Warten auf mehr Geld

Warum die Steuerreform erst ab 2022 voll greift

Österreich
01.05.2019 06:00

Die größte Überraschung bei der Präsentation der Steuerreform war der Zeitplan: Die Entlastung erfolgt in drei Etappen, sodass sie erst ab 2022, also in fast drei Jahren, voll wirksam wird. Dafür hält die Regierung das Versprechen, dass keine Steuern zur Gegenfinanzierung eingeführt oder erhöht werden, im Wesentlichen ein.

Für diese Aufteilung auf drei Jahre gibt es einen wirtschaftlichen und einen politischen Grund: Zum einen wollte man die ab heuer geplanten Budgetüberschüsse nicht gefährden und nicht mehr Geld ausgeben, als man hat, betonte Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP). Zum anderen will man so bis zum Wahljahr 2023 politisch von den Segnungen der Reform profitieren.

Teile der Gegenfinanzierung noch offen
Finanziert wird das Ganze einerseits über die sprudelnden Steuereinnahmen. Dabei verlässt man sich auf die Prognosen, dass die gute Konjunkturlage anhält. Dazu kommt noch das beliebte „Sparen im System“: 1,5 Milliarden Euro werden die Ressorts in Summe aufbringen müssen. Die harten Verhandlungen darüber, wo der Rotstift angesetzt wird, werden Löger und sein Staatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ) erst führen müssen, eine Milliarde ist dabei noch offen.

Es gibt auch ein kleines Paket (500 Millionen Euro) mit Einnahmensteigerungen: Darin enthalten sind die Digitalsteuer, eine Erhöhung der Tabaksteuer und der Abgaben auf Glücksspiel sowie die nicht näher bezeichnete „Schließung von Steuerschlupflöchern“.

Wer mehr Geld bekommt
Zählt man den Familienbonus, der bereits in Kraft getreten ist, dazu, kommt man in Summe bis Ende 2022 auf eine Entlastung von mehr als acht Milliarden Euro. Das ist in der Tat mehr als bei den vergangenen Reformen. „Eine erstmalige Entlastung ohne neue Steuern und neue Schulden“, betonte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Dass vor allem für kleinere und mittlere Einkommensbezieher viel dabei ist, freut Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) besonders. Für Unternehmer sind steuerliche Erleichterungen genauso wie Maßnahmen zur Entbürokratisierung vorgesehen.

Manche vermissen allerdings die Abschaffung der oft diskutierten kalten Progression, die pro Jahr zu einer zusätzlichen Steuerbelastung der Arbeitnehmer von rund 500 Millionen Euro führt. „Hätten wir sie abgeschafft, wäre das vor allem den Besserverdienern zugutegekommen“, argumentierte der Bundeskanzler. Der Finanzminister ergänzte, dass die Senkung bei Lohn- und Einkommenssteuer deutlich mehr ausmache als die kalte Progression.

Sozialbeiträge gesenkt
Bei der ersten Etappe 2020 werden lediglich die Krankenversicherungsbeiträge für Niedrigverdiener gesenkt. Das kostet rund 900 Millionen Euro, die aber den Kassen aus dem Budget abgegolten werden. Der Abzug setzt bei der Geringfügigkeitsgrenze ein und steigt bis 1350 Euro brutto im Monat an. Dort beträgt die maximale Entlastung 350 Euro im Jahr oder 29 Euro im Monat. Danach sinkt sie wieder und läuft bei 2201 Euro aus, weil dort auch schon die Lohnsteuersenkung greift.

Reaktionen reichen von Jubel bis „Lercherlschas“
Wirtschaft und Industrie zeigen sich erfreut, ebenso die türkisen Landeshauptleute. Die Opposition ist mit der Steuerreform - wenig überraschend - nicht zufrieden. Die SPÖ ortet eine Mogelpackung - Steuergeschenke in Milliardenhöhe für Großkonzerne und einen „ungedeckten Scheck“ bei der Gegenfinanzierung. „Dass ÖVP und FPÖ ausgerechnet Luxussteuern wie die Schaumweinsteuer abschaffen, spricht Bände und zeigt, dass dieser Regierung die Interessen der Menschen völlig egal sind“, so der rote EU-Spitzenkandidat Andreas Schieder.

NEOS-Finanzsprecher Sepp Schellhorn nennt das Volumen „in Anbetracht der kalten Progression“ gar einen „Lercherlschas“. Die Grünen vermissen bei der Reform vor allem die Ökologisierung.

Katzian: Nicht die größte Steuerreform
Auch ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian übt heftige Kritik: Dies sei nicht die größte Steuerreform, sondern jene, die sich am längsten ziehe. Die Entlastungen würden an der falschen Stelle passieren, und zwar zu wenig bei den Arbeitnehmern, so Katzian.

Manfred Schumi, Kronen Zeitung/krone.at

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