Oldie im Interview

“Herr Blecha, sind Sie das SPÖ-Schlachtross?”

Österreich
13.10.2012 16:20
Beim SPÖ-Parteitag in St. Pölten am Samstag ist auch Karl Blecha (79) in der vordersten Reihe gesessen. Im Interview mit Conny Bischofberger spricht der "Oldie" über das angeknackste Image der Partei und sechs Jahrzehnte Sozialdemokratie.

An der Wand hängt Bruno Kreisky in Öl, flankiert von einem Otto-Bauer-Porträt und einer Titelseite der "Arbeiterzeitung" vom 16. April 1933, in Blei gegossen. Blechas Geburtstag. Auf dem Schreibtisch ein Foto seiner Rosi, im Regal allerlei Nippes aus fernen Ländern.

Hier gibt's drei Audio-Ausschnitte vom Interview: Blecha zu den Themen Vertrauen in SPÖ-Politiker, Inseratenaffäre und Wehrpflicht.

"I sollt' scho in St. Pölten sein", lacht der Präsident des Österreichischen Pensionistenverbandes und rührt viel Zucker in seinen Schwarzen. Es ist Freitagnachmittag; ein Chauffeur wartet schon vor der Tür. Aber Charly Blecha hat alle Zeit der Welt.

Er trägt dunkelblauen Nadelstreif, ein hellblau-gestreiftes Hemd, dazu - statt der früheren Nelke - ein rotes Stecktuch. Aus seinen spitzbübischen Augen schauen einen 60 Jahre Parteigeschichte an. Dieser Mann war schon in der SPÖ aktiv, da war Werner Faymann noch gar nicht auf der Welt. Zentralsekretär, stellvertretender Parteivorsitzender, Innenminister. Sieben rote Kanzler und 14 schwarze Obmänner hat der "Oldie" mit dem Brotberuf Sozialforscher erlebt. "Die heutige Politik", sagt er im "Krone"-Interview, "ist sehr augenblicksbezogen." Dementsprechend cool bleibt er auch bei heißen Themen. Sie kosten ihn höchstens ein Zwinkern.

"Krone": Herr Blecha, Sie werden oft als "Grauer Panther", "Urgestein der SPÖ" oder auch als "Charly Düsentrieb" bezeichnet: Was gefällt Ihnen am besten?
Karl Blecha: Ein Gestein schmeichelt einem nicht gerade. Panther auch nicht, der beißt ja. Am liebsten mag ich Charly Düsentrieb. Das passt zu meinem Arbeitspensum. Wenn ich Ihnen erzähle, was ich in den letzten Tagen gemacht habe... Die Jüngeren fragen mich oft, woher ich den Elan nehme.

"Krone": 60 Jahre Arbeit für die SPÖ: An welche Momente erinnern Sie sich besonders gern?
Blecha: Die Highlights sind in der goldenen Ära Kreisky konzentriert. Damals konnte man noch wirklich viel bewegen. Ich erinnere mich an die Gründung des Verbandes sozialistischer Mittelschüler. Wir waren am Anfang von der Partei nicht sonderlich geschätzt. Bei der ÖH war ich Vertreter einer Minderheitsfraktion und bin zur Auffassung gekommen: Wer in der Politik bestehen will, muss einmal in der Privatwirtschaft erfolgreich gewesen sein. Ich hab' in Köln empirische Sozialforschung studiert und ein Institut gegründet, wo ich für 40 Angestellte und 300 freie Mitarbeiter Gehälter zahlen musste. Wer einmal für andere Menschen verantwortlich war, kann in der Politik anders mitreden.

"Krone": Werner Faymann ist der siebte SPÖ-Kanzler, den Sie erleben... Müssen Sie jetzt lügen, wenn ich Sie frage, wie er im Vergleich zu den andern dasteht?
Blecha: Da brauche ich gar nicht lügen. Weil jeder Einzelne von den sieben war unvergleichlich. Jeder hat seine eigene Note. Keiner hat versucht, seinen Vorgänger zu kopieren.

"Krone": Wie ist sein Stand im Moment?
Blecha: Es ist der Stand, den auch die Partei hat. Dieser Stand ist nicht der gleiche, den beispielsweise Fred Sinowatz hatte. In meiner Zeit als Zentralsekretär und stellvertretender Parteivorsitzender unter Kreisky hatten wir 720.000 Mitglieder. Eine imposante Zahl in der europäischen, sozialdemokratischen Familie. Heute sind die Zahlen wesentlich niedriger, die Parteiorganisation spielt keine so große Rolle mehr. Die Politik ist auch aufgrund einer völlig neuen Medienlandschaft sehr augenblicksbezogen.

"Krone": Beim Vertrauensindex ist die Partei massiv abgestürzt, allen voran Faymann, Ostermayer, Darabos und Schmied. Macht Ihnen als "Oldie" so etwas Sorgen?
Blecha: Auf jeden Fall. Auch das sind sehr rasche Veränderungen gewesen. Ich kann mich noch erinnern, als es Staatssekretär Ostermayer gelungen ist, mit dem Kärntner Landeshauptmann eine Ortstafellösung herbeizuführen, die nicht einmal Bruno Kreisky zusammengebracht hat, war er im Hoch. Jetzt ist er halt im Tief. Früher haben sich diese Popularitätskurven langsam verändert, heute geht es von einer Woche auf die andere, und daher soll man das nicht überschätzen.

"Krone": Werner Faymanns Image ist nach seinem Nicht-Erscheinen vor dem Korruptions-Untersuchungsausschuss angeknackst: War es ein Fehler, nicht hinzugehen?
Blecha: Nachher ist man immer schlauer. Es war praktisch unmöglich für Faymann, dort hinzugehen, weil in dem U-Ausschuss ja praktisch nur noch Wahlkampf geführt wurde. Es ging ja nicht darum, etwas, das er schon 20 Mal erklärt hatte, zu wiederholen. Es ging nur darum, ihm ein paar Fehler nachzuweisen. Es ist absurd, dass hier eine Inseratengeschichte, die bestimmte Zeitungen anderen Medien vorgeworfen haben, mit Korruptionsfällen gleichgesetzt wird. Das ärgert mich sehr.

"Krone": Am SPÖ-Parteitag wird der Startschuss zu einem neuen Parteiprogramm gegeben. Wiens Bürgermeister Häupl hat schon gesagt, dass er das für einen Blödsinn hält mitten im Wahlkampf...
Blecha: Unsere Jungen haben den Antrag für ein neues Grundsatzprogramm gestellt, und ich bin der Meinung, er soll mit großer Mehrheit angenommen werden. Die Jungen spüren, dass die Sozialdemokratie ganz klar sagen muss, welche Visionen sie von der zukünftigen Gesellschaft hat. Sie muss Alternativkonzepte auf den Tisch legen. Und die Jungen wollen auch mehr Demokratie. Wir sind an einem Scheideweg, daher muss da was geschehen.

"Krone": Sie feilen ja an diesem Programm fürs nächste Jahrzehnt. Wozu braucht es da einen 79-Jährigen?
Blecha: Ich bin mit der Koordination betraut worden, und auch die wird nicht nur der Karl Blecha alleine machen. Das Programm selbst benötigt eine ganz breite Diskussion.

"Krone": Sollte diese Diskussion nicht vor den Wahlen abgeschlossen sein?
Blecha: Die kann 2013 nicht abgeschlossen sein. So ein Grundsatzprogramm muss die Wünsche, Hoffnungen und Ansichten der Menschen und hier besonders der Jungen treffen. Deswegen muss man mit ihnen sehr viel reden. Es muss aufbauen auf einer glasklaren Analyse der Gesellschaft, in der wir heute leben, auf den Entwicklungstendenzen, die sich heute abschätzen lassen. Und um alle wissenschaftlichen Erkenntnisse einbeziehen zu können, sollten wir auch Wissenschaftler aus allen Bereichen einladen, an dem Diskussionsprozess teilzunehmen.

"Krone": Charly Blecha, wie er leibt und lebt: Sind Sie so etwas wie das Schlachtross der SPÖ?
Blecha:(denkt kurz nach) Jedenfalls ist das Schlachtross ein sympathisches Tier. Es stapft in die Arena, und wenn die Trompete ertönt, dann fängt es an zu scharren (lacht).

"Krone": Während sich beim Thema Reichensteuer alle einig sind, ist die SPÖ bei der Wehrpflicht gespalten. Sind Sie eher auf Günther Kräuters Seite, der dort nur saufen und rauchen gelernt hat, oder finden Sie wie Gabi Burgstaller, dass der Grundwehrdienst jungen Männern gut tue?
Blecha: Das muss alles sehr, sehr gründlich diskutiert werden. Meine Meinung ist: Weg mit der Wehrpflicht! Sie stiehlt den jungen Männern sechs Monate, die wirklich sinnvoller gestaltet werden könnten. Die Modelle für Berufsheer und Sozialdienst gehören ganz konkret auf den Tisch.

"Krone": Wie sicher sind Sie, dass die SPÖ dieses Match gewinnt?
Blecha: Da bin ich in keiner Weise sicher. Weil es beachtliche Gruppen innerhalb der SPÖ gibt, die ganz deutlich für die Beibehaltung eintreten. Ganz im Gegensatz zur ÖVP, die sich entschieden hat, für die Beibehaltung derer sehr aktiv in der Politik. Sie wurden jetzt als "die rote Antwort" auf Frank Stronach bezeichnet - ist das eine Beleidigung für Sie?
Blecha: Weder Beleidigung noch Auszeichnung. Uns verbindet nur das annähernd gleiche Alter. Sonst nichts.

"Krone": Wie viele Stimmen wird Stronach mit seiner neuen Partei der SPÖ kosten?
Blecha: Das kann heute niemand sagen. Eine neue Partei - das war ja auch bei den Piraten so - kann am Anfang immer punkten. Doch dann haben sich die Piraten selbst ins Out gedribbelt. Jetzt ist Frank Stronach dran. Er kann sehr viele Argumente für sich ins Treffen führen. Die Frage ist, ob er den langen Atem hat. Denn der Wahlkampf ist noch lang.

"Krone": Halten Sie sein Ziel von 30 Prozent für erreichbar?
Blecha: Nicht bei dieser Wahl.

"Krone": Herr Blecha, werden Sie eigentlich noch oft auf Noricum und Lucona angesprochen?
Blecha: Überhaupt nicht.

"Krone": Nagt die damalige Verurteilung noch an Ihnen?
Blecha: Bei Lucona bin ich ja freigesprochen worden. Bei Noricum auch, nur in einer Nebenfrage bin ich wegen Beweismittelfälschung verurteilt worden. Da hat der Chef der Staatspolizei eine Aussage, die ich Jahre zuvor im Parlament gemacht habe, in einem Aktenvermerk niedergeschrieben. Das nagt nicht an mir. Ich kann mich nach wie vor erhobenen Hauptes bewegen. Da gab es keine Geldflüsse, es gab keine Korruption, nichts von alledem...

"Krone": Aber es gab schon Peter Pilz.
Blecha: Der hat sich auch seitdem nicht geändert. Der Pilz war bei den sozialistischen Studenten und wurde zu der Zeit aus der Partei ausgeschlossen, in der ich Zentralsekretär war.

"Krone": Wenn Sie über die Machenschaften der sogenannten "Ostbanden" lesen, würden Sie da nicht manchmal gerne noch eingreifen?
Blecha: Ich habe noch immer sehr viel Kontakt zu den Polizisten. Ich lebe und leide mit ihnen und würde auch vieles anders machen. Aber heute bin ich für die Pensionisten da.

"Krone": Sie werden nächstes Jahr 80. Kann es sein, dass Sie nicht aufhören können?
Blecha: Wer so lange in der Politik war wie ich, kann nicht einfach sagen: So, jetzt fliege ich nach Teneriffa oder setz' mich in den Park Tauben füttern. Man hat weiter Verantwortung wahrzunehmen. Daher bin ich ehrenamtlich Präsident des österreichischen Seniorenrates und Präsident der stärksten Seniorenorganisation, des Pensionistenverbandes Österreichs.

"Krone": Was hält Sie jung?
Blecha: Meine Familie. Meine Erfolge. Sie halten mich geistig frisch. Ich lese viel, ich nutze die elektronischen Kommunikationstechniken, ich bin mit den Menschen in ständigem Kontakt. Meine körperliche Kondition wird von mir nicht ganz so gepflegt...

"Krone": Meiden Sie Sport?
Blecha: Bis auf die eiserne Viertelstunde Gymnastik in der Früh ja. Dafür schwimme ich. Das ist nach meinen Bypass-Operationen wichtig. So versuchte ich halt, die Demenz möglichst lange hinausschieben zu können.

"Krone": Denkt ein "Charly Düsentrieb" auch manchmal ans Sterben?
Blecha: Ich fühle mich noch immer jung, so etwa wie 70. In diesem Alter muss man immer kalkulieren, dass man nicht mehr so lange lebt. Das Ende kommt in meinen Überlegungen eigentlich nicht vor. Aber wenn Sie mich fragen... Ich habe nicht die geringste Angst vor dem Tod. Das Einzige, was mich dann noch beschäftigt, ist die Frage: Habe ich alles getan?

"Krone": Für wen?
Blecha: Für alle, die mir lieb sind.

Steckbrief von Karl Blecha
Geboren am 16. April 1933 in Wien. Blecha ist schon als 17-Jähriger politisch aktiv; erst bei den sozialistischen Mittelschülern, dann bei den Studenten, später wird er Bundesvorsitzender der Jungen Generation in der SPÖ. 1963 gründet er das Sozialforschungsinstitut Ifes, 1989 das Mitropa-Institut. Innenminister von 1983 bis 1989, seit 1999 Präsident des Pensionistenverbandes. In dritter Ehe mit Rosi (48) verheiratet, Tochter Marie-Therese wird 13. Zwei weitere Kinder, drei Enkel, ein Urenkel.

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