Album & Interview

Folkshilfe: Den Kompass wieder neu ausgerichtet

Musik
17.04.2025 09:00

Kein Albumtitel passt besser zu dieser Band als „Bunt“. Das oberösterreichische Quetschn-Pop-Trio Folkshilfe experimentiert darauf musikalisch mit den 80er-Jahren und führt einmal mehr durch ein Wellental der Emotionen – doch immer mit menschlicher Kante und Liebe für die Gemeinschaft. Frontmann Flo Ritt nahm uns im „Krone“-Talk mit auf die neueste Reise seiner Band.

Frei nach dem erprobten Motto „never change a running system“ hat sich das oberösterreichische Pop-Trio Folkshilfe bei der Entscheidung zum Albumtitel wieder auf knackige vier Buchstaben konzentriert. Was mit „Mit F“ (2015), „Bahö“ (2017), „Sing“ (2019) und „Vire“ (2023) zu einer amtlichen Karriere geführt hat, muss am bisherigen Höhepunkt nicht groß verändert werden. Bei Folkshilfe sind Song- und Albentitel seit jeher mehr als bloße Zusammenfassungen des Textes oder der jeweiligen inneren Gefühlslage. Sie dienen als Leitfaden durch die gesamte Kreativwelt der Band, sind gleichermaßen Momentaufnahme wie auch ein Statement für Zeitlosigkeit. Mit der handelsüblichen Schwarzweiß-Malerei hält sich das Trio nicht auf, dafür ist die Zeit zu kostbar. „Folkshilfe ist bunt, unsere Dialekte sind bunt, Österreich ist bunt, die ganze Welt ist bunt“. Mit diesem Credo huldigt die Band einmal mehr der Gemeinschaft in einer Gesellschaft, die ständig der Gefahr von Entzerrung ausgesetzt ist.

Das Leben als Mosaik
„Für mich ist das Leben wie ein buntes Mosaik“, erzählt Sänger Florian Ritt der „Krone“ zum neuen Album, „und ein Mosaik wird erst dann schön, wenn man die richtige Distanz wählt. Bin ich zu nah an einem Punkt dran, dann sehe ich das große Ganze nicht mehr.“ Das über-den-Tellerrand-schauen beherzigen die drei guten Freunde schon seit den Anfangstagen. Nicht nur inhaltlich im Sinne wichtiger Botschaften für Liebe, Gemeinschaft und das Zusammenstehen, sondern auch im musikalischen Kontext. Mit der berühmt-berüchtigten Quetschn im eigenen Klangkosmos haben sich Folkshilfe zwar ihre Karriere auf- und ausgebaut, mit zunehmender Fortdauer des Bestehens emanzipiert man sich aber von den eigenen Klangklischees und erweitert das Spektrum mit Ausritten in fremdartige Gefilde. Auf der Suche nach neuen Facetten im Quetschn-Synthiepop mit folkloristischem Einschlag findet das Trio seine Liebe zu 80er-Beats. Programmatisch beginnt das Werk mit dem vorwärtstreibenden, elektronischen „Schritt für Schritt“, das als inhaltliche Blaupause für das Wesen von Folkshilfe herangezogen werden kann.

„Wir sind als Band schon sehr große Schritte gegangen, aber immer einen nach dem anderen. In guten Zeiten kann man schneller voranschreiten. In schwierigen muss man die Schritte auch mal verkleinern. Mittlerweile sind wir in einem Alter, wo wir das Erreichte auch annehmen können.“ Die Karrierekurve von Folkshilfe führt bislang beständig nach oben. Unvergessliche Live-Auftritte, zwei Alben, die auf Platz drei der heimischen Charts landeten und Radio-Airplay bei den größten Sendern. Davon können andere Acts nur träumen. Der Erfolg wirft aber auch die Frage auf, wie man sich von dieser Position aus weiterorientiert. Ein ausverkaufter Auftritt in der Wiener Stadthalle? Eine Nummer eins in den Charts? Bitte gerne, aber keinesfalls auf Kosten der Glaubwürdigkeit und des eigen ausgerichteten Kompasses. Krankheiten, Hörstürze, Todesfälle, Trennungen und Beziehungsprobleme begleiteten die Musiker durch die letzten Jahre und ließen eine essenzielle Erkenntnis reifen: Am glücklichsten lebt man im Moment - direkt im Hier und Jetzt.

Vom Menscheln und Menschsein
Mehr denn je zuvor ist „Bunt“ eine konzeptionelle Reise, ohne sich aber ein Konzept aufgezwungen zu haben. Wie Zahnräder greifen die Songs ineinander und erzählen eine Geschichte, die vom Menscheln und Menschsein handeln. „Im Leben gewinnt man und im Leben verliert man – aber es geht am Ende immer weiter“. „Therapie“ ist ein Up-Tempo-Song mit fettem Gitarrensolo, in dem es nicht nur um das Hilfesuchen, sondern auch die Selbstliebe und den richtigen Zugang zum Leben geht. „Die Wöt bewegt sich a ohne mi / i leg mi afoch wieder hi“ heißt es im darauffolgenden „Weit weg“. Auf „Bunt“ greifen Folkshilfe gleich zweimal auf Freundschaftsdienste zurück. Paul Pizzera ist im Reggae-lastigen „Owa vom Gas“ zu hören, während man mit der Vöcklabruckerin Avec bei „Home/Dahoam“ ein besonders interessantes Experiment wagt – eine frei von Pathos und Patriotismus befindliche Ode an die Heimat, vorgetragen auf Englisch und im oberösterreichischen Dialekt. Zweisprachig und international, aber doch auch rational und erdig. Ein melancholisch-emotionaler Anker auf einem Album, das mit den unterschiedlichsten emotionalen Zuständen jongliert.

„Bunt“ hat viele helle Momente, vergisst aber nicht auf die düsteren. „Ohne di“ ist eine berührende Hommage an Ritts verstorbenen Vater, die nicht nur temporäre Überforderung, Trauer und Schmerz ins Zentrum des Geschehens setzt, sondern auch als Wegweiser für die Konfrontation mit dem allumfassenden Thema Abschied dient. Einer der berührendsten und wichtigsten Songs der Folkshilfe-Historie, dessen Veröffentlichung Ritt lange überlegte. „Das Lied wird meinem Papa aber gerecht und wenn wir nur eine Person damit erreichen, dann ist damit alles geschafft. Die Reaktionen der Menschen auf dieses Lied sind überwältigend.“ Das balladeske „Schau auf di“ schließt die bislang bunteste Klangreise der Folkshilfe mit der wichtigen Botschaft zur Achtsamkeit ab: Auch wenn man für Dinge brennt, ist es wichtig, dabei nicht auszubrennen. Bei Folkshilfe besteht diese Gefahr nicht mehr. Über all die Jahre hat das Trio sein eigenes Tempo für Karriere, Spaß und Zufriedenheit gefunden. Ob es jetzt zum Nummer-eins-Album reicht? Vielleicht. Ist aber auch gar nicht so wichtig.

Live in ganz Österreich
Mit dem neuen Album „Bunt“ sind Folkshilfe wieder quer durch Österreich unterwegs. Folgende Termine sind bislang bereits bestätigt: Am 13. Juni beim Nova Rock in Nickelsdorf, am 3. Juli bei den Festwochen Unterammergau, am 18. Juli beim „Klassik am Dom“ in Linz, am 26. Juli auf der Schlosswiese im Kärntner Moosburg, am 2. August beim „Acoustic Campfire“ im steirischen Kindberg, am 25. September im Dornbirner Conrad Sohm, am 16. Oktober im Gasometer Wien, am 17. Oktober im Grazer Orpheum und am 18. Oktober in der Innsbrucker Music Hall. Unter www.folkshilfe.at gibt es alle Termine und Informationen zu den Tickets und den Konzerten an sich.

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