Filzmaier-Analyse

Die Selbstzerstörung der FPÖ und Neuwahlen

Österreich
19.05.2019 06:00

Es gibt nichts, was es nicht gibt. Hier sollte ein Text über die Beteiligung an Wahlen zum Europäischen Parlament stehen. Das interessiert im Moment niemanden. Stattdessen hat Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache sich und seine Regierungspartei FPÖ in die Luft gesprengt.

Das Wichtigste zuerst: Was wir erlebt haben, hat nichts damit zu tun, dass Politiker versuchen, bei Medien zu intervenieren und die Berichterstattung irgendwie zu beeinflussen. Nein, der spätere Vizekanzler der Republik entwarf offenbar schwer betrunken Pläne, mit ausländischer Hilfe die „Krone“ als mit Abstand größte Tageszeitung des Landes zu kapern. Strache wollte unabhängige Journalisten eigenhändig hinauswerfen und stattdessen blaue FPÖ-Schreiberlinge anstellen und „aufbauen“. Das ist nicht bloß „Orbanismus“ wie in Ungarn, sondern das hörte sich aus Mediensicht an wie bei einem Möchtegern-Diktator.

Kuhhandel? Vergleich beleidigt jeden braven Landwirt
Ganz genauso übel ist es, über Staatsgeschäfte als führender Politiker zu schwadronieren, als wären sie der billigste Kuhhandel. Was man so nicht sagen sollte, denn der Vergleich beleidigt jeden braven Landwirt. Das Auftreten von Heinz-Christian Strache war - so sagt er inzwischen selbst wörtlich - dumm, unverantwortlich, peinlich und katastrophal.

Er führte sich auf, als könne er für die Republik Österreich Aufträge an eine vermeintlich russische Geldgeberin wie Freikarten für ein Fußballspiel vergeben. Oder Gratisgetränke im Bierzelt. Dass er zugleich betonte, dabei müsse alles rechtlich in Ordnung sein, klingt wie Hohn. Wenn das kein politischer Rücktrittsgrund ist, was sonst?

Es geht also gar nicht darum, ob Straches Aussagen rechtlich ein Problem darstellen. Wer sich so wie er und sein Klubobmann im Parlament Johann Gudenus gibt, hat in den höchsten Ämtern unseres Landes nichts verloren. Das können auch Nebelgranaten und Ablenkungsmanöver der FPÖ nicht verschleiern.

Video: Alles, was Sie über das Skandal-Video wissen müssen

Echtheit des Videos wird nicht bestritten
Es ist spannend, wer das Video gedreht hat. Das ändert aber rein gar nichts an seinem erschütternden Inhalt. Dafür sind allein Strache und Gudenus verantwortlich, und sie bestreiten auch nicht, dass das Video echt ist. Somit blieb nur die Frage, was Bundeskanzler Kurz macht. Letztlich war der Weg in Neuwahlen seine einzige Möglichkeit. Was sonst hätte er denn tun sollen? Mit anderen Politikern der FPÖ weitermachen, die bisher Straches engste Vertraute waren und ausgerechnet dieser ihm vorgeschlagen hat?

Das geht nicht. Nach unserer Bundesverfassung wären rein theoretisch auch ein fliegender Koalitionswechsel zur SPÖ oder eine Minderheitsregierung mit deren Unterstützung möglich gewesen. Doch warum sollten die Sozialdemokraten da mitmachen und Kurz die Mehrheit erhalten? Denn ganz frei von allen Vorwürfen kann der Bundeskanzler sich nicht spielen. Niemand ist direkt dafür verantwortlich, was sein Partner anstellt, doch man hat ihn sich ausgesucht. Der Skandalfall Strache und Gudenus ist ja nicht ideologisch, also geht es nicht um rechts oder links. Es bestanden ganz unabhängig davon Zweifel, ob Strache & Co. als Personal wirklich gut regierungsfähig sind. Nun hat ein Videodokument als Sittengemälde gezeigt, dass Kurz bei der Partnerwahl ins Klo gegriffen hat.

Image des Kanzlers geschwächt
Wenig verständlich ist auch, warum Kurz mit seiner Entscheidung so lange zuwartete. Zugegeben sind Journalisten und wir in der „Krone“ mittlerweile befangen. Immerhin nennt Strache im Video uns „Huren“ und Schlimmeres. Da ist es nicht leicht, emotionslos zu bleiben. Doch Kurz galt bisher als erfolgreicher Medienkanzler. Nun war es wenig geschickt von ihm, Stunden über Stunden abzuwarten. Das schwächt sein Image als entscheidungsstarke Führungsperson. Zudem gelangte so ziemlich jedes Gerücht in Umlauf. Noch dazu, wo es seit Freitag aus seinem Umfeld geheißen hat, Kurz „wisse jetzt, wie er vorgehen wird“.

Der allergrößte Flurschaden ist freilich schon angerichtet. Er betrifft nicht Kurz und nicht einmal die FPÖ. Ein Verlierer ist unsere Demokratie. Politik galt schon lange als übel beleumundete Branche. Weniger als zehn Prozent vertrauen nach Studien Politikern. Das wird nun noch schlechter werden.

Danke, Herr Strache!
Achtung Ironie: Danke, Herr Strache! Und bei der letzten Nationalratswahl erklärten zwei Drittel, dass die Parteien - und da waren alle gemeint - sich nur um ihre eigenen Anliegen und nicht die Sorgen der Wähler kümmern. Auch dieser Wert wird nochmals steigen.

Peter Filzmaier, Kronen Zeitung

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