Jurist im Interview

„Man wollte die Ibiza-Hintermänner finden“

Österreich
30.03.2022 17:50

Als Drogenhändler wurde Ibiza-Detektiv Julian Hessenthaler (41) verurteilt: dreieinhalb Jahre Haft für den Handel mit 1,25 Kilo Kokain! Seiner Behauptung, er sei nur Opfer eines korrupten rechten Polit-Netzwerkes, schenkte der Senat keinen Glauben. Einer seiner Verteidiger, Oliver Scherbaum, im großen „Krone“-Interview über den aufsehenerregenden Prozess. 

Das ganze Verfahren hätte nur einen Zweck gehabt, sagt Oliver Scherbaum, Verteidiger des nun verurteilten Ibiza-Drahtziehers Julian Hessenthaler, im Interview auf krone.tv: an die Hintermänner des Ibiza-Videos zu kommen. Ein reiner Drogenprozess wäre völlig anders verlaufen. „Schwere Vorwürfe mussten her, und die wurden auch mithilfe höchst fragwürdiger Zeugen gefunden“, so Scherbaum.

Fragwürdige Zeugen, verlorenes Vertrauen
Verstrickungen zu Novomatic-nahen Medienmachern, gefälschte Beweise, widersprüchliche Zeugenaussagen - der Anwalt nannte zahlreiche Aspekte des Verfahrens, die aus Sicht seines Mandanten fragwürdig waren. „Die Justiz hat eine große Chance vertan, das verlorene Vertrauen in den Rechtsstaat zurückzugewinnen.“

„Drogenvorwürfe mussten her“
Die Staatsanwaltschaft versuchte bis zuletzt, das Ibiza-Video von dem Drogenprozess zu trennen. „Man kann das nicht trennen“, sagt Scherbaum. „Weil man die Hintermänner zu Ibiza finden wollte, mussten diese Drogenvorwürfe her“, wiederholte der Jurist auf krone.tv seinen Vorwurf gegen die Justiz. Hessenthaler sei ein Whistleblower, der zu Unrecht als Drogenhändler kriminalisiert werde - von einem rechten Netzwerk mit beträchtlichen Geldmitteln im Hintergrund.

Staubsaugerbeutel voll mit Kokain
Für Staatsanwalt Bernd Schneider war die Sache hingegen klar: „Auch wenn die Verteidigung einen Zusammenhang herstellen will, geht es hier nicht um das Ibiza-Video.“ Der Ankläger schildert, dass der Drogenverdacht gegen Hessenthaler rein zufällig aufgekommen ist: „Nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos gab es Hausdurchsuchungen. Dabei fanden wir in einem Staubsaugerbeutel hundert Gramm Kokain.“ Die Besitzerin legte eine Beichte ab und belastete den Angeklagten schwer.

Richter zeigte sich überzeugt
Der Richter folgte dieser Argumentation: „Dass Aussagen nicht völlig übereinstimmen, kommt in Drogenverfahren häufig vor.“ Sehr kritisch wandte er sich gegen die insistierenden Forderungen der Verteidigung nach einem Freispruch: „Es wurde hier der Eindruck erweckt, nur ein Freispruch sei ein richtiges Urteil und wer einen Schuldspruch fällt, sei Teil des Polit-Netzwerkes. Das ist nicht der Fall.“ Und eine von der Verteidigung thematisierte Zahlung von 50.000 Euro an einen Belastungszeugen würde in keinem Zusammenhang zu seiner Aussage stehen: „Da fehlt der zeitliche Konnex.“ 

„Ich verstehe die Entscheidung des Senats nicht, ich bin erschüttert“, so Scherbaum. Nun werde man berufen. „Das Gericht hätte meinen Mandanten freisprechen müssen. Ein besorgniserregendes Urteil.“

Peter Grotter
Peter Grotter
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