Wehrpflicht-Debatte

Nach NR-Sitzung: Pröll gibt Darabos “letzte Chance”

Österreich
05.02.2011 14:12
Gestern ein bisschen Zuckerbrot - heute viel Peitsche für Norbert Darabos: Nachdem die ÖVP dem Minister am Freitag bei den Misstrauensanträgen im Nationalrat die Mauer gemacht hat, spricht Parteichef Josef Pröll jetzt eine deutliche Warnung an Darabos aus. Dies sei Darabos' "letzte Chance", sagte der Vizekanzler Samstagmittag im Radio Ö1: "Fehler, wie sie passiert sind, sind nicht mehr drinnen." Für die Opposition enttarnt sich die rot-schwarze Koalition damit als "Scheinehe".

Mit Kritik an Darabos sparte Pröll nicht. Dieser habe ebenso wie Sozialminister Rudolf Hundstorfer bei den Alternativmodellen zu Wehrpflicht und Zivildienst "auf breiter Ebene getäuscht". Darabos führe eine "populistische Debatte auf dem Rücken der Sicherheit der Menschen in dem Land." Die SPÖ habe sich "verrannt". Er denke aber, dass der Verteidigungsminister das Signal verstanden habe.

Zivildienst-Berechnungen geschönt?
Hintergrund der Kritik Prölls sind in den letzten Tagen aufgekommene Zweifel am Zivildienst-Ersatzmodell der SPÖ. Ähnlich wie Darabos vorgeworfen wird, er habe die Kosten geschönt, soll auch im Hundstorfer-Ressort bei den Berechnungen getrickst worden sein. Das freiwillige Sozialjahr soll nicht wie behauptet fünf, sondern gut 27 Millionen Euro teurer als der gegenwärtige Zivildienst kommen.

Die SPÖ wehrte sich am Samstag gegen Kritik von ÖVP und Grünen: "Es wurde nicht falsch gerechnet", erklärte Sozialsprecherin Renate Csörgits. Die Berechnungen der Kosten des präsentierten Grundmodells für das freiwillige Sozialjahr basierten auf Zahlen des Innenministeriums und von Trägerorganisationen. Csörgits konzedierte lediglich, dass man weitere Varianten seriös durchrechne, um Anregungen von Trägerorganisationen berücksichtigen zu können.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer betonte außerdem, dass bei den Gesamtkosten auch die Einnahmen aus der Lohnsteuer in Abzug zu bringen seien: "Wer das soziale Jahr absolviert, zahlt Lohnsteuer. Daraus resultieren Einnahmen auf Bundesseite, die die Kosten des Modells minimieren", erklärte Hundstorfer und forderte, wieder zu einer sachlichen und inhaltsbezogenen Diskussion zurückzukehren.

Eigenes VP-Modell erst nach Sicherheitsstrategie
Dass die ÖVP die Vorschläge von Darabos und auch sämtliche Modelle der Oppositionsparteien seit Wochen kategorisch ablehnt, aber selbst keine Vorschläge für eine Heeresreform bringt, wird laut Pröll zunächst weiterhin so bleiben. Ein VP-Modell werde man erst erstellen können, wenn die Sicherheitsstrategie geklärt sei. Klar machte der Vizekanzler am Samstag aber, dass die Volkspartei keinem Ende der Wehrpflicht zustimmen würde. Bestandteil des Konzepts solle eine "reformierte Wehrpflicht" sein. 

Den Vorstoß des niederösterreichischen Landeshauptmanns Erwin Pröll, die Dienstzeit auf fünf Monate zu verkürzen, bezeichnete der Vizekanzler als mögliche Variante. Priorität hat für den VP-Chef unverändert, gemeinsam mit der SPÖ eine Lösung zu finden. Ergebe sich diese nicht, scheue er sich auch nicht vor einer Volksbefragung über die unterschiedlichen Modelle. 

Opposition sieht Koalition am Zerfallen
Die Opposition wertet den Pröll-Warnschuss für Darabos indes als Beweis für zerrüttete Verhältnisse in der Koalition. Auch die Opposition ließ kein gutes Haar an den Aussagen des Vizekanzlers. "Das ist nur noch eine Scheinehe - aufrecht gehalten von der Angst vor Neuwahlen", sagte BZÖ-Generalsekretär Christian Ebner. Die Tatsache, dass die Spitze der ÖVP zur Heeresreform keine eigenen Ideen habe, könne Pröll zudem nicht verstecken. 

Auch FP-Chef Heinz-Christian Strache urteilte, dass die ÖVP in der Wehrpflicht-Debatte offenbar über keinerlei Konzepte verfüge. Zu befürchten sei, dass die Volkspartei in dieser Frage letztlich umfalle und unter einem "Tarnmäntelchen" wie "Wehrpflicht neu" ein Berufsheer eingeführt werde. Die Stimmung in der Koalition bewertete Strache als "ausgesprochen angespannt".

Grünen-Sicherheitssprecher Peter Pilz ärgerte sich wiederum, dass Pröll erneut das "alte Zwangsheer" verteidigt habe und somit wie in der Bildungspolitik notwendige Reformen verhindere. Pilz plädiert dafür, dass das Parlament noch im Februar mit der Erarbeitung einer neuen Sicherheitsdoktrin für Österreich starte und man sich schnell auf einen Termin für eine Volksbefragung über ein Aus für die Wehrpflicht einige.

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