„Krone“-Gespräch

Anna Mabo: Theaterfreuden und musikalische Ekstase

Musik
07.10.2025 09:00

Der Kultur-Oktober gehört Anna Mabo. Heute Abend (7. Oktober) feiert ihr Stück „Ferdinand Raimund – Der Ganze“ Premiere im Rabenhof Theater, dieser Tage veröffentlichte sie auch ihr viertes Musikalbum „Mittelschwere Ekstase“, mit dem sie ab Mitte Oktober auf Österreich-Tour geht. Mit der „Krone“ sprach die 29-Jährige 

kmm

Was Anna Mabo auf ihren ersten drei Alben bereits eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat, vermag sie am neuen noch feingesponnener zu vermitteln – kaum jemand erzählt so wortgewandt, lebendig und greifbar von den Irrungen und Wirrungen des normalen Lebens wie die Wienerin auf „Mittelschwere Ekstase“. Ihr viertes Album bewegt sich bewusst gerne im Nebulösen und Doppeldeutigen. Wer eindeutige Botschaften oder Hinweise sucht, sollte sich lieber Fernsehprogramme durchlesen – Mabo liebt es, Erlebtes und Erinnerungen mit aktuellen gesellschaftlichen Strömungen zu vermischen und dabei so leichtfüßig und sprunghaft zu bleiben, dass selbst in relativ klar wirkenden Inhalten stets eine fintenreiche Sprunghaftigkeit herrscht. „Wenn meiner Oma etwas extrem gut gefallen hat, sagte sie immer: ,Da kann ma gar nix sagen‘“, so Mabo im „Krone“-Interview zum Albumtitel, „sie hätte auch etwas Gutes sagen können, aber wurde so erzogen, dass es noch das Beste ist, nichts Schlechtes zu sagen.“

Ein schmaler Grat
Den Albumtitel hat Mabo ihrem Lied „Instandhaltungsphase“ entlehnt, das mit einem originalen ORF-Sample vom AKW Zwentendorf aufwartet. Das ist insofern amüsant, als sich Mabo und ihre Band, die Buben, lange gar nicht sicher waren, ob der Song überhaupt am Album landen würde. „Der Titel hat etwas Positives und gleichzeitig Vergängliches. Es schwingt eine große Ambivalenz in ihm mit und man spürt dabei eine gewisse Überforderung, die sich an der Grenze zum Ästhetischen bewegt. Im Titel steckt ein schmaler Grat zwischen Schönheit und Hässlichkeit.“ Schon das bunt stilisierte, fast kindgerecht wirkende Album-Cover zeigt, dass die Künstlerin nicht nur schräg um die Ecke denkt, sondern visuell und auditiv am liebsten alles auf eine Platte presst, was ihre feinen Sensoren in den letzten Jahren wahrgenommen und erlebt haben. Im Albumtitel schwingen gleichermaßen Euphorie wie Zweifel mit - was wie eine lose Fortsetzung des Vorgängeralbums „Danke, gut“ wirkt, wo die Texte zwischen den Grundpfeilern Zweifel und Hoffnung eingepasst wurden.

Gerade das Spiel mit dem Titel machte Mabo großen Spaß. „Was ist eine mittelschwere Ekstase? Oder eine halbe? Gibt es das überhaupt? Der Albumtitel beschreibt das Album sehr gut, weil Gegensätze dadurch nicht gleichzeitig existieren oder koexistieren, sondern zu etwas Neuem werden.“ Mabo hat sich im Direktvergleich zu „Danke, gut“ die Freiheit gewährt, abstrakter zu texten und Geschichten bildhafter erscheinen zu lassen. Ein Schlüsselsong ist der Track „Wut zurück“, der vom Beschwerdechor für das Rabenhof Theater beauftragt wurde und Mabo gar nicht leicht fiel. „Mit ,Immer noch besser als Spinat‘ hat der Nino aus Wien das Thema eigentlich auserzählt. Ich sollte ein Lied über etwas schreiben, das mich ärgert und das hat mich erst einmal sprachlos gemacht. Vielleicht, weil es eben so viele Sachen auf der Welt gibt, die einen gerade ärgern. Also habe ich ein Lied darüber geschrieben, wie sehr es mich ärgert, dass mich oft so wenig ärgert. Im Endeffekt war es ein großes Geschenk, ein Lied einmal nicht als Geschenk zu begreifen, sondern als reines Ventil.“

Die Vielseitigkeit von Beziehungen
In den Songs geht es viel um Abschied und Aufbruch, so erinnert sich die Künstlerin in manchen Song auch gerne an die Kindheit zurück. „Pistazien“ etwa beschreibt das Aufwachsen, das auch mit dem Loslassen zu tun hat. „Ich kann mich gut erinnern, dass ich als Zehnjährige an meinem Geburtstag im Badezimmer geweint habe, weil ich nicht erwachsen werden wollte. Natürlich war das noch weit weg, aber in meinem Alter zwei Zahlen zu haben, hat mich schwer verunsichert.“ Die Pistazienschale steht aber auch metaphorisch für eine schwierige Beziehung. „Sie wirkt für eine Gemeinsamkeit oft sehr groß. Das Problem an einer Beziehung ist, dass man nicht gleichzeitig wächst und sich dann wünscht, wo reinwachsen zu können, wenn es nicht mehr parallel vorangeht. Ich mag aber auch die Vorstellung, dass man miteinander und aneinander wachsen kann, weil eine Beziehung kein abgeschlossenes System ist, sondern immer weiterwächst.“

„Instandhaltungsphase“ ist so etwas wie die Weiterführung des Wachstumsthemas. „Oft bemerkt man die Veränderung beim Gegenüber nicht, weil man sich wünscht, alles würde immer so bleiben, wie es war. Es ist gefährlich, das eigene Bild auf die andere Person zu projizieren, die schon längst viel weiter ist.“ Mehr denn je konnte sich Mabo mit den Buben auf eine gemeinschaftliche Arbeit konzentrieren. „Ich habe das vor allem bei der Arbeit am Theater gelernt, dass es viel Druck von einem nimmt, wenn man nicht die Person ist, die sich alles überlegt und alle anderen müssen nach dieser Pfeife tanzen, sondern man setzt sich zusammen, hört sich zu, lernt voneinander und kommt damit zum bestmöglichen Ergebnis.“ „Mittelschwere Ekstase“ ist ein kaleidoskopartiges Werk, das mit jeder Sekunde seines Klangs das Leben atmet und vermittelt. Die neuen Lieder hat Mabo innerhalb von eineinhalb Jahren verfasst und geben ein gutes Bild davon ab, wie sie in dieser Zeit weiter gereift ist – als Songwriterin und auch als Texterin.

Raimunds gesamtes Schaffen
Parallel zum Album und den Konzerten feiert im Wiener Rabenhof auch ihr Musical „Ferdinand Raimund – Der Ganze“ mit Isabelle Knöll und Vincent Sauer Premiere. Mabo schrieb mit Sauer am Buch, inszenierte das Stück und schreib mit den Buben die Musik dazu. „Wir haben uns in Ferdinand Raimund hineinversetzt und sind zu dem Schluss gekommen: wenn schon Raimund, dann der Ganze. Ich glaube, der Wahnwitz dieser Unternehmung entspricht dem Raimundschen Schaffen sehr.“ Neben Johann Nestroy gilt Ferdinand Raimund als Hauptvertreter des Alt-Wiener Volkstheaters. Seine von Humor und Melancholie durchzogenen Bühnenwerke entstanden zwischen 1823 und 1834 und hatten breiten Erfolg beim Publikum. Bekannt sind u. a. „Das Mädchen aus der Feenwelt oder der Bauer als Millionär“, „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ oder „Die unheilbringende Zauberkrone“. Letztere ist Mabos Lieblingswerk „Hier wollte Raimund so richtig große Kunst machen, und wie das oft so ist mit der richtig großen Kunst: je mehr man sie will, desto weniger kriegt man sie hin. Es gibt ungefähr 34 Handlungsstränge und dreimal so viele Figuren. Ich mag das Stück deshalb so gerne, nicht weil es so gut ist, sondern weil er da wirklich etwas versucht hat.“

Mit dem Werk Raimunds wurde Mabo schon als Kind infiziert. „Ich war oft bei den Sommerspielen Gutenstein und es hat mich damals fasziniert. Es war so toll wie widersprüchlich: Ein realistisch inszeniertes Märchen.“ Raimunds einst legerer Umgang mit der Frauenwelt hätte heute natürlich keinen Platz mehr in der Gesellschaft. „Raimund und Mabo haben unterschiedliche Ansichten, was Frauenfiguren im Theater betrifft, aber auch bezüglich zeitgenössischer Dramatik und Freizeitgestaltung sind sie sich meistens eher uneinig“, so Mabo, „sie verbindet aber eine Freude am Reimen und an der Musik, am Abenteuer sowie ein geteiltes ambivalentes Gefühl zum Theater, das irgendwo zwischen Enttäuschung und Euphorie, Furcht und Freude, Liebe und Langeweile oszilliert.“ Was würde Mabo Ferdinand Raimund für die Gegenwart empfehlen? „Ich würde ihm dringend raten in Therapie zu gehen. Er war ein toller Autor und vermutlich ein großartiger Schauspieler, aber auch ein riesiger Hypochonder, hatte paranoide Tendenzen, war daher Misanthrop und vermutlich ziemlich misogyn. Vor allem würde ich ihm wünschen, dass es ihm gut geht und er sich selbst gern mag, weil das auch anderen Menschen erleichtern würde, ihn zu mögen.“

Alle Livetermine
Anna Mabos Musical „Ferdinand Raimund – Der Ganze” feiert heute Abend, am 7. Oktober, Premiere im Wiener Rabenhof Theater und wird im Herbst auch weiter aufgeführt. Mit ihrem neuen Album „Mittelschwere Ekstase“ geht Mabo im Oktober auf Österreich-Tour. Sie spielt am 15. Oktober im Wiener Porgy & Bess, am 18. Oktober im Linzer Posthof, am 19. Oktober im Treibhaus Innsbruck, am 23. Oktober im Alten Kino in Rankweil und am 25. Oktober im Nexus in Saalfelden. Unter www.annamabo.com gibt es weitere Infos zu allen Events und Veranstaltungen.

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