Russin gesteht:

„Bei Protesten zittere ich vor Wut und Angst“

Ausland
18.03.2024 15:20

Im immer autoritärer regierten Russland drohen bekanntlich mittlerweile für harmlos anmutende kritische Äußerungen viele Jahre qualvoller Lagerhaft. Dennoch wagten sich am Sonntag zahlreiche mutige Menschen für die Protestaktion „Mittag gegen Putin“ auf die Straße. Es ist ein Hilfeschrei. Denn die Russen fühlen sich im Stich gelassen und hoffen auf mehr Unterstützung von außen.

„Zur Teilnahme an der Aktion hat mich der Aufruf von (Alexej) Nawalny und anderen Oppositionellen bewogen. Es war eine Möglichkeit, Zeit mit guten Menschen zu verbringen. Und es ist das Einzige, was bei diesen Wahlen, deren Ergebnisse zur Gänze manipuliert wurden, Sinn machte. Vor lauter Stolz und Freude flossen Tränen – trotz all der Umstände sind die Leute gekommen. Alle haben sich umgesehen: Wir waren so viele“, schilderte ein Mann aus Moskau dem Exilmedium „Meduza“.

Um Punkt 12 Uhr Mittag hatten sich Russen am Sonntag vor Wahllokalen zur Oppositionskundgebung „Mittag gegen Putin“ zusammengefunden. Kreml-Propagandisten versuchten Ausreden zu finden. Die einen behaupteten, es habe ständig Schlangen gegeben, während die anderen oberklug von sich gaben, dass die Aktion dem russischen Präsidenten Wladimir Putin Respekt zolle. Aber was ist da wirklich vor sich gegangen? „Meduza“ hat spannende Einblicke gesammelt.

Keine Hoffnung auf Veränderungen
„Ich habe es so satt, mich ständig umzuschauen und zu denken: Gott behüte, ich darf ja nichts Falsches sagen; bei Protesten zittere ich vor Wut und Angst, gemischt mit Selbstverachtung, weil ich aus Angst um mein Leben nicht demonstrieren gehe“, gesteht Sofia aus Moskau.

„Es ist klar, dass das nichts ändern wird“ konstatierte Nika aus Moskau nüchtern. Aber irgendetwas müsse sie doch tun. „Es war wichtig, Leute zu sehen, die so sind wie ich. Leute, die sich nicht über Krieg und das Morden freuen, die nicht auf die ganze Welt beleidigt sind und keiner abstrakten und im 21. Jahrhundert überhaupt nicht lebensfähigen Ideologie folgen.“ Zumindest einen kleinen Hauch von Freiheit habe sie gebraucht, um nicht verrückt zu werden.

Viele wollen keinen Krieg
„Ich wollte zeigen, dass es viele von uns gibt und wir keine Angst haben. Wir werden für einen friedlichen Himmel und ein freies Russland kämpfen. Wir werden in die Fußstapfen des Helden Russlands Alexej Nawalny treten“, schilderte Wita aus der Oblast Moskau. Sie wolle in einem demokratischen Land leben, das keine Nachbarstaaten angreift, wo man sich um alle Bevölkerungsschichten kümmere und an der wirtschaftlichen Entwicklung arbeite. „Wo man seine Meinung ausdrücken kann. Und, dass meine Kinder auch in so einem Land leben können.“

Alle Altersgruppen waren vertreten
Um 11.50 Uhr seien schon ziemlich viele Menschen da gewesen. „Um Punkt 12 stürmten sie hinein. Es waren wirklich alle Altersgruppen vertreten: Mütter mit Kindern, Männer [mittleren Alters], Studenten und Pensionisten“, berichtete Wita. Sie trug einen Haarreifen mit gelben Enten im Haar. Für uns Österreicher mag dies vielleicht nicht der Rede wert sein. Gelb erinnert viele Russen jedoch an die ukrainische Flagge beziehungsweise wird in Moskau mittlerweile nichts mehr gerne gesehen, das aus der Masse heraussticht.

„Ein Polizist hat mich sofort zu filmen begonnen. Dann kam er auf mich zu und fragte nach meinem Pass. …. Er ist mir bis zur Wahlkabine nachgegangen und hat mich dann über Stockwerke verfolgt – mit Fragen, wo ich hingehe und was ich vorhabe. Er meinte, der Ausgang sei hier.“ Nach dem Verlassen des Gebäudes sei er der Frau weiter nachgegangen. „Er hat mich dauernd gefilmt. Ich habe ihm Herzchen in die Kamera gezeigt – was hätte ich sonst tun sollen? Ich habe wundervolle Menschen kennengelernt und Einheit und Hoffnung verspürt. Liebe ist stärker als Angst. Den Haarreifen mit den Enten hebe ich mir noch für später auf – er scheint ein wichtiges Accessoire zu sein“, schloss Wita mit einem Augenzwinkern.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare
Eingeloggt als 
Nicht der richtige User? Logout

Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

Kostenlose Spiele