Was passiert mit einer Gesellschaft nach dem Krieg? Zwischen Herbst 1944 und Frühjahr 1945 beantworteten zwei amerikanische Besatzungssoldaten diese Frage ganz unterschiedlich. Der Historiker Florian Traussnig tauchte beim Symposium „Übergänge“ am Freitag in Graz in den „Fall Aachen“ ein und schildert den spannenden Kriegseinsatz von geflohenen Österreichern in den Geheimdiensten der USA.
In Aachen, der ersten größeren deutschen Stadt, die die US-Armee Hitlers Herrschaft entreißen konnte, lieferten sich diese beiden Geheimdienstexperten ein regelrechtes „Match“. Sie kämpften hinter den Kulissen um die politische Nachkriegsordnung in der alten Kaiserstadt Aachen.
Es ging dabei um menschliche Rivalität, um Macht – aber auch um Neuaufbau und Demokratie. Was die beiden „GIs“ (umgangssprachlich für US-Soldaten, Anm.) einte: Sie stammten als Ex-Österreicher aus dem Herzen Hitlerdeutschlands und kannten Sprache, Mentalität und Gepflogenheiten des deutschen Feindes genau. Sie waren Insider – und nutzten ihr Wissen, um besatzungspolitisch ein Wörtchen mitzureden.
Der Eine, Francis Seidler, ein ehemals adeliger und „austrofaschistischer“ politischer Sekretär sowie „1938er“-Flüchtling vor den Nationalsozialisten, hatte als nunmehriger US-Nachrichtendienstler und Katholik als einer der ersten Zugang zum Aachener Bischof Johannes van der Velden. Mithilfe des Oberhirten gelang es, eine von der neuen Besatzungsmacht geduldete Stadtregierung rund um Bürgermeister Franz Oppenhoff zu installieren.
Die konservative, kapitalistische und angeblich „faschistische“ Zusammensetzung der neuen Polit-Führung stieß jedoch dem Anderen, Saul Padover, einem idealistischen Historiker und sozialistischen Geheimdienstmann mit Wiener Wurzeln, sauer auf: mit scharfen politischen Verhören und einer flammenden Streitschrift verursachte er einen handfesten Skandal, der ein schiefes Licht auf die Besatzungspolitik der amerikanischen Befreier warf.
Mit dem Mord am Bürgermeister spitzte sich das Drama noch weiter zu. Doch die US-Armee lernte aus dem „Fall Aachen“ und achtete danach auf eine ausgewogenere Ämterbesetzung im befreiten Hitlerdeutschland.
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