Schneiders Brille

Die Kunst, ein Twinni zu lutschen

Menschen
03.08.2024 17:38

Es gibt Dinge, die liebt man als Erwachsener noch genauso wie als Kind. Bei „Krone“-Kolumnist Robert Schneider ist es ein Wassereis, das so gut wie jeder in Österreich kennt: das „Twinni“.

 

Das Wort Nachhaltigkeit ist arg geschunden. Die es für sich und ihre Produkte gern reklamieren, stellen sich fast immer als Eintagsfliegen heraus. Keine Eintagsfliege ist das Twinni der Marke Eskimo, und nachhaltig ist es, weil es so verdammt viel Spaß macht. Seit bald schon sechzig Jahren erfreut dieses Kulteis Alt und Jung. 1968 kam es hierzulande auf den Markt. Damals war es größer. Es war mehr dran. Ich schleckte länger. Oder irre ich mich?

In den Anfangszeiten des Twinni verbreitete der Hersteller, dass es „zum Teilen des gemeinsamen Genusserlebnisses“ gedacht sei. Da hat er sich gewaltig geirrt. Niemals habe ich mein Twinni mit meinen Geschwistern geteilt, weil ich mich bis zum Schluss nicht entscheiden konnte, ob mir jetzt die grüne Hälfte oder die orange besser schmeckt und worin der geschmackliche Unterschied eigentlich besteht. Ich habe es bis heute nicht wirklich herausgefunden, weshalb ich noch lange meinen Geschmackssinn trainieren muss. Teilen kommt überhaupt nicht infrage. Genau so sehen es auch meine drei Söhne. Sie lieben das Twinni wie ich. Brüderlich teilen – Fehlanzeige.

Ein Twinni richtig zu lutschen, ist eine Wissenschaft. Allein schon die Erlangung der Erkenntnis, wie sich der Schokoladenüberzug herunterknabbern bzw. mit der Zunge wegschieben lässt. Dann die Kunst, es an allen Seiten gleichmäßig zu schlecken, nicht zu schnell und nicht zu langsam, damit das klebrige Eiswasser nicht die Finger hinabläuft. Dazu bedarf es einer hohen Fertigkeit im Fühlen von Außen- oder Raumtemperatur. Davon hängen nämlich Eile oder Ruhe im Verzehr so eines genialen Twinni ab. Und schließlich das Bangen auf den exakt richtigen Zeitpunkt, wann das Twinni in der Mitte gebrochen werden darf. Dieses Erspüren, wann es so weit ist, dieses Kribbeln: „Bricht es sauber in zwei Hälften oder nicht?“ Ein Twinni, das nicht sauber in der Mitte bricht, ist schade um das ganze Geld. Es verdirbt einem den Genuss. Ich werde da noch lange wissenschaftlich tätig sein müssen. Meine Söhne auch.

Her mit der Person, die das Twinni erfunden hat, so sie noch am Leben ist! Ihr gebührt der höchste Orden der Republik.

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