Im Fall der tödlichen Schüsse in Wien-Leopoldstadt um den mutmaßlich zehnten Frauenmord sind noch viele Fragen offen. Der 44-jährige Serbe Nenad M. soll am Dienstagabend nicht nur seine Noch-Ehefrau Zlatica M. erschossen, sondern auch seine Tochter und deren Freund schwer verletzt und sich selbst gerichtet haben. Die bisherigen Ermittlungen deuten auf eine Gewaltgeschichte hin, die sich über ein Jahrzehnt erstreckt …
Die Ermittlungsergebnisse der Wiener Polizei, die bislang bekannt gegeben wurden, geben bislang nur eine Vorahnung auf eine womöglich dramatische Beziehungs- und Familiengeschichte der 44-jährigen getöteten Zlatica M., die über ein Jahrzehnt zurückreicht.
Was bisher bekannt ist: Das Tatmotiv der mutmaßlichen Gewalttat ihres Noch-Ehemannes Nenad M., durch den die Frau ihr Leben lassen musste, dürfte Eifersucht und die Trennung des Paares gewesen sein.
Verdächtiger Schütze wollte Sachen abholen
Das Paar lebte getrennt und in Scheidung, so die Ermittler. Am Dienstag wollte er laut Angaben der Polizei offenbar persönliche Sachen aus der Wohnung in der Vorgartenstraße abholen, in der er auch noch gemeldet war. Zahlreiche Familienmitglieder haben sich zu dem Zeitpunkt in der Wohnung befunden, unter anderem seine Tochter mit ihrem Freund, deren beiden Kinder und eine weitere Tochter des 44-jährigen Paares – eine 15-jährige Teenagerin. Dort kam es wohl zu einem lautstarken Streit.
Dabei soll der Serbe auf seine gleichaltrige Frau geschossen haben – seine 24-jährige Tochter wurde am Kopf getroffen, Ärzte kämpfen seit zwei Tagen um ihr junges Leben. Die drei dort anwesenden Kinder mussten als Zeugen der Tat alles mitansehen. Auch der Freund der 24-Jährigen wird getroffen: Ihm gehe es laut Wiener Gesundheitsverbund trotz der Schussverletzung relativ gut, er konnte inzwischen einvernommen werden und das Tatmotiv bestätigen. Er liegt mittlerweile auf der Normalstation.
Chronik einer Gewaltgeschichte
Doch offenkundig haben Gewalttaten in Beziehungen eine Vorgeschichte – so auch im Fall der Familie M. Gegenüber Nachbarn gab sich Nenad M. als angenehmen Zeitgenossen, freundlich und höflich soll er gewesen sein, wie ein „Krone“-Lokalaugenschein belegt. Was stutzig macht: Der 44-Jährige blickt auf eine gewaltvolle Geschichte zurück, wie Polizeiberichte zeigen.
Im Jahr 2014 – vor elf Jahren – trat der 44-Jährige erstmals in polizeiliche Erscheinung, es wurde ein Waffenverbot sowie ein Betretungsverbot gegen ihn verhängt. Der Grund: Ein Vorfall mit seiner Ehefrau – auch die Kinder galten als gefährdete Personen durch ihren Vater. Auch elf Jahre später, zum Tatzeitpunkt, war das Waffenverbot noch aufrecht – ob es zwischendurch aufgehoben wurde, gab die Polizei bisher nicht bekannt.
Es blieb nicht bei dem einen Vorfall, offenbar lernte Nenad M. nicht aus seinen Fehlern. Es gab in den vergangenen Jahren „mehrere Anzeigen unter anderem wegen Gewaltdelikten“, so Polizeisprecherin Irina Steirer. Im Detail handelte es sich um eine gefährliche Drohung – und: Erneut ein Verstoß gegen das Waffengesetz. Er war im Besitz einer Schreckschusswaffe.
Gewaltschutzzentrum war laut Polizei informiert
Laut Polizei werden die Betroffenen über die „Konsequenzen ihres Handelns aufgeklärt“. Eine weitere Anzeige war die Folge. Auch das Gewaltschutzzentrum in Wien wurde durch die Polizei informiert. Dabei handelt es sich um ein normales Prozedere, sobald ein Betretungs- und Annäherungsverbot ausgesprochen wurde. Die Behörde tritt anschließend mit den Betroffenen in Kontakt und bietet professionelle Hilfe und Unterstützung an.
Warum die Staatsanwaltschaft Wien es nicht als hinreichend sah, den 44-jährigen Serben zur Rechenschaft zu ziehen, bleibt auf Anfrage der „Krone“ bis zum Donnerstagabend unbeantwortet.
Viele Fragen nach Gewalttat offen
Wer sich noch an den Femizid in der Salzburger Gemeinde Maria Alm erinnert, bei jener die 34-jährige Jenny Z. mittels Kopfschuss durch ihren Ex-Partner hingerichtet wurde, weiß: Auch damals kam es vor der Gewalttat zu Drohungen, die sie bei der Polizei meldete. Damals wurde aus ungeklärten Gründen kein Betretungs- und Annäherungsverbot ausgesprochen. Auch dieser Fall hatte Diskussionen zum Schutz von Frauen geführt.
Offenkundig hätte bzw. hat ein solches Verbot sowohl Jenny Z. als auch Zlatica M. nicht geholfen. Und dennoch: Beim Schutz der Familie M. bleiben viele Fragen offen – eine Familie, die mutmaßlich seit mehr als zehn Jahren mit Gewalt und Drohungen lebt.
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