Für ihr zweites Album „Bewitched“ bekam die isländisch-amerikanische Sängerin und Musikerin Laufey letztes Jahr einen Grammy – mit dem Drittwerk „A Matter Of Time“ steigt sie nun endgültig in die Jazz-/Pop- und Klassik-Champions-League auf. Mit der „Krone“ sprach sie über Emotionen, Erwartungshaltungen und die Magie von Wolfgang Amadeus Mozart.
Mit viel Fleiß und Disziplin erlernte Laufey Lín Jónsdóttir schon sehr jung Geige und Cello. Musikalisch war die Tochter eines Isländers und einer chinesischen Geigerin schon früh familiär motiviert und pendelte in ihrer Kindheit zwischen Reykjavik und Washington D.C. hin und her. Mit 15 trat sie als Solistin mit dem isländischen Symphonieorchester auf, war dann Finalistin bei der isländischen Ausgabe von „Got Talent“ und schloss ihr Musikstudium am renommierten Berklee College Of Music ab.
Der große Durchbruch gelang via TikTok und dem zweiten Album „Bewitched“ (2023), für das sie einen Grammy erhielt. Laufey (ausgesprochen „Lay-Vey“) macht Jazz für die Generation Z mit Pop- und Klassikelementen. Man findet in ihrem Sound Mozart, Billie Holiday und Björk, das „Time“-Magazin kürte sie heuer zur „Woman Of The Year“. Dieser Tage erscheint ihr Drittwerk „A Matter Of Time“, das sie endgültig in die allererste Liga katapultieren wird. Der in Los Angeles lebende Superstar zeigt sich im „Krone“-Talk humorig, bescheiden und sympathisch schräg.
„Krone“: Laufey, in wenigen Tagen erscheint dein brandneues Studioalbum „A Matter Of Time“. Du hast lange und hart daran gearbeitet – wie fühlt es sich an, diese Musik endlich der Öffentlichkeit präsentieren zu können?
Laufey: Wenn man das fertige Produkt abgeschlossen hat und einen nicht das ständige Gefühl verfolgt, man könnte und müsste hier und da noch etwas ändern, ist das natürlich eine Riesenerleichterung. Es ist ein neues, großes Kapitel meines Lebens, das ich mit der Welt teile. Die Anspannung vor einer Veröffentlichung ist immer hoch, weil man nie weiß, was einen erwartet. Die letzten Jahre waren sehr erfolgreich, sodass eine hohe Erwartungshaltung damit einhergeht.
Du hast 2023 das Album „Bewitched“ veröffentlicht und wurdest damit zum globalen Superstar. Natürlich würden die Fans gerne ähnliche Lieder hören, aber als Künstlerin möchte man sich gerne von all dem emanzipieren, was man schon einmal gemacht hat. Worauf hast du besonders viel Wert gelegt?
Ich bin eine große Liebhaberin von Kunst, die nicht unter einfachen Umständen entsteht und die man sich erarbeiten muss. Es gibt für Künstler nicht wichtigeres, als sich ständig weiterzuentwickeln und zu wachsen. Für „Bewitched“ bekam ich einen Grammy – wie geht man also damit um und wo macht man danach weiter? Der erste Schritt war, mich nicht zu wiederholen und das letzte Album als das zu sehen, was es ist: Ein wundervoller Moment meines Lebens, der aber vergangen ist. Meine Alben sind vertonte Tagebücher meines Lebens und beinhalten Dinge, die ich erlebt, gesehen und erfahren habe. Es ist schön, dieses Ventil zu haben. Meine Lebensreise prägt meine Musik.
Mehr denn je habe ich heute eine Stimme und überlege mir, wie ich diese Stimme am besten einsetzen kann. Bei „A Matter Of Time“ habe ich das erste Mal das Gefühl, die Freiheit zu haben, das zu tun, was ich tun will. Die Erwartungshaltung ist da, die Leute kommentieren und rätseln im Vorfeld herum und das kann man nicht ausblenden. Von „Bewitched“ haben sich die Menschen noch nicht so viel erwartet. Sie waren neugierig, aber relativ befreit von Vorurteilen. Damals entdeckten sie meine Musik, heute erwarten sie sich was davon. Ich will natürlich die Erwartungen jener Leute erfüllen, die mir diese Karriere ermöglichen, aber ich muss gleichzeitig das machen, was für mich richtig ist. Ein paar Elemente auf dem neuen Album werden sicher überraschen und schockieren, aber ich denke, mir ist die Mischung aus alt und neu sehr gut gelungen.
Einer dieser Momente könnte „Sabotage“, der letzte Song des Albums, sein. Der Song hat zwar nichts mit dem gleichnamigen Lied der Beastie Boys zu tun, ist aber voller Noise-Elemente und dürfte auf bisherige Laufey-Hörer stellenweise verstörend wirken.
Das war die erste Nummer, die ich vor mehr als einem Jahr für dieses Album geschrieben habe. Musik und Text gehen wie eine Schere auseinander. Inhaltlich geht es um die Angst, die man hat, eine Beziehung zu sabotieren, obwohl man das gar nicht möchte. Das trifft vor allem ängstliche Menschen und Leute, die vieles überdenken – ich zähle mich zweifellos zu jenen. Musikalisch ist es viel schräger und anders. Die Welt hat mich bislang als sehr sanfte, sich ständig nach dem Perfekten umsehende Musikerin und Persönlichkeit wahrgenommen. Ich habe aber so viele Seiten und emotionale Unterschiedlichkeiten an mir, die ich der Welt noch nicht gezeigt habe oder die ich mich der Welt noch nicht zu zeigen getraut habe.
„A Matter Of Time“ ist ein Album, bei dem sich die Hörer von den Erwartungen zu meiner Person lösen müssen, obwohl alles sehr echt und unmittelbar von mir kommt. Das Album zeigt eine neue Seite der Instabilität. Es gibt immer wieder unruhige Momente, die sich in eine Art von klanglicher Hysterie ausladen – und diese Hysterie ist genau das Gefühl, das man verspürt, wenn man Angst davor hat, eine Beziehung zu zerstören. Ich wollte die Lieder so gestalten, wie die Inhalte. Es gibt sehr feine, filigrane „ich liebe dich“-Momente, aber auch vorpreschende und harte „ich hasse dich“-Passagen. Insgesamt gibt es viel mehr Facetten.
Das Leben selbst besteht aus den unterschiedlichsten Emotionen, Stimmungen und Facetten. Ist „A Matter Of Time“ ein Album, das mehr Tiefe besitzt und mehr Ecken und Kanten ausreizt?
Das ist meine größte Hoffnung. Es gibt auf dieser Welt viele wundervolle Alben, die man auflegt und die auf eine Reise einladen und dabei alle Emotionen vermitteln, die uns Menschen bekannt sind. Noch mehr Alben haben einen bestimmten Vibe, der sich über die gesamte Länge ausbreitet, aber diese Art von Alben kann ich nicht schreiben. Dazu passiert in meinem Leben zu viel. Ich bin jemand, der an einem 24-Stunden-Tag schon sämtliche Emotionspaletten erlebt. (lacht)
Heutzutage gibt es viele Musiker oder Künstler, die in erster Linie berühmt sein wollen und bei denen die Musik erst an zweiter Stelle steht. Bei dir war das von Anfang an umgekehrt, aber du bist in der Öffentlichkeit über die letzten beiden Jahre regelrecht explodiert. Wie konntest du diesen Hype um dich verarbeiten?
Es ist wirklich lustig, denn ich hätte mir in meinen kühnsten Träumen nicht erwartet dort zu stehen, wo ich heute bin. In manchen der neuen Songs beziehe ich mich auch auf diese schräge Reise, etwa in „Snow White“. Der Song handelt im Großen und Ganzen von der Erwartungshaltung, die Menschen an mich als Popstar haben, aber auch davon, wie man sich als Sängerin in der Öffentlichkeit kleiden und benehmen soll. Ich hätte mir wirklich nie gedacht, dass ich mich einmal mit solchen Dingen befassen muss. Am Wichtigsten war mir immer, treu zu mir selbst und meiner Musik zu sein. Das ist auch auf „A Matter Of Time“ der Fall.
Direkt auf „Snow White“ folgt das Lied „Castle In Hollywood“ - brichst du darin mit den Erwartungen an dich, um dich quasi in das titelgebende Hollywoodschloss zurückzuziehen?
Gar nicht, der Song dreht sich um das Ende meiner Zeit als weiblicher Teenager – wie eigentlich der Großteil des Albums, weil ich die letzten Jahre genau so gefühlt habe. Ich habe mich vom Mädchen zu einer Frau entwickelt und dieser Weg war nicht immer einfach. Das Album ist weniger naiv als „Bewitched“ und geht einher mit intensiveren Emotionen, größeren Gedanken und weltlicheren Problemen. „Castle In Hollywood“ spiegelt diesen Übergang zum Frausein von allen Songs am eindeutigsten wider.
„A Matter Of Time“ ist eine Reise, bei der man dich in vielen Situationen und Emotionen erlebt. Das hat dir auch sicher viel Mut abverlangt, weil du dich auf dem Album oft sehr klar öffnest. Gab es für diese Entscheidung einen besonderen Moment oder hat sich das einfach so ergeben?
Ich wollte die Musik machen, die aus mir rauskam und die Texte schreiben, die ich fühlte – von Song zu Song, ohne dabei eine große Agenda zu verfolgen. Ich wollte nicht zu viele Gedanken an ein etwaiges Albumkonzept verschwenden, dann was bedeutet Konzept eigentlich? Meine Alben sind wie Polaroid-Aufnahmen meines Lebens. Es wäre gelogen zu behaupten, mein Leben bestünde nur aus Liebe und Freude, aber es besteht auch nicht nur aus Tränen und Trauer. Es gibt die breite Palette, so wie bei allen anderen Menschen auch. Das Album ist ein realistisches Dokument über die Gefühle, Sorgen und Freuden einer jungen Frau in der gegenwärtigen Welt. Da hat sich so einiges angestaut.
Deine erste Single-Auskoppelung aus dem Album war „Silver Lining“. Da geht es um eine Beziehung, wo man jemanden bis in die Hölle folgt. Die zweite Single, „Tough Luck“, dreht sich um die Wut nach dem Ende einer Beziehung. Wolltest du dadurch gleich einmal die Spannweite der emotionalen Reise in kürzester Zeit präsentieren?
Exakt. Es geht von einem zum anderen Ende der emotionalen Reise. „Silver Lining“ hat sich schnell als erste Single ergeben. Der Sound ist optimistisch, es macht mir Spaß, das Lied zu singen und zeigt außerdem am besten auf, wie ich mich jetzt gerade fühle. Es stecken viel dunkler Humor und Sarkasmus im Lied, was mir besonders gefällt. Bei „Tough Luck“ singe ich über Dinge, über die ich bislang noch nicht gesungen habe, weil ich mich nicht traute oder mich noch nicht bereit dazu fühlte. Das Arrangement reicht von Pop bis tief hinein in die Klassik und verbindet damit auch diese zwei Welten miteinander. Die zwei Songs kann man musikalisch durch ihre Unterschiedlichkeit an die beiden Enden stellen - und der Rest des Albums befindet sich dazwischen.
Das „Dazwischen“ klingt wundervoll, weil es meiner Ansicht nach ein bisschen die Naivität der älteren Werke mit einer neuen Reife verbindet. Das Wort Übergangsalbum im Sinne deiner Entwicklung trifft dabei wohl ins Schwarze.
Die Lieder haben mich selbst überrascht. Die dritte Single „Lover Girl“ hat einen Bossa-Nova-Vibe – ich hätte mir von einem Jahr niemals gedacht, so ein Lied herauszubringen. Ein oder zwei Songs orientieren sich noch mehr an „Bewitched“. Die wollte ich nicht als Single rausbringen, weil sich alle gedacht hätten, bei mir hätte sich kaum etwas verändert. Das Thema Single ist aber schwierig, denn ich bin keine Künstlerin, die nach dem nächsten großen Pop-Hit sucht oder in den Radio-Charts nach oben klettern will. Bei mir zählt das gesamte Album als Kunstform. Eine Single herauszupicken ist so, wie eine Seite aus einem Buch zu reißen. Es gibt ein Prelude, ein Interlude und eine echte Storyline – ohne das aber konzeptionell anzulegen. Viele Songs reichen ineinander. Es ist verrückt und mich freut es, dass es so gut aufging.
Deinen ersten großen Hype hattest du über die Social-Media-Plattform TikTok. Videos bzw. Snippets werden dort immer aus dem großen, ganzen Kontext gerissen. Es ist nicht ein Paradoxon, dass jemand wie du, der auf große Geschichten und ganze Alben setzt, auf diese Art und Weise zur Weltkarriere startete?
TikTok ist der Grund, warum ich diese Karriere überhaupt habe – das ist ganz klar. Die Leute haben mich dadurch gefunden und der Stein kam in Rollen. TikTok ist ein bisschen unseriös, aber ich finde, das darf Musik im Generellen auch sein. Manchmal werden einzelne Song-Snippets oder Textzeilen für einen ganz anderen Zweck verwendet und gehen dann viral. Warum auch nicht? Ich finde das nicht schlecht. Ich mag es ohnehin, wenn die Leute sich meine Songs aneignen und mit ihren Emotionen verknüpfen.
Wenn sie die Lieder auf ihr eigenes Leben umlegen können. Wenn sich jemand bei „Castle In Hollywood“ selbst wiederfindet, ist das das schönste Kompliment für mich, denn dann habe ich bei jemandem einen Nerv getroffen. Ich habe auch einen Song, der davon handelt, wie sehr ich meine ursprüngliche Heimat Island vermisse und wie man durch die Emigration in ein anderes Land einen großen Teil seiner alten kulturellen Identität verliert. Jemand anders könnte aus dem Song aber auch ein Lied über eine Fernbeziehung zwischen zwei Menschen heraushören. Ich liebe es, wenn meine Lieder diese Vielseitigkeit aufweisen.
Ich finde auch den Albumtitel „A Matter Of Time“ sehr interessant, weil so viel darin mitschwingt. Auch Freundschaften, die Liebe oder Beziehungen sind oft nur eine „Frage der Zeit“.
Genau das sind auch die Gründe, warum ich bei der Arbeit an diesem Album so stark vom Faktor Zeit fasziniert war. Die Zeit ist einer der wenigen Dinge, über die Menschen keine Kontrolle haben. Du kannst nichts beschleunigen und du kannst auch nichts einbremsen – alles ist konstant im Fluss. Der Hauptgrund für den Albumtitel war, dass es, wenn man sich verliebt, immer nur eine Frage der Zeit ist, bis das Gegenüber nach der ersten Honeymoon-Phase den echten Menschen erkennt. Mit all seinen Charakteristiken. Ich entblöße auf diesem Album wirklich jede Art der Charaktereigenschaft von mir und es ist nur eine Frage der Zeit bis ihr entdeckt, dass ich total verrückt bin. (lacht)
Wie siehst du denn den Faktor Zeit an sich? Die Zeit zerrinnt uns zwischen den Fingern und wir sind ihr völlig ausgeliefert. Wir wissen auch nicht, wie viel Zeit uns in diesem Leben bleibt und müssen damit leben, dass sie unweigerlich vergeht. Kommen dir manchmal solche Gedankenspiele?
Ich sehe das eher als eines der wenigen Dinge auf der Welt, über die ich nicht nachdenken muss. Die Zeit ist unabänderbar. Ich kann nichts tun oder verändern, also sehe ich ihr gelassen entgegen. Ich bin eine ziemliche Perfektionistin und versuche oft auf Biegen und Brechen Dinge zu kontrollieren und in der Hand zu haben, aber ich kann nichts gegen die Zeit tun. Wenn ich Fehler mache oder etwas passiert, dann lasse ich Zeit vergehen und die Wogen werden sich glätten. Wenn etwas besonders toll funktioniert, versuche ich den Moment einzufangen und zu genießen, weiß aber auch, dass er nicht ewig anhält. Auf dieser Welt kann und sollte man sich über so viele Dinge sorgen – über die Zeit braucht man sich aber nicht den Kopf zu zerbrechen.
Doch selbst als Perfektionistin bist du mit Zeit konfrontiert, weil du dann Dinge zumeist nicht zu Ende bringen kannst, was wiederum Zeit kostet. Ein Teufelskreis, aus dem man eigentlich nicht herauskommt.
Aber wenn nicht an irgendetwas nichts ändern kann, dann kann ich es akzeptieren. Das fällt mir überraschend leicht.
Wie schwierig war es denn, dich musikalisch so weit zu öffnen und so viele neue Facetten und auch Substile zu zeigen? „Bewitched“ hatte seine pompösen, musikalisch großen Momente, auf „A Matter Of Time“ knarzt und quietscht es manchmal, was zulasten des Perfektionismus geht.
Ich habe mich auf „Bewitched“ oft limitiert und hatte als einzige Prämisse für das neue Album, mich eben nicht mehr zu limitieren. Ich wollte pur und echt klingen und habe dafür bewusst auf alle Klänge von Computern oder Synthesizern verzichtet. Da sich das Album um das Wachsen und Entwickeln dreht, wollte ich es musikalisch so umgesetzt haben und das bedeutet eben, eingeschlagene Pfade zu verlassen und zu experimentieren. Dafür haben wir verstärkt auf Akkordarrangements gesetzt und die gängigen Instrumente weiter ausgebaut. Viele Songs wurden schneller und eruptiver. Wenn ich das Gefühl hatte, ein Lied muss noch weiter in eine Richtung vorangehen, dann habe ich es einfach gehen lassen – das ist für mich so etwas wie die ultimative Freiheit.
Du hast vorher kurz über deinen Song zu Island und das Vermissen deiner Heimat gesprochen – was ist denn da die Musik? Ist sie die ständige Suche nach einer Identität? Nach einem Heimathafen?
Ich glaube, dass ich meine musikalische Heimat mittlerweile gefunden habe. Egal, ob es ein poppiger, jazziger oder mit Orchester verstärkter Track ist - man kann gut heraushören, dass es eine Laufey-Nummer ist. Ich kann mittlerweile gut switchen und die Nummern solo, mit Band oder mit Orchester spielen und fühle mich in allen Situationen wohl. Dadurch, dass ich immer sehr persönliche Songs schreibe, die alle mit mir und meinem Leben zu tun haben, gibt es keine Distanz, die unangenehm wirken könnte. Ich suche nicht bewusst nach meiner musikalischen Identität, aber ich versuche die Grenzen so zu erweitern, dass es immer gut und natürlich wirkt – ein bisschen nach dem Motto, dass man jeden Tag ein neues Wort oder einen neuen Akkord lernen soll.
Wir haben bei Laufey-Songs immer Pop, wir haben immer Jazz und wir haben oft sehr opulente, orchestrale Momente. Diese Trias wird auch weiterhin Bestand haben und durch andere Stile erweitert werden?
Zu 100 Prozent, denn das Schreiben von Jazz-Songs, ist so tief in meiner DNA verankert, ich könnte es nicht einmal verändern, wenn ich es dringend verändern möchte. Selbst ein sehr poppiger Song wie „Tough Luck“ gemahnt ein bisschen an Gustav Mahler oder hat ein schräges Streicher-Arrangement. Dieses Album ist ein perfektes, in Ton gegossenes Porträt von mir als Musikerin.
Gibt es auf „A Matter Of Time“ einen bestimmten Song, der dir besonders aus der Seele spricht oder das Album in seiner Gesamtheit stark geprägt hat?
Nicht wirklich, dafür liegen mir die Lieder gesamt auch viel zu sehr am Herzen. Ich könnte aber eben auch kein ganzes Album schreiben, dass nur eine Stimmung einfängt, weil ich selbst nicht so bin. Vielleicht irgendwann einmal, aber sicher noch nicht jetzt.
Hast du dich im Arbeitsprozess von allen möglichen Einflüssen ferngehalten und die Musik von außerhalb so gut wie möglich ausgeblendet?
Absolut, das muss ich immer machen. Ich liebe es, Klassik zu hören, habe in dieser Zeit aber jede Art von Musik bewusst abgeschaltet. Ich musste mich aber nicht nur von den Klängen der Musik befreien, sondern von allem, was popkulturell oder kulturell da draußen in der Welt vorgeht. Ich wollte nicht, dass mir mein TikTok-Feed vorgibt, wovon ich mich inspirieren lassen sollte.
Da du so tief mit der klassischen Musik in Verbindung bist, muss ich dich natürlich fragen: Welche österreichischen Komponisten haben dich besonders inspiriert?
Vor der Frage habe ich mich gefürchtet. (lacht) Die großen Komponisten sind so oft umgezogen, dass ich manchmal die Orientierung verliere. Mozart wohnte aber immer bei euch, oder? Gerade „A Matter Of Time“ sollte, auch wenn ich Musik bewusst ausgeblendet habe, sehr stark nach den großen Klassikkomponisten der Frühzeit klingen – nur eben mit etwas mehr Pop-Appeal im Gesamtkontext. Ich habe mein ganzes Leben lang Mozart studiert – am Cello und am Klavier, habe immer in Orchestern gespielt und ihn dort verinnerlicht. Ich mag natürlich noch andere österreichische Komponisten, aber Mozart hat mich am meisten geprägt. Es wird für mich langsam Zeit, endlich einmal in Österreich zu sein.
„A Matter Of Time“ ist im Großen und Ganzen sehr cinematisch und musikalisch durchaus opulent, auch wenn einige Lieder schräger klingen. Wie wirst du diesen Sound denn 2026 im Livekontext anlegen und visuell unterstützen?
Ich habe vorher schon gewusst, dass die Konzerte zu diesem Album in größeren Arenen stattfinden werden, was im Songwriting schon mitbedacht wurde. Es spielt auch meiner Lebensphilosophie, mir allgemein mehr Raum im Leben zu nehmen, gut in die Hände, weil wir das Album live viel größer präsentieren können als es bislang der Fall war. Mit mehr Budget lassen sich mehr Wünsche umsetzen und mir schwebt da so einiges Theatralisches vor, das ich umsetzen möchte. Ich kann mir noch mehr Musiker für die Bühne leisten und eine visuelle Darstellung, die meiner Liebe zum goldenen Zeitalter des Films und Kinos stärker gerecht werden wird.
Hast du während der Arbeit an diesem Album etwas über dich oder deinen Zugang zur Musik gelernt, das dir bislang unbekannt war?
Ich bin mutiger als ich dachte. Ich war nie die mutigste Person und musste mich immer zwingen oder überreden lassen. Aber nach einem Grammy-Gewinn für ein erfolgreiches Album ein weiteres zu schreiben, das komplett neue Wege einschlägt und sich nicht im Schatten des Vorgängers suhlt, ist für mich immens mutig und darauf bin ich sehr stolz.
Ein Grammy ist die Spitze der Auszeichnungen für Musik. Stellt sich nicht unweigerlich die Frage, was danach kommt?
Das ist leicht zu beantworten: Ich will weiterhin die Musik machen, die ich liebe und die aus mir herausströmt. Grammys sind schön, aber sie kommen und gehen. Ich achte lieber darauf, eine lange und schöne Karriere zu haben, mit dem Sound, hinter dem ich voll stehen kann.
Du hast es auch geschafft, dass viele junge Menschen über dich einen Zugang zu Klassik und Jazz gefunden haben. Spürst du auch eine gewisse Art der Verantwortung, mit dem Wissen, dass gerade junge Leute deine Musik lieben und auf dich aufschauen?
Das macht mich unheimlich glücklich. Ich spüre dieses Gewicht auf meinen Schultern, aber es ist absolut positiv. Ich möchte eine sehr gute Vorbildrolle ausführen und achte genau darauf, was ich alles sage und wie ich mich in der Öffentlichkeit zeige.
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