Fünf Jahre A4-Drama

Als die Flüchtlingskrise das Herz Europas traf

Österreich
26.08.2020 06:05

Der 26. August 2015: Auf der Autobahn A4 bei Parndorf im Burgenland hält ein Lkw auf dem Pannenstreifen. Zwei Schlepper springen aus der Fahrerkabine, suchen das Weite. Tags darauf werden in dem Transporter die Leichen von 71 Männern, Frauen und Kindern entdeckt - die Flüchtlingskrise hatte das Herz Europas getroffen.

Ein tragisches Ereignis, das das Bild des Kontinents nachhaltig verändern sollte. Viel zu lang hatte die EU zu- und weggeschaut, ebnete Schlepperbanden so den Weg für deren kriminelles schmutziges Geschäft. Der Druck an den Grenzen stieg. Und nur wenige Tage später schwappte eine Welle von Migranten - Afghanen, Syrer, Iraker, Iraner - über Europa. Allein in Österreich suchten etwa 95.000 Flüchtlinge um Asyl an.

Infolge der Flüchtlingstragödie mit 71 Toten fand das Strafverfahren gegen die Schlepper in Ungarn statt, da die Flüchtlinge mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf dortigem Staatsgebiet ums Leben gekommen sind. Angeklagt waren insgesamt 14 Personen - zwei Afghanen, elf Bulgaren und ein bulgarisch-libanesischer Staatsbürger.

Schlepper zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt
Ein Gericht in Szeged verurteilte die vier Männer, die die Fahrt organisiert hatten, im Sommer 2019 rechtskräftig zu lebenslangen Gefängnisstrafen. Die übrigen zehn Angeklagten in dem Schlepper-Prozess wurden zu Strafen zwischen vier und acht Jahren verurteilt. Flüchtig sind nach wie vor der Siebent- und der Zwölftangeklagte, die zu jeweils acht Jahren Haft verurteilt wurden.

Als wesentliche Beweislast gegen die vier Hauptangeklagten galten Abhörprotokolle der ungarischen Polizei von den Telefonaten, die während der tödlichen Schleppung in der Nacht auf den 26. August 2015 zwischen den Bandenmitgliedern geführt worden waren. Aus den Aufnahmen geht nämlich sehr wohl hervor, dass sich alle im Klaren darüber waren, welcher Todeskampf sich im Frachtraum des Kühllastwagens abgespielt hatte, als die Männer, Frauen und Kinder klopften und voller Verzweiflung versuchten, die verriegelten Türen aufzubekommen bzw. Löcher in die Wände zu schneiden.

„Die Türen nicht öffnen, auch wenn sie sterben sollten“
Zunächst wollte der Lkw-Fahrer anhalten und sich von einem Begleitfahrer Wasser bringen lassen. Doch aus Angst um ihr Leben bzw. wegen der Gefahr, von der Polizei entdeckt zu werden, hielten sie nicht an. Auf mehrmalige besorgte Anrufe beim Bandenchef antwortet dieser mit den Worten: „Die Türen nicht öffnen, auch wenn sie sterben sollten. Sie sind Abschaum. Und wenn alle tot sind, leg sie in einem Wald in Deutschland ab.“

Selbst nach der Tragödie führte die kriminelle Vereinigung zwei weitere Schlepperfahrten durch und soll insgesamt rund 1200 Flüchtlinge in den Westen geschmuggelt haben.

Schlepper setzen Kühl-Container oder -Lkw, wie im Fall von Parndorf, übrigens laut Experten vor allem dann präferiert ein, wenn sie eine feste Beschalung, also eine sehr harte Außenhaut oder eine aus Metall aufweisen. Denn so wird der Empfang von sämtlichen Signalen wie etwa GPS unterbunden, die Geschleppten haben keinen Kontakt zur Außenwelt, und sie können gleichzeitig viel schwerer lokalisiert werden.

Kronen Zeitung/krone.at

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