Der Tatzeitraum erstreckte sich von September 1973 bis Juni 1993. Neben sexuellen Übergriffen warf die Anklage dem 79-Jährigen auch Schläge, teils mit einer Ochsenpeitsche, Tritte, beidhändig ausgeführte "Stereowatschen", das Ausreißen von Haaren sowie die Drohung, er werde seine Pumpgun holen, oder das "Vogelfrei-Erklären" von Schülern vor. Bei Letzterem seien die Mitschüler dazu ermuntert worden, den Betreffenden zu drangsalieren, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.
"Stellte sich als Schutzpatron dar"
Zu den sexuellen Übergriffen sei es jedoch nicht nur im Stift, sondern auch bei diversen Auslandsreisen gekommen. "Der Angeklagte dürfte ein Gespür dafür gehabt haben, wen er sich aussuchte", so die Staatsanwältin. Viele der Opfer hätten schulische oder soziale Probleme gehabt. Der Ex-Pater habe sich als ihr Schutzpatron dargestellt.
Der Prozess, der am Montag am Landesgericht Steyr begonnen hatte, fand großteils unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Der Angeklagte legte zwar zu Beginn der Verhandlung ein Geständnis ab und entschuldigte sich bei den Opfern, deren Anwälte vermissten aber Reue. Der Verteidiger verlangte einen Freispruch, weil er die Taten als verjährt ansah.
"Dauer und Gleichgültigkeit übersteigt alles Dagewesene"
Das Gericht sah eine "Strukturiertheit in den Verfehlungen" des 79-Jährigen. Erschwerend wertete es den langen Tatzeitraum und die Vielzahl der Opfer bzw. Delikte. "Die Dauer und die Gleichgültigkeit des Angeklagten übersteigt für uns alles Dagewesene", sagte der Richter in der Urteilsbegründung.
Er ersuchte die Opfer um Verständnis, dass es nicht die Kompetenz des Strafgerichts sei, das Verhalten anderer Akteure über die Anklage hinaus zu beleuchten. "In einem anderen Umfeld wären diese Vorfälle unmöglich gewesen", so der Richter.
Zahlungen an ein Opfer als mildernd gewertet
Als mildernd sah das Schöffengericht die Unbescholtenheit des Angeklagten an, sein Geständnis - "auch wenn es relativiert wurde", so der Vorsitzende - und dass der 79-Jährige bereits eine Zahlung an ein Opfer geleistet habe. Die Aussagen der Geschädigten wertete der Senat als miteinander in Einklang zu bringen und schlüssig. Der Angeklagte vernahm das Urteil ruhig und zeigte wenig Reaktion.
Die Privatbeteiligten wurden mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Der Verteidiger meldete Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab.
Abt Ebhart: "Opfern wird ein Stück Gerechtigkeit zuteil"
Der Abt des Stiftes Kremsmünster, Ambros Ebhart, reagierte nach dem Urteil in einer knappen schriftlichen Stellungnahme: "Es ist gut, dass das Gerichtsverfahren jetzt abgeschlossen ist. Dadurch musste sich der Beschuldigte der Verantwortung stellen. Den Opfern wird auf diese Weise ein Stück Gerechtigkeit zuteil. Es macht uns sehr betroffen, dass die Vorfälle stattgefunden haben." Sämtliche Vorwürfe von Missbrauch und Gewalt seit 1945 würden aufgearbeitet, betonte er.
"Ich erschieß' dich, du Jud'"
Unterdessen brachten die Opfervertreter am Mittwoch bei der Staatsanwaltschaft Steyr auch eine Sachverhaltsdarstellung wegen Wiederbetätigung gegen den 79-Jährigen und Unbekannte ein. Es geht um Äußerungen, die der Ex-Pater gegenüber Zöglingen gemacht haben soll wie "Ich hol' die Pumpgun und erschieß' dich, du Jud'!" bis hin zu dem Vorwurf, dass im Stiftsinternat von Hakenkreuz-Tellern gegessen worden sei.
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