Verkaufsverhalten

Der Kunde ist König? Von wegen!

Vorarlberg
18.05.2025 06:55

Der aus Vorarlberg stammende Verhaltensökonom Ernst Fehr beschäftigt sich derzeit mit einem spannenden Thema, nämlich der Überkomplexität von Produkten. Seine Erkenntnisse hebeln scheinbare Weisheiten aus.

Die Analyse des realen Verhaltens von Menschen in wirtschaftlichen Fragen hat erst in den vergangenen Jahrzehnten so richtig Einzug in die Wirtschaftswissenschaften gehalten. Einer der großen Impulsgeber dafür ist der in Hard geborene Verhaltensökonom Ernst Fehr.

Momentan gilt sein Interesse einem sehr aktuellen Thema: Was nämlich in einem Markt passiert, wenn Firmen ihre Produkte mehr oder weniger künstlich komplexer gestalten – auch um letztlich Konsumenten den Wechsel zu einem anderen Produkt zu erschweren. Fehr nennt ein Beispiel: Er selbst habe kürzlich in einem Hotel in den USA erlebt, dass man dort für das Bettenmachen extra bezahlen muss. Diese Information wurde wohlgemerkt erst nach dem Einchecken prominenter dargeboten. Das Produkt wurde also nachträglich komplexer – und somit teurer. Aber: Wer nimmt in so einer Situation nochmals die Koffer in die Hand und sucht sich ein anderes Hotel? Es liegt folglich nahe, dass es gezielt darum geht, die „Suchkosten“ für den Kunden künstlich zu erhöhen und ihm dadurch den Vergleich und den Umstieg auf Alternativen zu erschweren. Letztlich sägt das am klassischen Credo, dass der Kunde die Wahl hat – und somit „König ist“.

Am Freitag hat der an der Uni Zürich tätige Vorarlberger Ernst Fehr den Festvortrag bei der feierlichen Sitzung der Akademie der Wissenschaften gehalten.
Am Freitag hat der an der Uni Zürich tätige Vorarlberger Ernst Fehr den Festvortrag bei der feierlichen Sitzung der Akademie der Wissenschaften gehalten.(Bild: APA/Helmut Fohringer)

Die Grundlage für solche Entwicklungen – Ähnliches betreiben etwa Fluglinien, deren ursprüngliche Basisangebote sich erst kurz vor der Kaufentscheidung durch mannigfaltige Zusatzkosten verteuern – ist der Siegeszug von Erkenntnissen aus Experimenten in den Wirtschaftswissenschaften. „Die Volkswirtschaftslehre ist in den letzten 50 Jahren komplett umgekrempelt worden“, befindet Fehr.

„Solides Wissen“ dank neuer Methoden
Die Basis dafür waren nicht zuletzt die leistungsfähigeren Computer, die statistische Modelle sekundenschnell durchrechnen konnten. Aber vor allem war es die Methode – die Empirie in Form von kontrollierten Labor- und Feldexperimenten -, die das Forschungsfeld radikal verändert hat. So lässt sich testen, was eine Intervention – etwa eine fiktive oder reale Einführung einer Steuer – im konkreten Erleben und Verhalten von Menschen zu ändern vermag. „Dadurch kann ich kausale Aussagen machen. Wir haben einfach viel solideres Wissen“, so der Universitätsprofessor. Dieses „solide Wissen“ ist für Politik und Wirtschaft essenziell.

Der 69-Jährige bereitet selbst seit Jahren mit seinem Beratungsunternehmen „FehrAdvice“ wissenschaftliche Erkenntnisse für diverse Kunden auf. So könne man etwa als Versicherung mit geschickt formulierten Botschaften und Informationen Versicherungsbetrügereien vorbeugen und die Rate der unwahren Angaben nachweislich um einige Prozentpunkte reduzieren.

Der Mensch als Versuchskaninchen
Ob wir wollen oder nicht, unser Verhalten wird genau beäugt: „Experimentation is everywhere – Google, Amazon, Zalando, Facebook und Co machen täglich tausend Experimente mit uns auf der ganzen Welt“, sagt Fehr. Oft gehe es darum, mit geschickter Positionierung von Inhalten und Informationen potenzielle Kunden möglichst lange auf einer Website oder in einem Chat zu halten. „Wie jedes Wissen, kann man das positiv oder negativ nützen. Viele Unternehmen nutzen es meiner Meinung nach noch nicht so positiv, wie sie könnten.“

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Wenn man Dinge in der Wissenschaft nicht empirisch entscheiden kann, bilden sich Schulen, die um die Deutungshoheit streiten: Da wird Evidenz durch Glaube ersetzt.

(Bild: APA/Helmut Fohringer)

Verhaltensökonom Ernst Fehr

So gut die Methode auch in vielen Bereichen funktioniert, sie tut dies vor allem im statistischen Durchschnitt, also im Kollektiv. Hat man es aber mit einem einzelnen Individuum zu tun, das sich höchst unkonventionell verhält, wird es logischerweise schwierig. So bezeichnet Fehr den US-Präsidenten Donald Trump, der seine großspurigen Ansagen auch schnell wieder mal abbläst, als „extremes Phänomen“: „Trump lesen, ist ein bisschen wie Kaffeesatz-Lesen. Da stößt jede Methode an ihre Grenzen.“

Wenn der Glaube die Evidenz ersetzt
„Wenn man Dinge in der Wissenschaft nicht empirisch entscheiden kann, bilden sich Schulen, die um die Deutungshoheit streiten: Da wird Evidenz durch Glaube ersetzt.“ Davor warnt Fehr eindringlich. Wenn etwa neue, alternative Herangehensweisen auftauchen, müssten diese letztlich ihre moralisch mitunter nachvollziehbaren Thesen auch faktisch untermauern können: „Zeigt doch empirisch, dass ihr recht habt!“ Gesichertes Wissen habe dann auch das Potenzial, gesellschaftliche Normen nachhaltig zu verändern.

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