Über 3000 Besucher

Spürhunde und Security am Grazer Jehova-Kongress

Steiermark
09.08.2024 18:00

Bis Sonntag versammeln sich über 3000 Zeugen Jehovas in Graz. Mit ihrem Sommerkongress wollen sie den vergangenen Anschlägen trotzen und „die gute Botschaft bekannt machen“. Aber wie tief sitzt der Schock noch? Die „Krone“ hat mit einem Pärchen gesprochen, das eine Bombenexplosion miterleben musste.

Vor der Grazer Messehalle bilden sich am Freitagmorgen Schlangen an Menschen in Sonntagsrobe. Der Grund: Über 3000 Zeugen Jehovas sind angereist, um sich – unter strengen Sicherheitsauflagen – zu einem Kongress zu versammeln. Eigens geschulte Glaubensanhänger untersuchen Taschen auf gefährliche Gegenstände wie Messer oder Glasflaschen. „Es ist wie beim Check-in am Flughafen. Und in der Früh um 7 Uhr waren auch zwei Spürhunde da“, sagt Bernd Gsell, einer der Organisatoren.

Josef Lewenbauer koordiniert die Taschenkontrollen am Kongress.
Josef Lewenbauer koordiniert die Taschenkontrollen am Kongress.(Bild: Juergen Fuchs)

Kurz vor Beginn um 9.30 Uhr dann die Entwarnung: „Die Taschenkontrolle hat super funktioniert. Alle Gäste waren gut vorbereitet und informiert“, sagt Sicherheitsbeauftragter Josef Lewenbauer. Auch Nora und Niklas Parakenings haben es ohne Probleme hineingeschafft: „Mich juckt‘s jetzt schon unter den Fingernägeln, dass es losgeht“, sagt der 33-Jährige.

Im Visier des Bombers
Ganz ungetrübt ist ihre Vorfreude jedoch nicht: Vor knapp einem Jahr wurden die beiden Zeugen eines Anschlags auf ihre Glaubensgemeinschaft in Leibnitz – zwei weitere sollten in Kalsdorf und Premstätten folgen (siehe unten). „Ich war zum Zeitpunkt der Explosion auf der Bühne. Wir sind zuerst gar nicht von einer Bombe ausgegangen und haben weitergemacht“, erzählt Niklas. Am selben Tag detonierte daraufhin noch eine zweite Bombe am Heimweg eines Mitglieds an dessen Auto.

Für Nora und Niklas Parakenings ist der Kongress das „Highlight des Jahres“.
Für Nora und Niklas Parakenings ist der Kongress das „Highlight des Jahres“.(Bild: Juergen Fuchs)

„Aber das Evangelium hilft uns über schlechte Zeiten hinweg“, sagt Nora (30). Wie alle in der 2009 offiziell anerkannten Glaubensgemeinschaft, richtet das Paar das Leben nach der Bibel aus. Nora studiert sie täglich vor der Arbeit, Niklas liest oft direkt nach dem Wecker darin. „Die biblischen Grundsätze wie Nächstenliebe sind unsere Prioritäten im Leben“, sagt Niklas. Außen vor gelassen werden dafür traditionell Geburtstage und Weihnachten. Allerdings: „Die meisten sind dann überrascht, dass wir auch ganz normale Menschen sind“, sagt Nora.

Gemeinsam Kraft tanken
Der Sommerkongress ist für sie das „Highlight des Jahres“. Unter dem Titel „Macht die gute Botschaft bekannt“ geht es für sie bis Sonntag darum, Neues zu lernen. 44 Kurzvorträge und 60 multimediale Beiträge gehen über die Bühne  – die Öffentlichkeit ist explizit eingeladen, kostenfrei teilzunehmen. Nicht selten lernen sich hier auch künftige Ehepartner kennen. Und sogar ein großer Taufpool ist aufgestellt, der am Samstag zum Einsatz kommt.

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Wir veranstalten Zusammenkünfte, um Kraft zu tanken. Gerade in Zeiten wie diesen.

Nora Parakenings

An die Polizisten vor den Toren scheint man sich gewöhnt zu haben. Wie viel Personal für die Veranstaltung abgestellt wurde, will Polizeisprecher Fritz Grundnig aus taktischen Gründen nicht bekannt geben: „Es wurde eine Gefahrenanalyse gemacht und ein entsprechender Einsatzplan erstellt.“ Polizeischutz, Videokameras und Ordnerdienste hielten die 70 Mitglieder starke Gemeinschaft in Leibnitz aber selbst direkt nach dem Anschlag nicht zurück: „Wir veranstalten Zusammenkünfte, um Kraft zu tanken. Gerade in Zeiten wie diesen“, sagt Nora.

Anklage steht bevor
Anschläge auf die steirischen Zeugen Jehovas: Die Chronologie des Verbrechens

Seit über 100 Jahren gibt es die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas in Graz. Nachdem sie im Zweiten Weltkrieg verfolgt worden waren, organisierten sich die Anhänger neu. Die Zahl der Mitglieder wuchs seither in der Steiermark auf 2874 (Stand Januar 2024) an, seit 1952 werden jährlich Kongresse in Graz abgehalten.

Im August 2023 dann der Schock: Während einer Versammlung im Königsreichsaal in Leibnitz detonierten zwei Autobomben. Wie durch ein Wunder wurde dabei niemand verletzt. Monate später, Ende März dieses Jahres, fand man erneut eine Paketbombe bei den Zeugen Jehovas in Kalsdorf.

In Premstätten ging die dritte Autobombe in die Luft.
In Premstätten ging die dritte Autobombe in die Luft.(Bild: APA/FF ZETTLING/CHRISTIAN GLAUNINGER)

Doch die Polizei tappte weiter im Dunkeln über einen möglichen Täter. Und so ging Anfang Mai 2024 erneut ein Auto eines Mitglieds in Flammen auf. Noch im selben Monat kam es zu einem Großeinsatz in der Grazer Innenstadt – wie sich später herausstellte, hatte der Täter eine weitere Bombe am Auto seiner Ex-Frau angebracht.

Darin lag wohl auch das Motiv des Bombers: Als man den mutmaßlichen Täter fasste, gab dieser an, seine Ex-Frau wegen eines Unterhaltsstreits töten haben zu wollen. Der 55-jährige Steirer war IT-Techniker und hatte mit ihr zwei Kinder. Er war selbst lange Zeuge Jehovas und zeigte sich zu den Anschlägen geständig. Die polizeilichen Ermittlungen sind nun abgeschlossen. Eine Anklage wegen Mordversuchs und Brandstiftung steht  bevor.

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