Ehre und Verantwortung

Welterbe: Was es wert ist, erhalten zu bleiben

Österreich
26.07.2021 06:00

Baden bei Wien ist seit dem Wochenende das jüngste österreichische Weltkulturerbe. Auf der UNESCO-Liste zu sein, verheißt Ehre - und heißt Verantwortung. Dreimal wurde der Titel wieder aberkannt, zuletzt Liverpool. Wien und Graz zittern. Wie der Mensch sein Vermächtnis (nicht) bewahrt.

Was haben etwa die österreichische Semmeringeisenbahn, die Freiheitsstatue von Amerika und die Inkastadt Machu Picchu in den peruanischen Anden gemeinsam? Richtig. Sie sind auf der UNESCO-Welterbe-Liste zu finden. Welche Bedeutung dieser Liste zukommt, wird deutlich, wenn man die Erklärung hört: Sie ist „ein Spiegel des vielfältigen Reichtums an globalem Kultur- und Naturerbe, das es gilt, nachhaltig zu schützen und zu bewahren“, heißt es seitens der UNESCO.

„Meisterhafte Zeugnisse“ vergangener Kulturen, Naturlandschaften, deren Zerstörung „ein unersetzlicher Verlust für die gesamte Menschheit“ wäre: „Sie zu schützen, liegt nicht allein in der Verantwortung eines einzelnen Staates, sondern ist auch Aufgabe der Völkergemeinschaft.“

Natürlich steht hinter dem Schutzauftrag auch ein Gewinn für das einzelne Land. Denn wessen Stätten es auf die Liste schaffen, dem hilft der Titel in touristischen Belangen, bei der Beantragung von Zuschüssen usw. Er ist begehrt, selbst wenn er mancherorts innerstaatlich zu Konflikten führt – immerhin müssen Vorgaben eingehalten, Kriterien erfüllt werden.

Doch der Mensch setzt das, was es wert wäre zu bewahren, auch hier aufs Spiel: etwa mit Krieg und Zerstörung, Umweltverschmutzung, Verstädterung und Bauvorhaben. Das kann die geehrten Stätten auf die Rote Liste des gefährdeten Welterbes bringen. Derzeit sind dort 54 aufgelistet.

Titel wurde in 50 Jahren dreimal entzogen
Wird der „außergewöhnliche universelle Wert“ nachhaltig beschädigt oder gar zerstört, fällt der Titel. In fast 50 Jahren hat die UNESCO diesen erst dreimal wieder entzogen: 2007 dem „Arabischen Oryx-Antilopen Schutzgebiet“, nachdem der Oman das Gebiet verkleinert hatte, 2009 der Kulturlandschaft des Dresdner Elbtals in Deutschland aufgrund eines Autobahn-Baus. Und kürzlich erlangte auch die Hafenstadt Liverpool diese ruhmlose Ehre – wegen Bauprojekten. Wien und Graz zittern.

  • Bauprojekte zerstören Erbe
    Das britische Liverpool gilt als maritime Handelsmetropole. Seit wenigen Tagen wurde der Stadt der Welterbe-Titel entzogen. Das Komitee sieht den Wert der Hafenstadt durch zahlreiche Bauprojekte beschädigt. Sechs Orte im historischen Zentrum und dem Hafengebiet standen seit 2004 auf der Welterbeliste. Seit 2012 war der Welterbestatus wegen substanzieller Eingriffe im Rahmen des Bauprojekts „Liverpool Waters“ gefährdet. Am Ende führte Liverpools Verzicht auf Änderungen an der Planung und neue Infrastrukturprojekte im historischen Hafengebiet sowie der bereits genehmigte Bau eines Fußballstadions am Bramley-Moore-Dock zur Aberkennung des Titels.
  • Mit Brücke flog Titel
    Das Dresdner Elbtal in Deutschland verlor wegen des Baus der Waldschlößchenbrücke 2009 seinen Welterbe-Titel. Die UNESCO setzte das Tal auf die Rote Liste, da der Brückenbau die wertvolle Kulturlandschaft an ihrer schönsten Stelle zerschneidet und irreversible Schäden anrichtet. Die Organisation gewährte sogar eine einjährige Gnadenfrist, um auf die Errichtung zu verzichten. Zudem wurden Maßnahmen getroffen, um den Bau zu stoppen. Eine Bürgerbewegung forderte sogar einen Tunnel, um die Verschandelung des Flusstals und eine Zerstörung der Kulturlandschaft zu vermeiden. Die Aberkennung bedeutete für den deutschen Denkmalschutz einen erheblichen Verlust an Renommee.
  • Die UNESCO wird ungeduldig
    Seit mittlerweile elf Jahren klafft eine riesige „Wunde“ in der historischen Grazer Dächerlandschaft - für den Erhalt des Status als Weltkulturerbe müsste das Dach des Traditionskaufhauses Kastner & Öhler eigentlich mit bronzebeschichteten Platten verkleidet werden, um sich eben an die Umgebung anzupassen. Doch passiert ist bisher nicht viel. „Wir stehen unter genauer Beobachtung, auch die Geduld der UNESCO ist enden wollend - es wird jetzt wirklich Zeit für die finale Umsetzung der Pläne“, stellt der städtische Baudirektor Bertram Werle klar. Bisher steht man aber nicht auf der Roten Liste, und so wird bis zu einer Lösung wohl noch viel Wasser die Mur herunterfließen.
  • Gemeinsame Lösung rückt näher
    Das historische Zentrum von Wien wurde im Jahr 2001 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen. Die 371 Hektar große Kernzone umfasst rund 1600 Objekte und besteht aus dem 1. Bezirk und einigen angrenzenden Gebieten. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass sich das Mittelalter, das Barock und die Gründerzeit in der Architektur wiederfinden. Seit dem Jahr 2017 befindet sich Wien allerdings auf der Roten Liste. Grund dafür ist das Hochhausprojekt auf dem Heumarkt. Seitdem laufen Gespräche, um eine Einigung zu erzielen. So wurde zuletzt vom zuständigen Komitee ein Maßnahmenplan von Bund und Stadt abgenickt, der eine „welterbeverträgliche Lösung“ bringen soll.

Daten & Fakten

  • Die UNESCO-Welterbeliste umfasst aktuell 1121 Stätten aus 167 Ländern: 869 Kultur- und 213 Naturstätten; 39 Stätten gehören zu beiden.
  • Österreich ratifizierte das UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes am 18.12.1992, in Kraft trat es drei Monate später.
  • Seine zehn Welterbestätten: die historischen Zentren von Salzburg, Wien, Graz (mit Schloss Eggenberg), Schönbrunn, die Regionen Hallstatt-Dachstein/Salzkammergut und Neusiedler See, die Semmeringeisenbahn, die Prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen.
  • Alle Infos: www.unesco.at
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