Nach zwei langen Sitzungstagen gehen die Mitglieder des Landtags in die Sommerpause. Landtagspräsident Harald Sonderegger über die turbulenten Monate, in denen aber fraktionsübergreifend Einigkeit herrschte.
Krone: Was war die größte Herausforderung während der vergangenen Monate?
Harald Sonderegger: Im Prinzip die Anpassung an die sich ständig ändernde Pandemiesituation. Das war organisatorisch schon eine größere Herausforderung. Es mussten Regelungen getroffen werden, um trotz allem einen ordentlichen Landtagsbetrieb sicherzustellen. Mitarbeiter und alle politisch Tätigen waren gefordert - so konnten schließlich alle Landtags- und Ausschusssitzungen planmäßig abgehalten werden.
Rein vom Gesetz her,hätten Landtagsmitglieder keine strengen Regeln wie etwa das Tragen von Masken einhalten müssen. Warum?
Es ist richtig, dass sämtliche COVID-Verordnungen, die auf Bundes- oder Landesebene erlassen wurden, nicht für gesetzgebende Institutionen gelten. Das hat nichts mit Privilegierung zu tun, sondern hat seinen Hintergrund in den Zeiten des Ständestaats. Und im absoluten Bewusstsein, dass die Gewaltenteilung auch gewahrt werden muss.
Weil?
Die Gesetzgebung darf nie von der Exekutive ausgeschaltet werden. Man stelle sich vor, dass ein Minister per Verordnung Regelungen treffen könnte, dass die ihn kontrollierenden Organe - nämlich die Gesetzgebung - nicht mehr tagen könnten. Genau aus diesem Grund wurden die Parlamente von den Verordnungen ausgenommen. Aber wir haben immer versucht, uns an dem zu orientieren, was auch für die Bevölkerung galt.
In anderen Parlamenten hat es entsprechenden Debatten über das Tragen von Masken gegeben. Wir haben keine Zeit damit verschwenden müssen.
Harald Sonderegger
Während der Sitzungen haben alle Masken getragen, Abstände wurden eingehalten. Mussten Sie viel Überzeugungsarbeit leisten?
Nein. Im Gegenteil. Ich bin sehr dankbar, dass alle Fraktionen einhellig den Vorschlägen gefolgt sind und sehr lösungsorientiert mitgearbeitet haben. Ich glaube, da können wir als Vorarlberger Landtag stolz sein. Bei uns hat es immer geklappt, in anderen Parlamenten war das nicht immer der Fall. Dort hat es auch die bekannten Debatten gegeben. Wir haben keine Zeit damit verschwendet.
Die Abgeordneten saßen zum Teil auf der Gästetribüne. Warum sind Sie nicht ins Festspielhaus ausgewandert?
Die Abgeordneten waren bereit, sich über das gesamte Plenum inklusive Besuchergalerie zu verteilen. Dadurch haben wir auch für den Steuerzahler viel Geld gespart. Wir mussten keine Räume anmieten, keine Technik für Aufzeichnungen oder Übertragungen installieren. Mitarbeiter konnten im Montfortsaal die Übertragung sehen, die Öffentlichkeit die Sitzung live im Netz mitverfolgen.
Auch die Mitglieder des Landtags blieben nicht vor dem Virus verschont. Nach der Sitzung im Herbst gab es vier Infizierte. Was waren die Konsequenzen?
Wir haben umgehend eine Sondertestung für alle Abgeordneten veranlasst. Die ist grundsätzlich gut verlaufen. Interessant war, dass es eine Abgeordnete gab, die vier bis fünf Tage nach der Sitzung mittels Schnelltest negativ getestet worden war. Weil es aber dieses spezielle Testangebot für Abgeordnete gab, hat sie dieses auch wahrgenommen und ist dann tatsächlich positiv getestet worden. Die Landtagsarbeit selbst wurde durch die Infektionen nicht dramatisch beeinflusst. Die Plenarsitzung ist ja alle vier Wochen, somit waren bis dahin eigentlich alle wieder halbwegs fit. Bei Ausschüssen gibt es Stellvertreterregelungen.
Was war der wichtigste Beschluss, der im vergangenen Jahr getroffen wurde?
Zum einen gab es die COVID-Sammelnovelle. Es war hohe Dringlichkeit gegeben, das politische Leben sowie jenes in unterschiedlichen Einrichtungen und Organisationen aufrechtzuerhalten. Deswegen wurden gewisse Erleichterungen beschlossen, um die Arbeitsfähigkeit sicherzustellen und digitale Nutzungen zu ermöglichen. Der zweite wichtige Beschluss war, dass der Landtag der Regierung die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt hat. Damit konnten die Regierungsmitglieder aktiv tätig werden und nicht nur Ausfälle nach dem Einbruch der Ertragsanteile kompensieren. Dort, wo die Bundeshilfen nicht schlagend wurden, wurden landeseigene Förder- und Unterstützungsprogramme erstellt.
Harald Sonderegger, geboren am 19. Februar 1964 in Bludenz, studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Innsbruck und Wien. Bis er 1995 zum Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Schlins gewählt wurde, arbeitete er als Verwaltungsjurist bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz. Im Mai 2013 folgte er Andrea Kaufmann als Landesrätin nach, die das Bürgermeisteramt in Dornbirn übernahm. Im Oktober 2014 wurde Harald Sonderegger zum Präsidenten des Vorarlberger Landtags gewählt. 2019 wurde er in diesem Amt bestätigt.
Was wird die größte Herausforderung ab dem kommenden Herbst sein?
Die größte Frage wird sein, wie nahe wir mit den Impfungen und Genesenen an die erwünschte Herdenimmunität herankommen werden, denn das Virus wird nicht verschwinden. Es ist gut, dass wir heute mehr wissen, dass wir aus der Modellregion gelernt haben und dass wir dort, wo Infektionen auftreten sehr schnell und konsequent eingreifen, um weiteren Verbreitungen Herr zu werden. Gleichzeitig glaube ich, dass wir uns im Herbst mit der Frage beschäftigen müssen, ob und wann es den Zeitpunkt gibt, ab dem man eine gewisse Infektionslage tolerieren kann - eben weil die Gesundheitssysteme nicht mehr akut gefährdet sind. Es wird alles darauf hinauslaufen, dass es klügere Antworten als Lockdowns geben muss.
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