Taurus-Abhör-Skandal
Dieser Fehler war „gefundenes Fressen“ für Russen
Wie konnte Russland eine Lagebesprechung hochrangiger Bundeswehrsoldaten abhören? Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat am Dienstag erste Ermittlungsergebnisse mitgeteilt. Er berichtet von einem menschlichen Versagen und keinem technischen.
Pistorius schließt aus, dass die verwendete IT-Technik von russischen Spionen gehackt wurde, der SPD-Mann geht vielmehr von einem Zufallstreffer aus. Grund für den Mitschnitt sei ein „individueller Anwendungsfehler“ gewesen, sagte der SPD-Minister bei der Bekanntgabe von Zwischenergebnissen der internen Untersuchung.
Leck saß in Singapur
Ein Teilnehmer hätte sich aus Singapur zugeschaltet, dieser habe sich nicht an das vorgeschriebene Einwahlverfahren gehalten. Ausdrücklich betonte Pistorius, dass entgegen anderslautender Spekulationen „keine unbefugte Person“ an der Telefonkonferenz teilgenommen habe.
Was ist passiert?
- In der Telefon-Schalte sprachen Luftwaffe-Chef Ingo Gerhartz und Brigadegeneral Frank Gräfe mit zwei weiteren Bundeswehr-Offizieren.
- Sie nutzten dafür das Programm „WebEx“, die Aufnahme ist 38 Minuten lang.
- Die Offiziere sprachen über Einsatzmöglichkeiten von Taurus-Marschflugkörpern in der Ukraine.
- Bundeskanzler Olaf Scholz verweigert die Lieferung der Taurus an die Ukraine.
Brigadegeneral Frank Gräfe besuchte am 19. Februar eine Luftfahrtmesse in Singapur. Der Offizier habe sich über eine „offene Verbindung“ in die geheime Bundeswehr-Schalte eingewählt. Für die Russen sei das ein „gefundenes Fressen“ gewesen. Pistorius erklärte: „Es war ein Fehler, ein schwerer Fehler.“ Die Folgen seien allerdings „überschaubar.“
Alle Geräte werden überprüft
Das Risiko sei eben besonders hoch, wenn „jemand nicht die Sorgfalt an den Tag legt, die notwendig wäre“. Im weiteren Verlauf werden Pistorius zufolge nun alle Geräte forensisch untersucht. Zudem werde geprüft, ob alle in der Konferenz besprochenen Themen so hätten besprochen werden dürfen. Die Einleitung eines Disziplinarverfahrens sei weiter offen und hänge von den weiteren Ermittlungsergebnissen ab.
Er betonte aber auch: „Persönliche Konsequenzen stehen derzeit nicht auf der Agenda.“ Er werde „niemanden meiner besten Offiziere Putins Spielen opfern“, erklärte Pistorius.
„Keine Verärgerung“ bei Verbündeten
Pistorius habe trotz der weltweiten Kritik nicht den Eindruck, dass Verbündete Deutschland nun misstrauen würden. Der Verteidigungsminister habe in den Krisengesprächen „keine Verärgerung“ wahrgenommen. Fazit der bisherigen Überprüfungen sei: „Zertifizierte Systeme bei korrekter Anwendung sind sicher.“
Innenministerin Nancy Faeser unterstrich unterdessen die Abwehrbereitschaft deutscher Geheimdienste. „Wir haben unsere Schutzmaßnahmen gegen Spionage und Desinformation weiter hochgefahren und reagieren laufend auf aktuelle Entwicklungen“, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag).
„Putins Propaganda-Apparat will unseren Staat diskreditieren, die Meinungsbildung manipulieren und unsere Gesellschaft spalten. All das wird Putin nicht gelingen“, betonte sie. Die Spionageabwehr beim Bundesamt für Verfassungsschutz sei personell und technisch deutlich verstärkt worden. Es bleibe ein wesentlicher Schwerpunkt der Spionageabwehr, die Aktivitäten der russischen Nachrichtendienste zu bekämpfen.
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