beim Sechsfachen.

Die Anhebung kommt einerseits unerwartet: 2024 hatte Kremlchef Wladimir Putin noch versprochen, die Steuern bis 2030 nicht anzutasten. Andererseits galt der Schritt seit Längerem als unausweichlich wegen des gewaltigen Haushaltsdefizits – allein bis August sind es 43 Mrd. Euro. Das Geld sei etwa für die Finanzierung von „Verteidigung und Sicherheit nötig“, schreibt das Finanzministerium. Mit anderen Worten für die weitere Kriegsführung.

Wie viel kostet Russland der Krieg?
Die genauen Kosten sind schwer zu beziffern: Aber allein die Haushaltsausgaben für die Posten Verteidigung und Innere Sicherheit belaufen sich heuer auf 135 Mrd. Euro – etwa 40 Prozent der Gesamtausgaben. Nicht eingerechnet sind hier die vor allem langfristigen Kosten der Sanktionen, die sich wegen der Einfuhrbeschränkungen in technologischem Rückstand ausdrücken, und die Kriegsschäden. Denn auch die grenznahen russischen Gebiete und weiter im Hinterland vor allem die Ölindustrie leiden schwer unter den Angriffen, mit denen die Ukraine ihren Abwehrkampf führt.

Ein Kriegsende würde den Sanktionsdruck lindern und zur Beendigung der Angriffe auf die eigene ...
Ein Kriegsende würde den Sanktionsdruck lindern und zur Beendigung der Angriffe auf die eigene Ölindustrie führen.(Bild: EPA/YURI KOCHETKOV)

Wie schwer wird die russische Ölindustrie in Mitleidenschaft gezogen?Russlands Ölindustrie leidet seit geraumer Zeit unter den Sanktionen. Moskau ist gezwungen, den Rohstoff mit Rabatt auf dem Weltmarkt zu verkaufen. Vor allem Indien und China greifen hier noch zu. Inzwischen ist aber auch die Wirkung der ukrainischen Drohnenangriffe deutlich. Im europäischen Teil Russlands wurden Dutzende Raffinerien angegriffen, teils mussten sie monatelang den Betrieb einstellen.

Die Krise hat nun auch die russische Regierung zugegeben. Vizeregierungschef Alexander Nowak hat bis Jahresende das Exportverbot von Benzin und Diesel verlängert, weil es im Land selbst daran mangelt. Moskaus Statthalter auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim, Sergej Aksjonow, sah sich in einem Video dazu gezwungen, die Einwohner zu beruhigen. Die Lage werde sich in zwei Wochen entspannen, versprach er.

Was steht hinter der Papiertiger-Aussage Trumps?
Russland sei schwach und wirke nach dreieinhalb Jahren Krieg ohne echte Erfolge wie ein Papiertiger, schrieb Trump auf seiner Plattform Truth Social. Er zeigte sich nach einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sogar überzeugt, dass Kiew „mit Unterstützung der Europäischen Union in der Lage ist, die gesamte Ukraine in ihrer ursprünglichen Form zurückzugewinnen“. Wladimir Putin und Russland steckten in großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, schrieb er.

Diese Wortwahl ist für Trump neu. Sollte sich die Rhetorik in neuen Sanktionen gegen Russlands Wirtschaft oder einer stärkeren militärischen Unterstützung für die Ukraine niederschlagen, wäre das für Russland tatsächlich ein schwerer Schlag. Gerade zusätzlicher Druck auf den Öl- und Gassektor würde Russlands Kriegskasse weiter zusetzen. Ob Trump aber tatsächlich handeln wird, gilt weiter als völlig ungewiss.

Was passiert, wenn Russland den Krieg beendet?
Ein Kriegsende würde den Sanktionsdruck lindern und zur Beendigung der Angriffe auf die eigene Ölindustrie führen. Zugleich ist die Rüstungsindustrie angesichts der Probleme in den zivilen Sektoren diejenige Branche, die das Wirtschaftswachstum noch am Leben erhält. Der Sektor ist für acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts verantwortlich.

Eine Rückumstellung auf eine Friedenswirtschaft würde einen massiven Einbruch bedeuten. Zudem ist unklar, was mit den Rückkehrern von der Front passieren soll. Es droht ein Anstieg der Arbeitslosigkeit.

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