19-Jährige starb

Mit offenen Augen geschlafen: Buslenker verurteilt

Kärnten
22.03.2024 11:53

Hunderte Male ist ein junger Chauffeur mit dem Flixbus von Prag über Kärnten nach Triest gefahren. Doch in den Morgenstunden des 19. September des Vorjahres konnte er sich nicht konzentrieren, die Augen fielen zu – diese „Mikroschlafereignisse“ forderten bei Micheldorf eine junge Tote und Dutzende verletzte Passagiere.

„Es tut mir furchtbar leid“, beteuert der 27-Jährige, der seit fünf Jahren als Buschauffeur arbeitet, beim Prozess am Landesgericht Klagenfurt. Derzeit allerdings nur noch im städtischen Verkehr von Prag – in einen Fernreisebus steigt er nicht mehr ein, nach dem, was passiert ist. Und was genau ist damals auf der B317 im Bereich von Micheldorf in Kärnten geschehen?

Die Sachverständige Marianne Kraut hat den Unfall genau analysiert – anhand von Spuren, Drohnenflügen und vor allem mehr als 100 (!) Videosequenzen aus der Dashcam, die Flix-Busse an Bord haben. „Die Kamera zeigt den Chauffeur und auch den Blick auf die Straße“, erklärt die Gutachterin Richterin Michaela Sanin. Kurze Sequenzen zeigen, dass der Bus bereits „aus der Spur“ war, über die Leitlinien und auf die Gegenfahrbahn geriet.

 „Er fuhr Schlangenlinien“, berichtet auch ein Autofahrer, der hinter dem Bus gefahren war. Grund dafür war weder Alkoholisierung noch Überforderung; der Chauffeur war ein Profi und hatte zuvor auch eine längere Pause gehabt. „Aber es war Übermüdung“, so DI Kraut. „Berufslenker und Vielfahrer schaffen es, diese länger auszublenden und lernen sogar, die Augen offenzuhalten, obwohl sie einschlafen. Sie lenken das Fahrzeug quasi wirklich im Schlaf, können aber natürlich nicht mehr reagieren.“

In diesem Fall war es eine Kurve auf der Schnellstraße. Der Bus fuhr geradeaus und krachte mit 100 Kilometern pro Stunde in eine Mauer, schlitterte 40 Meter über die Fahrbahn, ehe er im Straßengraben in der Wiese umkippte. Die 50 Passagiere aus aller Welt – von Oberösterreich bis nach Mexiko und Neuseeland – wurden dabei großteils verletzt, viele auch schwer. Eine 19-jährige Oberösterreicherin wurde aus dem Wrack geschleudert, für sie kam jede Hilfe zu spät.

Dennoch zeigt die Familie der verstorbenen jungen Frau Mitgefühl gegenüber dem Buschauffeur, wie ihr Anwalt betont: „Ihr ist es wichtig, dass sie den Angeklagten nicht finanziell belasten möchte; Eltern und Geschwister wissen, dass auch er schwer zu kämpfen hat.“

Zwei Jahre bedingte Haft
Auch das Urteil wegen grob fahrlässiger Tötung trägt dem Rechnung: zwei Jahre Haft, gänzlich bedingt nachgesehen. Richterin Sanin: „Es waren sogenannte Mikroschlafereignisse, die den Unfall verursacht haben. Eine bedingte Strafe scheint mir angemessen.“

Das finden alle anderen auch – der Angeklagte nimmt ebenso an wie Staatsanwältin Lisa Kuschinsky. Damit ist das Strafverfahren um den Unfall von Micheldorf rechtskräftig erledigt und die Verhandlungen um Versicherungsleistungen für die vielen Opfer fangen an.

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