Auf dem Berg zu Gast

Im Gipfelbuch traute man sich mehr

Vorarlberg
23.05.2024 15:25

Alte Gipfelbücher sind nicht nur aus alpinistischer Sicht interessant. Eine Ausstellung im Klostertal gewährt spannende Einblicke. 

Das Gipfelkreuz ist Ziel- und Fokuspunkt vieler Bergtouren. Dort oben zu stehen bedeutet, es geschafft zu haben, die Anstrengungen des Aufstiegs durch das Erfolgserlebnis fast vergessen. Gipfelkreuze gehören hierzulande wie selbstverständlich zum Landschaftsbild, sie sind quasi sichtbarer Ausdruck der Erschließung der Bergwelt. 

Erst Gipfelstangen, dann erst Kreuze
Dabei handelt es sich allerdings um ein vergleichsweise junges Phänomen, wie Christof Thöny, Historiker und Gründungsobmann des Museumsvereins Klostertal, weiß: „Vorläufer der Kreuze waren Gipfelstangen, die hauptsächlich der Landvermessung und der Anlegung des Grundkatasters dienten. Die ersten Kreuze auf Vorarlbergs Bergspitzen wurden in der Zwischenkriegszeit errichtet.“ Einen regelrechten Boom gab es laut Thöny nach 1945, als vielerorts sogenannte Heimkehrerkreuze entstanden. Diese logistisch schwierigen Unternehmungen wurden oft im Gedenken an die Gefallenen und zum Dank für die gesunden Heimkehrer durchgeführt. „Anfangs musste das Material dafür mühsam auf den Berg getragen werden. Das 1937 auf dem Roggelskopf aufgestellte Kreuz ist das erste dieser Art in der Region Klostertal“, berichtet der Historiker. Eng verwoben mit der Geschichte der Gipfelkreuze ist die Tradition der Gipfelbücher. Heute sind diese oft in einer am Kreuz befestigten Metallbox zu finden. Sie fungieren als Gästebücher der Berge, schon seit Beginn des Alpinismus gibt es das Bestreben, die eigenen Leistungen zu dokumentieren. „Anton Neyer, der Erstbesteiger der Zimba, hat seinen Gipfelsieg 1848 auf einem Notizzettel festgehalten und diesen in einer Blechbüchse als Beweis für spätere Besucher am Berg hinterlassen“, weiß Thöny.

Heute sind Gipfelbücher oft in einer am Kreuz befestigten Metallbox zu finden. (Bild: Peter Freiberger)
Heute sind Gipfelbücher oft in einer am Kreuz befestigten Metallbox zu finden.
Gipfelstürmer auf vergangenen Tagen. (Bild: Museumsverein Klostertal)
Gipfelstürmer auf vergangenen Tagen.
Zwei Alpinisten tragen sich im Gipfelbuch am Roggelskopf ein. (Bild: Museumsverein Klostertal)
Zwei Alpinisten tragen sich im Gipfelbuch am Roggelskopf ein.

Der Historiker hat sich eingehend mit dieser besonderen Form der Erinnerungskultur befasst. Im Rahmen der (Wander-)Ausstellung „Auf den Bergen des Klostertals“ hat es sich der 43-Jährige zur Aufgabe gemacht, in den Archiven verschiedener Sektionen des Alpenvereins auf die Suche nach alten Gipfelbüchern aus der Region zu gehen, diese zu digitalisieren und so einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Ergebnisse sind auf der Webseite des Museumvereins Klostertal einzusehen. Nach Eröffnung der ersten Alpenvereinshütten wurden in den Unterkünften zunächst Gästebücher aufgelegt, in denen unter anderem Tourenberichte eingetragen wurden. In der Zwischenkriegszeit nahm die Zahl der Alpinisten stark zu, und aus jener Periode stammen auch die ältesten noch erhaltenen Gipfelbücher. Ventil für Menschen

Daten & Fakten

Museumsverein Klostertal, Haus Nr. 60 a, Wald a. Arlberg, Öffnungszeiten: 1. Mai bis 31.Oktober, jeweils Mittwochs und Sonntag von 14 bis 17 Uhr.
Die Ausstellung „Auf den Bergen des Klostertals“ wird demnächst in Ravensburg zu sehen sein.
Mehr Infos sowie Einsichten in digitalisierte Gipfelbücher gibt es unter www.museumsverein-klostertal.at/archiv/gipfelbücher

Ventil für Menschen in der Nazi-Zeit
Diese Art der Dokumentation ist auf mehreren Ebenen interessant: Einerseits bergen die Bücher Erinnerungen an Personen, Bergtouren und sportliche Errungenschaften früherer Zeiten. Andererseits gewähren sie Einblicke in zeithistorische Vorgänge. „Die Abgeschiedenheit der Berge hat manch einen dazu verleitet, sich offener zu äußern – gerade zur Zeit des Nationalsozialismus“, erzählt Thöny. So haben manche das Gipfelbuch genutzt, um den Unmut über das Regime kundzutun.

Im Gipfelbuch der Gamsfreiheit berichtete jemand über seine Zeit als Kriegsgefangener. (Bild: Alpenregion Bludenz Tourismus GmbH – Melanie Fleisch)
Im Gipfelbuch der Gamsfreiheit berichtete jemand über seine Zeit als Kriegsgefangener.
Das Gästebuch der Freiburger Hütte aus dem Jahr 1913 wurde nun digitalisiert (Bild: Bergauer Rubina)
Das Gästebuch der Freiburger Hütte aus dem Jahr 1913 wurde nun digitalisiert

Allgemein sei auf den Seiten meist mehr als nur alpinistisch Interessantes zu finden, meint der Historiker. Besonders in Erinnerung geblieben ist Thöny eine Aufzeichnung aus dem Gipfelbuch der Gamsfreiheit aus den 1970er Jahren. „Der Verfasser berichtet über mehrere Seiten von seiner Zeit als Kriegsgefangener. Er hat sich das Erlebte richtiggehend von der Seele geschrieben“, erzählt Thöny. Dank der Unterstützung der Sektionen des Alpenvereins konnten auch sehr alte Bücher digitalisiert werden, wie zum Beispiel das Gästebuch der Freiburger Hütte aus 1913. Die Verantwortlichen des Museumsvereins Klostertal sind auch dankbar über Hinweise auf bislang unbekannte Gipfelbücher im Privatbesitz. 

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