Live in Klagenfurt

Depeche Mode: Mit Vitalität gegen den Matschsound

Kärnten
22.07.2023 01:41

Rund 24.000 Fans folgten der Einladung von Depeche Mode, sie bei ihrer Kärnten-Premiere im Klagenfurter Wörthersee Stadion zu bejubeln. Der Wettergott kannte Gnade und Frontmann Dave Gahan zeigte sich bestens gelaunt. Einziger Wermutstropfen war der stellenweise arg matschige Sound.

Die Sorgenfalten der Konzertbesucher wurden vor dem Auftritt von Depeche Mode immer größer. In und um Klagenfurt goss es ab mittags einmal mehr aus Strömen und die Wasserlacken rund ums Wörthersee Stadion nahmen bereits monströse Ausmaße an. Doch im urbanen Gebiet und bei gesicherter Infrastruktur lässt sich ein Event auch in prekären Situationen leichter über die Bühne bringen als in der Peripherie. So musste das für heute, Samstag, angesagte Konzert von Robbie Williams am Fuße der Burg Hochosterwitz behördlich schon zwei Tage vorher abgesagt werden, die Synthiepop-Könige Depeche Mode hingegen hatten innerstädtisch kein Problem. Zudem zeigte der Wettergott noch spätes Erbarmen und ließ am Frühabend sogar noch die Sonne durchblitzen.

Kurze Heimkehr
Für die Dunkelheit sorgt ohnehin die Band. Depeche Mode, seit mehr als 40 Jahren welterfolgreich und bahnbrechend für das gesamte Pop-Genre, touren bereits seit gut zwei Monaten quer durch Europa und zeigen sich bei ihrem ersten und einzigen Österreich-Auftritt in bester Verfassung. Für ihre Kärnten-Premiere versammeln sich nicht weniger als 24.000 Fans. Die Kennzeichen der Autos reichen von Wien und Urfahr-Umgebung über Italien und Slowenien bis hin zu Augsburg und Tschechien. Die Fans sind ihrer Band treu und extrem reisefreudig. Eine kurzfristige Heimkehr ist der Gig für Schlagzeuger Christian Eigner. Der Österreicher ist bereits seit 26 Jahren Drummer bei den Briten, schreibt mit Frontmann Dave Gahan seit geraumer Zeit Songs und genießt bei der Bandvorstellung des Sängers sichtlich das Bad in der Menge.

Eigner bereitet mit Keyboarder und Bassist Peter Gordeno den rhythmischen Teppich für die beiden Bandchefs Gahan und Martin Gore. Der Frontmann wirbelt immer wieder Flamenco-artig über die Bühne, übt sich in sportlichen Stretching-Übungen und präsentiert während „Walking In My Shoes“ seine makellosen weißen Böcke. Das alles natürlich im feinsten Zwirn, mit Jackett, schwarzer Anzughose und verschiedenfarbigen Gilets. Ihm zur Seite Martin Gore. Silbern glitzerndes Jäckchen, die markanten blonden Locken nicht nur an den Schläfen ergraut, trauriger Hundeblick. Er ist das musikalische Genie und der Hauptkompositeur, der den Sound auch live zusammenhält. Am liebsten versteckt er sich hinter seinem Keyboard, manchmal nimmt er aber auch die Gitarre in die Hand und zweieinhalbmal darf er singen.

Neugewonnene Freundschaft
„A Question Of Lust“ passt dazu perfekt zu seiner melancholischen, immer etwas brüchigen Stimme, das nach einem Disney-Soundtrack klingende „Soul With Me“ nimmt hingegen zur Halbzeit des Gigs unnötig Tempo raus. Mit Gahan intoniert er zu Beginn des Zugabenblocks „Waiting For The Night“. Ein musikalisches Mahnmal für die neugefundene Freundschaft der beiden, die erst durch den tragischen Tod von Keyboarder Andrew Fletcher vor einem guten Jahr Formen annahm. Sein Ableben brachte die beiden stolzen Kreativköpfe nach vier Dekaden so nahe zusammen, wie sie sich seit den frühesten Tagen der Band nicht mehr waren. Fletchers Hommage mittels Vergangenheitsbildern auf der großen Videowall bei „World In My Eyes“ ist ehrenvoll, musikalisch aber vielleicht ein bisschen zu hart und flott ausgefallen.

Das erste Konzertdrittel gerät soundmäßig leider matschig. Schwer übersteuerter Bass, Gahans Stimme ist stark im Hintergrund und auch die Mischung zwischen den Instrumenten verfließt zu einem einzigen Brei. Erst bei „Precious“ wird der Klang besser austariert und die musikalische Qualität ertönt im adäquaten Rahmen. Auch wenn Depeche Mode unsterbliche Klassiker wie „Strangelove“, „Policy Of Truth“, „Barrel Of A Gun“ oder „A Question Of Time“ auslassen, bleiben noch immer ausreichend große Momente übrig - manche gar unerwartet. Etwa das Bass-lastige Crescendo beim düsteren neuen Song „Speak To Me“ oder eine besonders eindringliche Version des stets unterschätzten „Sister Of Night“.

Klassiker vs. neue Songs
Die großen Hits fördern dann auch große Stimmung zutage. „Stripped“ wird von Gahan besonders lasziv intoniert und „Enjoy The Silence“, des Österreichers liebster DM-Song, wird zur Feier des Tages zu einer besonders langen Extended-Version ausgebreitet. Depeche Mode setzen im gut 130-minütigen Set auf wenig Interaktion, ein paar nette „Thank Yous“ und die kurze Bandvorstellung ausgenommen, dafür füllt man die Zeit mit vielen Hits und sichtlich viel Spielfreude. Im Direktvergleich zeigt sich aber auch, dass die düsteren Songs des aktuellen Albums „Memento Mori“ nicht die Kraft von Klassikern wie „Just Can‘t Get Enough“ oder „Never Let Me Down Again“ erreichen - zumindest sind die neuen Lieder nicht unbedingt für große Stadien geeignet.

Vielleicht haben Depeche Mode damit aber schon Tracks für eine kuschelige Club-Tour in der Hinterhand - natürlich nur, falls man Lust hat. Die Stadien füllt man noch immer sehr gut, auch wenn das „Ausverkauft“-Schild in Klagenfurt in der Schublade blieb. Für eine Band, deren Image und auch Mitglieder heftig mit dem Tod flirten, sind die Briten noch immer mehr als lebendig. Abnützungserscheinungen aufgrund der langen Tour waren beim ersten Stelldichein in Kärnten noch nicht zu erkennen. Besonders schön zu sehen ist dafür, dass man den persönlichen und internen Krisen und Problemen trotzen und gestärkt daraus hervorgehen konnte. Dave Gahans Vampir-Look zum Trotz - ein vitaleres Lebenszeichen als im Wörthersee Stadion hätten uns Depeche Mode nicht liefern können.

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