Direktor über Pläne

Wie das Technische Museum Wien neu durchstartet

Wien
09.06.2025 19:00

Museumsdirektor Peter Aufreiter startete Anfang des Jahres in seine zweite Amtszeit. Unter seiner Führung wird das 110 Jahre alte Technische Museum in Wien die größten Umgestaltungen in den vergangenen 25 Jahren erleben. Ein Rundgang mit dem Direktor durch ein Haus, das neugierig macht.

„Wir sind kein Museum der Vergangenheit.“ Peter Aufreiter sagt es leise, fast beiläufig, doch der Satz hallt nach. Er steht vor dem legendären Silberpfeil von Stirling Moss, inmitten von Flugmodellen, Dampfturbinen und anderen Exponaten. „Wir zeigen nicht nur Technik – wir verhandeln hier Zukunft.“ Das Technische Museum Wien ist ein Monolith mit Seele. 22.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche, fünf Etagen, Maschinen, Modelle, Materialien. Wer kommt, bleibt mehrere Stunden im Schnitt. „Viele unserer Besucher kennen uns seit der Schulzeit – und kommen später mit ihren Kindern wieder.“ Zwei Drittel der Gäste sind unter 18 Jahre alt, 80 Prozent aus Wien. Touristen? Kaum Thema.

Ausstellungen auch auf Lehrpläne abgestimmt
Aufreiter führt durchs Haus wie ein Gastgeber. Kein intellektuelles Sendungsbewusstsein, sondern Begeisterung, gepaart mit tiefem Wissen. „Wir wissen genau, welche Schulklasse wann kommt – und was sie gerade im Unterricht lernen.“ Aktuelle Lehrpläne sind Basis für neue Schwerpunkte. Themen wie Kreislaufwirtschaft, Klimawandel oder Medienkompetenz landen nicht zufällig im Museum, sondern weil sie im Klassenzimmer passieren.

Der Direktor führte „Krone“-Redakteur Philipp Stewart durch das Museum.
Der Direktor führte „Krone“-Redakteur Philipp Stewart durch das Museum.(Bild: Imre Antal)

Weltraum bekommt mehr Platz
„Demnächst eröffnen wir die neue Raumfahrtausstellung“, so der Direktor, während wir an dem Modell einer Raumkapsel vorbeigehen. „Endlich bekommt das Thema den Platz, den es verdient.“ Zu sehen gibt es unter anderem den Raumanzug von Franz Viehböck, dem bisher einzigen Österreicher im All. „Wir haben all das lange vorbereitet. Viele heimische Unternehmen arbeiten auf dem Gebiet. Es hat nur an Raum gefehlt.“

Ein Stück Museum kaufen

Seit April 2025 hat das Technische Museum Wien einen neuen Markenauftritt. Die bisher schon geläufige Bezeichnung „TMW“ soll stärker in den Fokus rücken. Der alte Schriftzug am ehrwürdigen Haus wird aktuell übrigens online versteigert. 

Kooperationen mit der Wirtschaft
Im Herbst folgt ein weiteres Großprojekt: „200 Jahre Eisenbahn“. Klingt alt, ist aber hochaktuell. „Die Bahn war immer ein Spiegel der Arbeitswelt“, sagt Aufreiter. „Und ist es bis heute.“ Die Ausstellung erzählt, wie sich Berufe verändert haben, welche Ausbildungen gefragt sind, wie moderne Infrastruktur funktioniert. „Viele Jugendliche stehen gerade vor der Entscheidung: Lehre oder HTL? Wir wollen zeigen, was möglich ist.“ Ein Erfolgsmodell sind die „Talentetage“ – eine Art Lehrlingsmesse im Museum. 13 bis 15 Unternehmen präsentieren sich, samt ihrer Lehrlinge.

Die Weltraumabteilung wird mehr Platz bekommen.
Die Weltraumabteilung wird mehr Platz bekommen.(Bild: Imre Antal)

Größter Umbau in den vergangenen 25 Jahren
Ein Meilenstein war die Neugestaltung der ehemaligen Schwerindustriehalle. Früher dominierten Feuer, Stahl, Guss. Heute erzählen 13 sogenannte Materialinseln von Innovation: Aluminium, Holz, Kunststoff, Glas, Silizium. „Wir wollten zeigen, was Österreich heute kann – nicht nur, was es einmal war.“ Die Siliziuminsel ist das Prunkstück. In der Vitrine: ein Einkristall von Infineon. „Der wäre unbezahlbar, wenn man ihn kaufen müsste“, erklärt Aufreiter.

Industrie, wie sie heute ist
Die Holzinsel wiederum ist eine stille Hymne an Nachhaltigkeit. Gezeigt wird, wie sich Österreichs Bauwesen an den Klimawandel anpasst, welche Baumarten den Temperaturanstieg überleben könnten und wie Forschung, Forstwirtschaft und Technik zusammenwirken. Das alles ist kein Blick zurück, sondern ein radikaler Blick nach vorne – ein Markenzeichen des Hauses. Aufreiter: „Was wir heute pflanzen, verarbeiten unsere Enkel. Das wollen wir zeigen.“

Die Schwerindustriehalle wurde umgestaltet. Eine Mammutaufgabe. „Es dauert Monate, bis man so ein Objekt versetzt. Man überlegt zehnmal, bevor man es tut.“
Die Schwerindustriehalle wurde umgestaltet. Eine Mammutaufgabe. „Es dauert Monate, bis man so ein Objekt versetzt. Man überlegt zehnmal, bevor man es tut.“(Bild: Imre Antal)

Nur ein Bruchteil ausgestellt
Die Objekte, die das Haus sammelt, erzählen Geschichten. Jährlich werden 400 bis 600 Stück angeboten – vieles wird nicht angenommen. „80 Prozent müssen wir leider ablehnen. Entweder haben wir’s schon – oder es passt nicht.“ Es sei nicht der technische Wert allein, der zählt, sondern oft die Biografie der Exponate.

Eindringlich: Prothesen aus der Ukraine, vom Botschafter übergeben. „Wir haben lange überlegt, ob wir sie davor reinigen sollen. Aber so erzählen sie die Wahrheit.“ Sie sind nun Teil einer neuen Ausstellung, die moderne Hightech-Hilfen mit historischen Modellen vergleicht, samt Schicksalen. „Ein Elektriker bekommt heute nach einem Unfall eine 100.000-Euro-Prothese, solange er arbeitet. Wenn er in Pension geht, fällt er auf Basisversorgung zurück. Auch das muss gezeigt werden.“

Die Holzinsel beschäftigt sich mit neuen Baumaterialien und Nachhaltigkeit.
Die Holzinsel beschäftigt sich mit neuen Baumaterialien und Nachhaltigkeit.(Bild: Imre Antal)

„Sehe mich als Manager, der Arbeit ermöglicht“
250 Menschen arbeiten im Museum. Darunter Restauratoren, IT-Fachkräfte, Vermittler, Tischlerlehrlinge, Ausstellungsmacher. „Wir haben eigene Werkstätten, bauen vieles selbst. Das macht uns schnell, flexibel – und unabhängig.“ Aufreiter selbst ist promovierter Kunsthistoriker, war am Belvedere, leitete später zehn Museen in Italien. Bis die Politik wechselte. „Ausländer waren plötzlich nicht mehr erwünscht.“ Also kam er zurück – und landete bei der Technik. „Ich bin kein Forscher, ich bin ein Ermöglicher. Ich schaffe die Rahmenbedingungen, damit andere ihre Expertise entfalten können.“ Die neue Linie wird auch optisch sichtbar: Das Museum hat sein Logo verändert. Statt traditioneller Lettern dominiert nun ein Funke. „Der Funke steht für Neugier, für Kreativität. Für genau das, wofür wir heute stehen.“

Museum ist wie ein Uhrwerk
Privat liebt Aufreiter Uhrmacherwerkzeug. „Manche Uhren haben mehr Einzelteile als ein ganzer Zug“, sagt er und lacht. „Ich finde das faszinierend.“ Auch das Museum funktioniert wie ein Uhrwerk – fein verzahnt, komplex und doch beweglich. Zum Schluss steht er wieder dort, wo der Rundgang begann: vor dem Silberpfeil. „Jedes Ding, das hier steht, war einmal ganz vorne. Es war Innovation. Fortschritt. Zukunft.“ Dann schaut er auf das Auto – und sagt: „Genau das erzählen wir hier. Nicht, was war. Sondern was werden kann.“

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