„Schon wieder“ möchte man fast sagen: Bei dichtem Schneefall und Nebel gerieten am Sonntagnachmittag deutsche Wanderer wegen Überforderung und miserabler Tourenplanung in Tirol in Bergnot. Bei widrigsten Wetterverhältnissen mussten Bergretter am Abend bzw. in der Nacht zu heiklen Rettungsmissionen aufbrechen.
Schauplatz 1, Bergleintal im Wettersteingebirge: Gegen 15.30 Uhr meldeten sich zwei deutsche Alpinisten über den Notruf, dass sie sich im Abstieg von der Meilerhütte befinden, aber nicht sicher sind, ob sie bei Nebel, starkem Schneefall und einbrechender Dunkelheit weiter den Steig hinunter nach Leutasch finden würden.
Einer der Deutschen hat mir gesagt, dass sie derzeit noch keine Hilfe benötigen würden.
Michael Strigl, Ortsstellenleiter der Bergrettung Leutasch
„Mich hat die Leitstelle über die Situation informiert, daraufhin hab ich mit einem der Deutschen telefoniert“, sagte Michael Strigl, Ortsstellenleiter der Bergrettung Leutasch. „Er hat mir gesagt, dass sie derzeit noch keine Hilfe benötigen würden.“ Sechs Leutascher Bergretter bereiteten sich dennoch auf einen möglichen Rettungseinsatz vor.
Herzprobleme und Panikattacken
„Rund 20 Minuten später meldete sich der Deutsche noch einmal und bat uns um Hilfe“, schildert Strigl. Einer der Deutschen klagte bereits über Herz-Kreislauf-Probleme und litt unter Panikattacken.
Die Leutascher Einsatzkräfte stiegen daraufhin bei dichtem Schneefall durch das Bergleintal zu den Deutschen auf, die in rund 1650 Metern im Bereich der Mustersteinhütte warteten. „Weiter oben lagen bereits 40 Zentimeter Schnee, schon der Aufstieg in steilem Absturzgelände war heikel“, erzählt Strigl. Der Schwächere der beiden hatte sich inzwischen etwas erholt, sodass die Bergretter mit beiden den Abstieg beginnen konnten.
Duo brachte sich in Lebensgefahr
Die Begründung, warum sie in Bergnot gerieten, schockierte die Einsatzkräfte. „Sie seien vom Wetter überrascht worden, gaben sie an. Ich habe sie dann gefragt, ob sie denn den Wetterbericht nicht verfolgt hätten“, sagt Strigl. Den Leutaschern gelang es jedenfalls, das Duo sicher durch das Absturzgelände hinab ins Tal zu bringen. „Einmal ausrutschen und man liegt in der Klamm unterhalb“, beschreibt Strigl die lebensgefährliche Situation.
Gipfeltour hätte tödlich geendet
Bestürzt gemacht hat ihn auch die Vorgeschichte des Einsatzes. Die Alpinisten hatten auf der Meilerhütte im Winterraum übernachtet und wollten am Sonntag eigentlich den Musterstein (2474 m) besteigen. „Das ist ein Kletterberg, das Duo hatte aber nicht einmal ein Seil dabei“, schüttelt Einsatzleiter Strigl ungläubig den Kopf. „Die beiden wirkten eher wie Wanderer und nicht wie Hochtourenbergsteiger. Die Gipfeltour hätte bei diesen Verhältnissen wohl tödlich geendet.“
Zum Glück entschieden sie sich dann aber für den Abstieg - allerdings viel zu spät. „Die Tourenplanung war verheerend, Note fünf!“ stellt Strigl unmissverständlich klar.
Schwieriger Nachteinsatz auch im Karwendelgebirge
Schauplatz 2, Bäralpl, Karwendel: Nicht weit vom Einsatzort der Leutascher Bergretter entfernt, versuchten sich am Sonntagabend zwölf Scharnitzer Bergretter zu feststeckenden Bergsteigern im Bereich des Bäralpls (rund 1820 m) nordwestlich über dem Karwendelhaus durchzukämpfen. Die vier Deutschen - zwei Männer und zwei Frauen zwischen 24 und 27 Jahren - waren trotz miserabler Wetterprognose am Vormittag im bayrischen Mittenwald gestartet und wollten über den Bäralplsattel zum Karwendelhaus. Das Vorhaben ging krachend schief, bei Nebel, Schnee und Lawinengefahr steckten sie fest und schlugen um 16 Uhr Alarm.
Zunächst versuchte die Bergwacht Mittenwald zu dem Quartett aufzusteigen, der Versuch musste aber wegen Lawinengefahr knapp vor Erreichen der Alpinisten abgebrochen werden.
Martin Mair von der Bergrettung Scharnitz
Bergwacht Mittenwald musste abbrechen
„Zunächst versuchte die Bergwacht Mittenwald zu dem Quartett aufzusteigen, der Versuch musste aber wegen Lawinengefahr knapp vor Erreichen der Alpinisten abgebrochen werden“, erzählt Martin Mair von der Bergrettung Scharnitz. So wurde um 20 Uhr die Bergrettung Scharnitz alarmiert, um von Tiroler Seite zu den Opfern zu gelangen.
Lawinengefahr für Scharnitzer Bergretter
„Wir fuhren mit zwölf Mann ins Karwendeltal bis zur Angeralm in 1300 Metern und wollten von dort zum Bäralpl aufsteigen“, schildert Martin Mair den heiklen nächtlichen Einsatz bei widrigsten Verhältnissen. „Die Aufstiegsroute führte freilich durch steile Grashänge, wo schon einige Lawinen abgegangen waren. Somit mussten auch wir aus Sicherheitsgründen den Einsatz gegen Mitternacht wieder abbrechen“, sagt der Bergretter. Die Deutschen mussten die Nacht am Berg verbringen, am Montagmorgen flog sie ein deutscher Hubschrauber nach Mittenwald. Das Quartett war unverletzt geblieben, aber nach der Nacht im Schnee unterkühlt.
„Die Tourenplanung der Gruppe war schlecht, sie hatten die Wetterverhältnisse komplett falsch eingeschätzt“, resümiert auch Bergretter Mair.
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