Haus gestürmt

Polizei ignoriert Kirchenasyl bei Abschiebung

Ausland
20.12.2023 17:12

Dramatischer Polizeieinsatz am Mittwoch in der deutschen Stadt Schwerin: Weil sie abgeschoben werden sollten, hatten sich zwei Afghanen (18, 22) mit weiteren Familienmitgliedern in einer Kirchengemeinde im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern verschanzt. Das sorgte für Kritik des Flüchtlingsrates: Die Exekutive habe erstmals das Kirchenasyl gebrochen. 

Nach etwa vierstündigen Bemühungen, mit der Familie im Gespräch zu bleiben und sie zum Öffnen der Tür zu bewegen, seien Einsatzkräfte schließlich „mit einfacher körperlicher Gewalt“ in die Wohnung eingedrungen, sagte die Polizeisprecherin. Dabei sei festgestellt worden, dass sich der 22-Jährige vermutlich mit einer Glasscherbe verletzt hatte. Die Mutter habe sich in einem psychischen Ausnahmezustand befunden. Beide wurden mit einem bereitstehenden Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht.

Familienangehörige trugen Messer am Körper
„Bei der Durchsuchung aller Personen wurden bei der Mutter, dem 22-jährigen Sohn und der Tochter Messer versteckt am Körper gefunden“, teilte die Polizei nach Abschluss der Aktion weiter mit. Gegen die 47-jährige Mutter sei ein Strafverfahren wegen Bedrohung und Nötigung eingeleitet worden. Weitere Personen oder Einsatzkräfte seien bei dem Einsatz nicht verletzt worden. Für Außenstehende habe zu keiner Zeit eine Gefahr bestanden. Spezialkräfte der Polizei waren in der Früh mit Rammbock und Kettensäge angerückt. Doch seien die Gerätschaften nicht zum Einsatz gekommen, hieß es.

Afghanen sollten nach Spanien abgeschoben werden 
Nach Angaben eines Sprechers der Nordkirche handelte es sich um eine sechsköpfige Familie aus Afghanistan, deren zwei erwachsene Söhne abgeschoben werden sollten. Dies sei auf Anordnung der Ausländerbehörde in Kiel erfolgt. Beide sollten den Angaben zufolge nach Spanien gebracht werden. Dort waren sie in die EU eingereist. Laut Kirchensprecher hielt sich die Familie in einer Wohnung am Rande eines Schweriner Plattenbaugebietes auf, die von der dortigen Kirchengemeinde für Flüchtlinge bereitgestellt wird.

Die Polizei hatte zunächst von zwei irakischen Männern gesprochen, die abgeschoben werden sollten, korrigierte dies dann aber. Nach Behördenangaben gehören neben der Muter und den 22 und 18 Jahre alten Söhnen noch der 49-jährige Vater, eine 13-jährige Tochter und ein zehnjähriger Sohn zur Familie. Alle Personen besäßen die afghanische Staatsangehörigkeit.

Der Flüchtlingsrat sprach von einem erschreckenden Signal an Geflüchtete. „Nicht einmal zu Weihnachten dürfen sie sich sicher fühlen. Dieses Signal richtet sich aber auch an Kirchengemeinden, die nun verunsichert sind, ob sie Geflüchteten weiterhin Zuflucht und Hoffnung bieten können“, hieß es in der Mitteilung weiter. Eine Sprecherin beklagte zudem, dass der Amtshilfe-Einsatz offenbar auf der Basis falscher Angaben erfolgt sei, da zunächst von Irakern die Rede gewesen sei.

Als Kirchenasyl wird die befristete Aufnahme von Flüchtlingen in kirchlichen Räumen bezeichnet, denen bei Abschiebung Gefahr für Leib und Leben oder die Verletzungen ihrer Menschenrechte droht. Solche Fälle gab es in heuer Mecklenburg-Vorpommern häufiger als in der jüngsten Vergangenheit. Bis Ende November waren es landesweit 25 Menschen, wie die Nordkirche mitteilte. Ein höherer Wert sei zuletzt 2018 erreicht worden, als im Nordosten Deutschlands 51 Menschen Kirchenasyl gewährt wurde. 2022 seien es zehn gewesen, in den beiden Jahren davor 21 und sieben.

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