Live im Happel-Stadion

Guns N‘ Roses: Mit bester Laune dem Regen trotzen

Musik
25.07.2025 02:06

Rund 43.000 Fans ließen sich Donnerstagabend nicht von einem der heftigsten Regengüsse der Saison ablenken, um im Wiener Ernst-Happel-Stadion bei ihren Helden Guns N‘ Roses und Sex Pistols vorstellig zu werden. Ein Abend mit stimmlichen Unsicherheiten, der in puncto Spielfreude aber beispiellos verlaufen ist.

kmm

Beim fünften Großkonzert im Wiener Ernst-Happel-Stadion innerhalb nur weniger Tage kam dann doch noch der große Regenschauer. Als die australischen Hard-Rocker Wolfmother am frühen Nachmittag vor noch recht spärlicher Kulisse ihre zugänglichen Songs in das Oval projizierten, waren die Anwesenden noch hoffnungsfroh – es könnte vielleicht doch halten. Während Andrew Stockdale mit Wuschelfrisur im Akkordtempo durch die Songs führt (die Spielzeit bei Support-Bands ist schließlich mehr als knapp) und der Schlagzeuger mit Prinz Eisenherz-Frisur, Schnauzer und Latzhose für optische Aufregung sorgt, ziehen sich die dunklen Wolken immer dichter zusammen. Das programmatische „Joker & The Thief“ beendet das Set, Stockdale spielt mit der einen Hand Gitarre und filmt mit der anderen das Publikum mit seinem Handy – der Sound war dabei zu laut, zu schrill und viel zu verwaschen. Wolfmother hat man hierzulande schon öfters besser gesehen.

Eine Offenbarung, nicht nur für Punk-Fans: die kultigen Sex Pistols mit dem jungen Sänger Frank ...
Eine Offenbarung, nicht nur für Punk-Fans: die kultigen Sex Pistols mit dem jungen Sänger Frank Carter.(Bild: Andreas Graf)

Vollkontakt mit dem Publikum
In der Umbaupause werden Marshall-Verstärker in gelben und rosaroten Signalfarben auf die Bühne geschoben und verkünden Sensationelles. Niemand Geringere als die UK-Punk-Urgesteine Sex Pistols sind eingeplant – allerdings nicht mit Trump-Unterstützer und Großmaul Johnny Rotten aka John Lydon als Sänger (so wie beim bisher einzigen Österreich-Auftritt, beim Nova Rock 2008), sondern mit dem wesentlich jüngeren, aber auch stimmkräftigeren Frank Carter. Der Rotschopf mit den vielen Tätowierungen ginge optisch locker als Lydons Sohn durch und wirft sich schon nach den ersten zwei Songs ins Publikum, um, samt Mikroständer für einen letzten Rest an Distanzwahrung, dort Kultsongs aus 1977 zum Besten zu geben. „Holidays In The Sun“, „Pretty Vacant“ oder „Problems“ begeistern nicht nur die Nostalgiker. Beim Monarchie-kritischen „God Save The Queen“ wird Queen Elizabeth II. programmatisch auf die LED-Leinwand projiziert, während Paul Cook, Steve Jones und Glen Matlock das Publikum mit offenen Mündern zurücklässt.

Duell der Sechssaitenhexer Richard Fortus und Slash (v.l.).
Duell der Sechssaitenhexer Richard Fortus und Slash (v.l.).(Bild: Guns N‘ Roses)

Durch Carters ehrliche und authentische Liebe zu den Pistols-Songs wirkt diese aktuelle Reunion alles andere wie eine Leichenfledderei. Während Lydon mit seiner Band PIL und verbalpolitischen Pamphleten durch Europa tourt, haben die Pistols-Oldies einfach Spaß. Mit dem Jahrhundert-Punksong „Anarchy In The UK“, lautstark aus tausenden Fankehlen gesungen, beendet man nach viel zu kurzer Zeit ein Set, das eine interessante Mischung aus Altherrenpunk und explosiver Performance war. Blöd nur, dass das ohnehin recht kurze Set durch die Wetterverhältnisse noch kürzer ausfällt. Noch bevor die Pistols die Bühne entern, entlud sich ein massiver Regenguss, der bei weiterer Fortdauer wahrscheinlich sogar eine Konzertabsage hätte provozieren können. Den Briten nahm die meteorologische Extremsituation gute 15 Minuten Spielzeit. Schade, aber besser so als nichts. Und ein bisschen Resthoffnung auf eine Hallenshow in näherer Zukunft darf man sicher auch noch haben.

Bei den wilden Regengüssen zog sich Axl Rose anfangs lieber eine kultige Lederjacke über.
Bei den wilden Regengüssen zog sich Axl Rose anfangs lieber eine kultige Lederjacke über.(Bild: Andreas Graf)

Der Faktor Menschlichkeit 
Dass das Konzert an einem normalen Arbeitstag derart früh beginnt, liegt auch daran, dass es Guns N‘ Roses bei Konzerten für gewöhnlich nicht unter drei Stunden gibt. Ausladende Auftritte kennt man von den Rockern, seit einigen Jahren ist auch eine gehörige Portion Disziplin dazukommen. Es ist noch nicht so lange her, als man nicht genau wusste, ob Frontmann Axl Rose entweder mit stundenlanger Verspätung oder gleich gar nicht aufkreuzen würde. Dazu gab es zumeist miese Laune und Eskapaden auf der Bühne. Seit ihn AC/DC 2016 als temporären Aushilfssänger für den erkrankten Brian Johnson engagierten, hat einer der größten Läuterungsprozesse der Musikgeschichte Einzug gehalten. Guns N‘ Roses-Konzerte beginnen mittlerweile pünktlich und werden hochmotiviert über die Bühne gebracht. An diesem verregneten Donnerstagabend ist Rose so gut gelaunt wie selten zuvor. Immer wieder scherzt er mit den Fans oder seinen Bandkollegen, bringt launige Anekdoten zum Besten und lächelt. Bei der Bandvorstellung tut er so, als würde er den Namen des neuen Drummers Isaac Carpenter nicht kennen, mit dem New York Dolls-Cover „Human Being“ leitet er im Schlussdrittel einen Überraschungssong ein und für Gitarrist Slash stimmt er, mit einem Tag Verspätung, ein herzhaftes Happy Birthday zu dessen 60er an.

Gute Kumpel seit den frühesten Tagen in der Band: Bassist Duff McKagan und Frontmann Axl Rose.
Gute Kumpel seit den frühesten Tagen in der Band: Bassist Duff McKagan und Frontmann Axl Rose.(Bild: Guns N‘ Roses)

Seit die Beziehung mit seinem Zylinderhut-tragenden Wundergitarristen wieder gekittet ist, scheint auch ein Ruck durch den einst so exzentrischen Superstar gegangen zu sein. Mit seinem überbordenden Selbstvertrauen könnte man ganze Persönlichkeitsfindungsseminare veranstalten. Dass er sich schon seit geraumer Zeit mehr schlecht als recht durch die Abende singt, scheint ihm zumindest noch keine Vertrauensperson gesagt zu haben. Gerade bei den hohen Tönen, etwa zum Opener „Welcome To The Jungle“, sind die Micky-Maus-Vergleiche nicht von der Hand zu weisen. Bei der wundervollen Ballade „November Rain“, die auf einem halbierten Motorrad sitzend zum Besten gibt, singt er am Mikro vorbei, Tracks wie „Mr. Brownstone“ oder „Civil War“ klingen stimmlich dermaßen verwaschen, dass man sich manchmal wundert, ob Axls Mikro überhaupt noch funktioniert.

Wundervolle Konzertübersicht mit einem hochmotivierten und bestens gelaunten Frontmann von Guns ...
Wundervolle Konzertübersicht mit einem hochmotivierten und bestens gelaunten Frontmann von Guns N‘ Roses.(Bild: Andreas Graf)

Ehrerbietung an die eigenen Helden
All diese Anflüge von Kritik schmunzelt und lacht er gut weg. Diese entspannte Altersmilde tut nicht nur ihm, sondern der ganzen Band gut. Slash darf immer wieder zu atemberaubenden Soli ansetzen und ist ungebrochen einer der allergrößten Könner seines Fachs, während Bassist Duff McKagan für den Punk-Spirit sorgt. Nicht nur anhand der vielen Cover-Versionen der Gunners weiß man, dass diese Band in erster Linie aus Fans besteht, die mit Talent zu Superstars wurden. So huldigt Slash seinen Punk-Helden Sex Pistols mittels T-Shirt, hat McKagan auf der Lederjacke einen „Raw Power“-Aufdruck von den Stooges und das Logo von Prince aka The Artist auf seinem Instrument. Eine kurze Ansprache über die Wichtigkeit von Black Sabbath für Guns N‘ Roses später ist klar – jetzt wird Ozzy gehuldigt. Der kürzlich verstorbene „Prince Of Darkness“ wird würdevoll auf der Leinwand eingeblendet, während die Band „Never Say Die“ und „Sabbath Bloody Sabbath“ covert. „Wir widmen diesen Konzertabend Ozzy“, so Rose, der ihn beim „Back To The Beginning“-Benefizkonzert in Birmingham am 5. Juli übrigens wirklich das allererste Mal in seinem Leben persönlich getroffen hat.

Ein Blick über das Prater-Oval aus der Bandsicht – das furchtbare Wetter störte die Band nur ...
Ein Blick über das Prater-Oval aus der Bandsicht – das furchtbare Wetter störte die Band nur marginal.(Bild: Guns N‘ Roses)

In der fast dreieinhalbstündigen Karriere-Revue hat alles Platz, was im Gunners-Kosmos passiert ist. Neben grandiosen Hits wie „It’s So Easy“, dem famosen Wings-Cover „Live And Let Die“ oder „Sweet Child O‘ Mine“ auch mehrere Blöcke mit Songs der ambivalent aufgenommen „Chinese Democracy“ oder selteneren Tracks der „Use Your Illusion“-Phase. Dass es dabei zu Längen kommt, ist unvermeidlich, aber Axl Rose lächelt und singt jeden Anflug von Unsicherheit sympathisch weg – auch wenn sich manche Songs durch seine Stimme schwer verformen. Mit dem punkig-harten „Absurd“ oder dem viel zu oft übersehenen „Coma“ hat man auch Highlights aus der zweiten Reihe im Talon. Die schrägen, zuweilen unverständlichen Visuals verwirren und irritieren zeitweise, aber immer, wenn man glaubt, jetzt gehen mit Guns N‘ Roses endgültig die Pferde durch, krallt man sich an Ankerpunkte und weiß zu überzeugen. Der Dienst an der Musik und am Fan ist beeindruckend und die 43.000 durchnässten Rocker bedanken sich mit Ehrerbietung und spürbarer Dankbarkeit. Ein Rock’n’Roll-Abend mit viel Imperfektion, aber noch mehr Authentizität.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
kein Artikelbild
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare
Eingeloggt als 
Nicht der richtige User? Logout

Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

Kostenlose Spiele
Vorteilswelt