Live in der Stadthalle

Billie Eilish: Die Pop-Gesalbte kam über Wien

Musik
07.06.2025 00:58

Ein ganzes Jahr haben mehr als 15.000 Kartenkäufer und noch viele Tausende leer ausgegangene Fans auf den Auftritt von Superstar Billie Eilish in der Wiener Stadthalle gewartet. Freitagabend war es so weit – und es war genauso bombastisch, opulent und verspielt wie intim, in sich geschlossen und begeisternd, wie es sich viele erhofft haben. Ein bunter Triumphzug.

(Bild: kmm)

Vergangenen Dezember ist Superstar Billie Eilish 23 Jahre jung geworden und trotzdem ist sie schon zehn Jahre lang erfolgreich im Geschäft. Dementsprechend hat sich der Hype in den letzten Tagen auch auf Wien übertragen. Die mehr als 15.000 Tickets für ihr erstes eigenes Konzert in Österreich waren vor einem knappen Jahr bereits innerhalb von Stunden verkauft. Unseriöse Anbieter und schwindlige Ticketplattformen brachten Fälschungen in Umlauf – die „Krone“ verhalf zwei geschassten Schwestern im letzten Abdruck noch zu gültigen Karten (wir berichteten),

Viele andere hatten nicht so viel Glück. Tagelang campierten Eilish-Fans bei sommerlichen Temperaturen am Vogelweidplatz, Karten zu immens hohen Preisen wurden noch bis weit nach Konzertbeginn gehandelt und leer Ausgegangene bildeten sektenartige Kreise und sangen dabei ihre Lieblingshits im Kollektiv – quasi als letzter Trost dafür, dass es dieses Mal nichts mit einem Konzert wurde.

Bombastisch und überdimensional
Wahnsinn draußen und Wahnsinn drinnen. Eilishs Bühnenaufbau für die „Hit Me Hard And Soft“-Tour sprengt ihre bisherigen Höchstleistungen um Längen. Der monströse Aufbau ist rechteckig in der Hallenmitte angebracht und garantiert mit verschieb- und lenkbaren Videoleinwänden eine möglichst optimale Sicht aus allen Positionen. Während des Intros senkt sich ein überdimensionaler LED-Lichtwürfel herab, in dem der Topstar in legerer Kleidung zum Vorschein kommt. Skateschuhe, verkehrt getragenes Cap, ein weißes Schlabbershirt, die Haare zu zwei Zöpfen geflochten – und aus den blitzblauen Augen strahlt eine gewinnende Coolness, während der Kreischpegel in lichte Höhe steigt und die Ehrenlogensitzer aufpassen müssen, dass ihnen nicht die Champagnergläser in der Hand zerspringen.

Durch die ausufernde Zuneigung ihrer Fans herrscht in der Stadthalle schon lange vor ihrem Auftritt eine ganz besondere Stimmung, die ein ebenso besonderes Gefühl evoziert. Irgendwo zwischen der großen Aufregung vor einer Mathe-Matura, dem Geruch von ausgeschwitzten, adoleszenten Pheromonen im Schul-Turnsaal und der wochen-, zuweilen monatelang aufgestauten Spannung ob des größten Moments in vieler Leben entlädt sich eine ganz spezielle Situation, die mit den Sauna-Temperaturen koaliert und fast schon an einen schwülen Sommertag vor dem ganz großen Gewitter erinnert.

Dieses Gewitter soll schlussendlich doch recht schlanke, aber intensive 90 Minuten andauern, in denen Billie querbeet aus ihren drei so unterschiedlichen wie fantastischen Alben zitiert und anderen Generationen vermitteln kann, warum sie für so viele junge Menschen so wichtig ist, wie es ansonsten nur Taylor Swift zu sein vermag.

Ein Handy-Lichtermeer erstrahlte in der Wiener Stadthalle – Billies Fans halten jeden messianischen Moment für die digitale Ewigkeit fest.
Ein Handy-Lichtermeer erstrahlte in der Wiener Stadthalle – Billies Fans halten jeden messianischen Moment für die digitale Ewigkeit fest.(Bild: zVg)

Es steppt der Bär, es fliegt die Kuh
Eilish ist das legere Mädel von nebenan, das auch anders kann. Sie hat sich in der jüngeren Vergangenheit auch als Vamp oder Marilyn Monroe zitiert, im karriereprägenden Schlabberlook vermittelt sie mit viel Sympathie und Bodenständigkeit aber genau dieses Gefühl von Nähe, das aufgrund ihres Superstarstatus längst nicht mehr möglich ist. In der perfekt durchchoreografierten Show bleibt nicht viel Raum für Worte. Klassiker wie „Es ist hier wirklich heiß“ und „Ich hoffe, ihr habt alle Spaß“ bringen die Fans aber auf Betriebstemperatur.

Wo auch immer in Europa Billie aufschlägt und spielt, steppt der Bär und fliegt die Kuh. Dabei weiß sie sehr gut zwischen lauten und leisen Momenten zu unterscheiden, wie sich im Laufe des Abends herausstellen soll. Auf der Riesenbühne läuft sie gerne in Achterform durch die Gegend und singt dabei Hit um Hit. „Lunch“, das mit Pryoeffekten unterstützte „Therefore I Am“ und die Ballade „Wildflower“ schießen in die Halle, bis sie eine Minute Ruhe einfordert, um ihre Stimme für das folgende „When The Party’s Over“ loopen zu können. Und fürwahr: Die Ruhe in Wien hält, was in anderen Städten nicht immer der Fall war.

Während ihrer Show auf der „Hit Me Hard And Soft“-Tour schießt Eilish aus allen Rohren – und setzt gerne auf die Kraft der Pyrotechnik.
Während ihrer Show auf der „Hit Me Hard And Soft“-Tour schießt Eilish aus allen Rohren – und setzt gerne auf die Kraft der Pyrotechnik.(Bild: Samir Hussein)

Die vier Mitmusiker und zwei Backgroundsängerinnen sind derweil halb versteckt im Bühnenboden untergebracht, um dem großen Star nicht den opulenten Raum zu nehmen. Billie ist aber keinen Deut arrogant, sondern dirigiert ihre devoten Fans mit natürlichem Charisma und einem bunten Potpourri an klanglichen Bonmots. Beim alten Smash-Hit „Bad Guy“ werden erstmals Lasereffekte ausgepackt, für „The Greatest“ schwebt sie auf einem Podest vom Bühnenboden hoch und das Akustikset mit „Your Power“, „Skinny“ und dem famosen „TV“ ist vielleicht der ruhige Höhepunkt dieser knallbunten Show. Schon auf Album sind es die ruhigen, reflektierten und selbsttherapeutischen Songs, die besonders hervorstrahlen. Doch sie kann auch anders. „Bury A Friend“ und „Oxytocin“ leiten über in das mit Charli XCX eingespielte „Guess“, das die Halle für drei Minuten zu einer ballernden Club-Disco verwandelt. Danach rennt Eilish, von Securitys begleitet, einen Kreis durch die Halle zum Abklatschen mit ihren Fans.

Messianisch und verspielt
Die zweifache Oscar-Preisträgerin (!) ist ganz bei sich und schafft den Spagat, einer üppigen Produktion mit einem ausladenden Bühnenbild so viel Intimität beizusteuern, dass sich manche Momente wie in einem überfüllten Club anfühlen. Der Eklektizismus in ihrem Sound ist gleichzeitig Eilishs Erfolgsrezept - anstatt sich stur einem Genre zu verschreiben, schaufelt sie sich aus allen Ecken Zutaten in ihren Soundtopf und kreiert dabei Songs wie das vielschichtige und künstlerisch wohl ausgereifteste Kapitel ihrer bisherigen Karriere, „Happier Than Ever“, für das sie sich eine E-Gitarre umschnallt und mit großen Posen vor den Fans kniend ihren ganz persönlichen Rockstar-Moment feiert. Eilish dirigiert ihr Publikum nahezu messianisch, doch ihre Gotteszeremonie ist nicht so narzisstisch berechnend wie jene von Nick Cave, sie ist inklusiver und verspielter. Am Ende geht es alles im großen Konfettiregen auf und viele denken, wünschen und hoffen, dass so eine Show demnächst ins Wiener Happel-Stadion kommen muss. Am besten schon 2026 …

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