Wichtiger Nischenmarkt

Diese Russland-Sanktion wollen Belgier verhindern

Ausland
23.11.2022 11:42

Die Europäische Union hat seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine zahlreiche Sanktionen gegen Moskau erlassen. Dabei wurden etwa ein Erdöl-Embargo beschlossen, zahlreiche Vermögen von russischen Staatsbürgern eingefroren und die Einfuhr bestimmter Güter wie Gold, Wodka und Kaviar gestoppt - verschont blieben allerdings russische Diamanten. Eine Beeinträchtigung dieser Luxusbranche will vor allem Belgien verhindern.

Belgien - das Land, in dem die EU ihren Hauptsitz hat, spielt nämlich eine Schlüsselrolle in der Diamantenindustrie und setzt sich in den Sanktionsverhandlungen immer wieder dafür ein, dass russischen Steine von den Maßnahmen ausgeschlossen bleiben. Antwerpen gilt seit dem 15. Jahrhundert als einer der Knotenpunkte für das Geschäft mit den Edelsteinen. Diskret und vertraulich werden hier laut Antwerp World Diamond Centre jährlich 37 Milliarden Euro umgesetzt. Auf die Frage, woher die Brillanten kommen, antwortet ein Juwelier mit einem Lachen: „Ich frage lieber nicht nach.“

Seine Zurückhaltung ist nicht ganz unbegründet. Die Rohdiamanten stammen aus Angola, Kongo, Sierra Leone, Südafrika und auch aus Russland, wie Sigal Vantzovski, Besitzerin von Binson Diamonds in Antwerpen, erklärt. Sie werden nach Belgien gebracht, um in Manufakturen poliert zu werden. Die Diamanten werden anschließend zu Schmuckstücken weiterverarbeitet und unter anderem in ihrem Laden verkauft.

Angaben des russischen Finanzministeriums zufolge exportierte Russland im Jahr 2021 über 48,6 Millionen Karat Rohdiamanten ins Ausland - das höchste Volumen seit Beginn des Beobachtungszeitraums 2007. Der monetäre Umsatz wurde nicht beziffert. Die wichtigsten Exportziele: Die Vereinigten Arabischen Emirate und eben Belgien.

Ökonom warnt vor Verlagerung nach Dubai oder Mumbai
Aus ökonomischer Sicht würde sich Europa mit Sanktionen selber schaden, meint der Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Antwerpen, Koen Vandenbempt. Durch einen Stopp der Einfuhr russischer Rohdiamanten würde eine Industrie verloren gehen und sich nach Dubai oder Mumbai verlagern - Orte, an denen weitaus weniger Wert auf Transparenz oder Nachhaltigkeit gelegt werden würde als in Antwerpen, sagt Vandenbempt.

Da sich viele Länder wie Indien, Israel oder die Vereinigten Arabischen Emirate einem Boykott nicht anschließen würden, fänden die russischen Steine letztendlich darüber ihren Weg in den Weltmarkt, erklärt Joachim Dünkelmann vom deutschen Bundesverband der Juweliere, Schmuck- und Uhrenfachgeschäfte (BJV). „Eine Verschärfung der Vorschriften oder Gesetze gegen Russland hätte hierauf keinen Einfluss.“

Kreml profitiert vom Brillanten-Rausch
Da der russische Diamanten-Gigant Alrosa nach eigener Darstellung „teilweise“ dem Staat gehört, profitiert der Kreml höchstwahrscheinlich ebenfalls vom Brillanten-Rausch. Im Gegensatz zu Vandenbempt betont Rohstoffexpertin Larisa Stanciu, dass durch ein Verbot der Einfuhr russischer Rohdiamanten weniger Geld über Alrosa in die Staatskasse fließen würde. „Dies würde sich sowohl direkt als auch indirekt auf den Haushalt zur Unterstützung des Krieges auswirken, obwohl die Einnahmen aus dem Diamantenhandel deutlich geringer sind als die Einnahmen aus dem Gas- und Ölhandel.“

Auch Alrosa-CEO Sergej Iwanow ist kein Unbekannter. Er gehörte zu den ersten Oligarchen aus Wladimir Putins Kreisen, die von den Vereinigten Staaten sanktioniert wurden. Während die Europäische Union zögert, hat die US-Regierung bereits kurz nach Kriegsausbruch Sanktionen gegen Alrosa verhängt und anschließend verschärft.

Auch US-Sanktionen löchrig
Allerdings gibt es auch hier Schlupflöcher: Sollte ein Diamant in einem anderen Land signifikant verändert worden sein, darf er diese Region als Herkunft beanspruchen, heißt es im US-Sanktionstext. Folglich könnten russische Edelsteine, die beispielsweise in Indien poliert wurden, weiterhin nach Amerika eingeführt werden und ihren Ursprung verschleiern. So bleibt der noble Nischenmarkt mit einem Milliardenumsatz praktisch unangetastet.

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