Personalnotstand, „vollgestopfte“ Klassen, fehlende Planungssicherheit für das nächste Schuljahr: Verzweifelte Eltern und Pädagogen schildern der „Krone“ die angespannte Lage an den Wiener Pflichtschulen.
Eltern der Initiative „Bessere Schule Jetzt“ schlagen Alarm! Wenige Wochen vor Schulschluss wissen viele Wiener Pflichtschulen wieder nicht, wie es im nächsten Schuljahr weitergehen soll. Damit ist die Unsicherheit gemeint, ob alle Lehrer an den Standorten weiterbeschäftigt bzw. seit Jahren bewährte pädagogische Konzepte weitergeführt werden können, weil nicht klar ist, wie viele Stunden und damit Lehrpersonen in den Schulen zur Verfügung stehen werden.
Besonders betroffen sind Mehrstufen- und Integrationsklassen. Saßen früher höchstens 21 Kinder in der Klasse, sind es jetzt mindestens 25. „Ich habe mich bewusst für diese Schule entschieden“, erzählt Irene M., Mutter einer Achtjährigen. Doch von Schuljahr zu Schuljahr wurden die Ressourcen weniger. „Durch Stundenkürzung gibt es weniger Fördermöglichkeiten für nächstes Jahr“, erzählt sie.
Durch Stundenkürzung gibt es weniger Fördermöglichkeiten für nächstes Jahr.
Irene M., besorgte Mutter
Corona habe den Kindern schon massiv geschadet, und es gebe großen Aufholbedarf. Die Lehrer würden ihr Bestes geben, aber mit 25 und mehr Kindern pro Klasse sei es unmöglich, auf jedes Kind einzugehen. Die Bildungsdirektion erklärt das so: „Klar ist, dass die Deckelung des sonderpädagogischen Förderbedarfs durch den Bund den realen Bedarf in diesem Bereich nicht abdeckt.“
Ein weiterer Kritikpunkt auf der Agenda der Initiative betrifft den Lehrermangel. Pädagogen hätten immer weniger Ressourcen für qualitative pädagogische Arbeit, gleichzeitig immer mehr administrative Aufgaben und zu wenig Unterstützung durch (beispielsweise) Schulpsychologen. Aus diesem Grund wird am 21. Juni wieder demonstriert.
Zwei Lehrer: „Es wird alles immer schlechter“
Wir haben auch mit zwei Pädagogen gesprochen, die anonym bleiben wollen. Beide haben sich aus Überzeugung für diesen Beruf entschieden. Mittlerweile sind aber auch sie frustriert. Kein Personal, größere Klassen und anspruchsvollere Kinder. Beide haben schon öfters daran gedacht aufzuhören. „Ich mache meinen Job gerne, aber wenn die Ressourcen weiter gekürzt werden, dann wird die psychische Belastung zu groß“, sagt eine langjährige Sonderpädagogin.
Auch ÖVP-Bildungssprecher Harald Zierfuß übt Kritik: „Es ist unverständlich, wieso in Wien drei Kinder mehr pro Klasse sitzen als in Niederösterreich.“ Die Antwort ist einfach: Es gibt keine Lehrer.
Die „Krone“ fragte beim Obersten Pflichtschullehrer-Personalvertreter Thomas Krebs (FCG) nach:
„Krone“: Ist die Personalnot wirklich so schlimm?
Thomas Krebs: Nicht selten müssen Freizeitpädagogen Stunden übernehmen. Sogar Schulwarte müssen manchmal einspringen und die Klasse beaufsichtigen.
Ist für den Herbst eine Besserung in Sicht?
Ende Mai hat die Bewerbungsfrist geendet. Es haben sich zwar einige beworben, aber nur ein Viertel davon ist qualifiziert.
Was meinen Sie mit qualifiziert?
Nur sehr wenige Bewerber können ein abgeschlossenes Lehramtsstudium vorweisen, viele studieren noch oder haben überhaupt andere Ausbildungen. Auch in Wien gibt es einige Sonderverträge, dafür reicht sogar nur ein Maturaabschluss.
Warum ist es so schwer, Lehrer zu finden?
Wir haben die Lehrer jahrelang beschimpft, ihnen keine Wertschätzung entgegengebracht, die Rechnung wird uns jetzt präsentiert. Und alle Bundesländer suchen Lehrer, aber in Wien kommt dazu, dass es größere Klassen gibt, die Schüler teils anspruchsvoller sind. Und nicht zu vergessen ist das Parkpickerl.
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