Politiker & TV-Mogul

Italiens Skandal-Premier Berlusconi (86) ist tot

Ausland
12.06.2023 10:39

Fernsehen, Frauen und Politik: Diese drei Begriffe umreißen die Lebensinhalte des Tycoons und Ex-Premiers Silvio Berlusconi, der Montagfrüh im Alter von 86 Jahren gestorben ist. Wie keine andere Persönlichkeit hat der Mailänder Medienmogul Italiens jüngere Geschichte beeinflusst. Trotz Justiz- und Gesundheitsproblemen war er seit Mitte der 1990er Jahre ein fixer Bestandteil der italienischen Politik, zuletzt als Juniorpartner in der Regierung von Giorgia Meloni.

Mit starkem Griff hat der Großunternehmer und Medienzar seine 1993 gegründete Mitte-Rechts-Partei Forza Italia geleitet, die die Regierung von Meloni unterstützt. Vier Regierungen hat Berlusconi zwischen 1994 und 2011 geführt, die Italiens politische Szene zutiefst geprägt haben. Nicht umsonst wird in Italien oft der Begriff „Berlusconismo“ verwendet, der für eine moderne Form des Populismus im rechten politischen Spektrum steht.

Als Staubsaugervertreter begonnen
Der 1936 in Mailand als Sohn eines Bankangestellten geborene Berlusconi begann seine Laufbahn als Staubsaugervertreter und Conferencier auf Kreuzfahrtschiffen. Mit 25 Jahren hatte er den Doktortitel der Rechtswissenschaften der Universität Mailand in der Tasche und eine Riesenkarriere im Sinn. Im Jahr 1961 stieg er in die Baubranche ein. Er erwarb mit teils undurchsichtigen Bankkrediten in der Peripherie der expandierenden lombardischen Wirtschaftsmetropole Grundstücke, auf denen er Wohnsiedlungen errichtete. In den folgenden Jahren ließ er ganze Stadtviertel entstehen.

Parallel dazu wurde Berlusconi in den 70er-Jahren in der Medienbranche aktiv. 1977 begann der „Cavaliere“ - wie er sich als Träger des Verdienstordens „Ritter der Arbeit“ nennen ließ - seine Karriere im Mediengeschäft. Nach und nach baute er sich ein Netz von privaten TV-Sendern auf, das bald mit Abstand zum größten seiner Art in Europa wurde. Dass er dabei von oft zwielichtigen Freundschaften in Politik und Finanzwelt profitiert habe, warf man ihm immer wieder vor. In den 1980er Jahren stieg der Unternehmer auch ins Fußballgeschäft ein. Er erwarb den krisengeschüttelten Fußballklub AC Milan, den er in wenigen Jahren zu einer der stärksten europäischen Mannschaften machte.

Italiens Ausnahme-Premier
Im Herbst 1993 begann der TV-Magnat schließlich seine politische Karriere. Er verzichtete darauf, sich persönlich um seine Holding Fininvest zu kümmern, deren Eigentümer er aber blieb, und gründete die rechtskonservative Partei Forza Italia. Der Begriff stammt - bei Berlusconi kaum anders zu erwarten - aus dem Fußballjargon und bedeutet sinngemäß „Vorwärts Italien“. 1994 gewann er die Parlaments- und Europawahlen an der Spitze einer Mitte-Rechts-Allianz. Als einzigem Premier in der republikanischen Geschichte des politisch instabilen Italiens gelang es Berlusconi, eine ganze fünfjährige Legislaturperiode im Amt zu bleiben.

Korruptionsaffären und Skandale
Justizfragen überschatteten Berlusconis politische Karriere seit seinem Einstieg in die Politik. 2013 wurde er wegen Steuerbetrugs zu vier Jahren Haft verurteilt. Daraufhin musste er aus dem Parlament ausscheiden. Die Strafe wurde wegen einer Amnestie auf ein Jahr reduziert. Aufgrund seines hohen Alters leistete Berlusconi zehn Monate Sozialdienst in einem Altersheim als alternative Strafe zur Haft. Am Ende eines langwierigen Verfahrens wurde der TV-Tycoon 2020 in letzter Instanz von den Vorwürfen der Begünstigung von Prostitution Minderjähriger und des Amtsmissbrauchs freigesprochen.

Allerdings erhärtete sich später der Verdacht, dass er dem marokkanischen Callgirl Ruby ein Schweigegeld in Höhe von sieben Millionen Euro und Zeugen für ihr Schweigen Millionen gezahlt haben soll. Ruby ging als 17-Jährige bei den berüchtigten Bunga-Bunga-Partys mit vielen jungen Frauen in Berlusconis Mailänder Residenz ein und aus. Wegen des Verdachts der Zeugenbestechung liefen mehrere Strafverfahren, die erst kürzlich mit einem Freispruch Berlusconis endeten.

Putin-Freund mit Sex-Affären
In seinen letzten Lebensmonaten erlebte Berlusconi eine neue politische Jugend. Der Ex-Ministerpräsident kehrte nach den Parlamentswahlen im September als Senator im italienischen Parlament zurück. Als Chef der Koalitionspartei Forza Italia konnte er einige Minister in das Kabinett von Meloni hieven. Allerdings war er längst nicht mehr der strahlende Milliardär, der Wladimir Putin in seiner Villa auf Sardinien traf und die Welt mit seinen Sex-Affären im Bann hielt. Im Senat wirkte Berlusconi oft hilflos, einsam und angeschlagen, ehe er Anfang April wegen Leukämie ins Mailänder San-Raffaele-Krankenhaus eingeliefert wurde und dort zwölf Tage auf der Intensivstation verbringen musste.

Erst am 19. Mai war Berlusconi nach 45 Tagen Aufenthalt aus dem Krankenhaus entlassen worden, in dem er wegen einer Lungeninfektion behandelt worden war. Er hatte zwölf Tage auf der Intensivstation verbracht. Damals signalisierte er neue Tatkraft und sprach davon, seine Partei neu strukturieren zu wollen. Diesen Plan konnte er aber nicht mehr umsetzen. Am Freitag kam er neuerlich ins Krankenhaus, zu Kontrolluntersuchungen wegen seiner chronischen Leukämie, wie es zunächst hieß.

Salvini kondoliert
Dort verstarb er am Montag, nachdem er noch Besuch von seinen Kindern Marina, Eleonora, Barbara und Pier Silvio Berlusconi hatte. Die Programme von Berlusconis TV-Kanälen wurden unterbrochen, um den Tod des Medientycoons bekannt zu geben. Politiker aus allen Lagern kondolierten der Familie. „Silvio Berlusconi war vor allem ein Kämpfer, er war ein Mann, der nie Angst hatte, seine Überzeugungen zu verteidigen, und genau dieser Mut und diese Entschlossenheit machten ihn zu einem der einflussreichsten Männer in der Geschichte Italiens“, so Regierungschefin Meloni. „Wir verlieren einen großen Italiener“, erklärte der Chef der rechten Lega Matteo Salvini.

Berlusconi hinterlässt fünf Kinder aus zwei gescheiterten Ehen. Von 1965 bis 1985 war er mit Carla Elvira Dall‘Oglio verheiratet, von 1990 bis 2009 mit Veronica Lario. Letzte Lebensgefährtin war seit dem Jahr 2020 die erst 33-jährige Forza-Italia-Abgeordnete Marta Fascina, mit der Berlusconi nach zwei kostspieligen Scheidungen nur einen „symbolischen“ Bund fürs Leben geschlossen hatte. Das Medienimperium Fininvest führt schon jahrelang sein ältester Sohn Pier (54).

Berlusconis Leichnam soll Medienberichten zufolge in seiner Residenz in Arcore aufgebahrt werden. Gerechnet wird mit einem Staatsbegräbnis im Mailänder Dom im Laufe dieser Woche, berichteten italienische Medien.

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