„Größte Steuerreform“?

Experten: Rekord-Entlastung so nicht finanzierbar

Österreich
09.01.2019 10:44

Bei Steuersenkungen üben sich Regierungen gerne in Superlativen - unabhängig von der Parteifarbe. 2004 verkündete Schwarz-Blau unter ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel die „größte Steuerreform aller Zeiten“, Rot-Schwarz legte unter Werner Faymann (SPÖ) 2015 mit der „größten Steuerreform der Zweiten Republik“ nach. Auch diesmal spricht etwa Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer (ÖVP) von einer „Rekord-Reform“. Dafür wäre aber wohl weit mehr Geld nötig als die bisher von der Regierung genannten bis zu fünf Milliarden Euro: Laut Wifo bräuchte man mehr als 1,5 Prozent des BIP - im kommenden Jahr also 6,3 Milliarden Euro.

Bis zu 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung bewegten die vorangegangenen drei Reformen laut Wifo jeweils. Um diesen Wert zu erreichen, müsste Türkis-Blau die Steuern ab 2020 um fast 6,3 Milliarden Euro senken (bei einer erwarteten Wirtschaftsleistung von 418 Milliarden Euro). Ein derart hohes Volumen schon 2020 ist aber unwahrscheinlich. Wie die „Presse“ berichtet, soll die Entlastung nämlich in Etappen kommen.

Demnach könnte zuerst die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge für Geringverdiener erfolgen, dann 2021 eine Senkung der unteren drei Lohnsteuer-Gruppen und 2022 die Senkung der Körperschaftssteuer auf 19 oder 20 Prozent. Auch die Abschaffung der kalten Progression hat die Regierung zuletzt für das Wahljahr 2022 angekündigt, der Spitzensteuersatz von 55 Prozent soll verlängert werden.

Spannung vor Regierungsklausur
Das Volumen ihrer Steuerreform will die Koalition bei ihrer Klausur am Donnerstag und Freitag bekannt geben. Die zuletzt genannten fünf Milliarden Euro würden 2020 in etwa 1,2 Prozent des BIP entsprechen - das wäre die Größenordnung der Steuerreform 2009/10. Größere Summen bewegten laut Wifo die Reformen 2004/05 und 2015/16 (jeweils 1,5 Prozent des BIP).

Ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden großen Steuerreformen: Während die schwarz-blaue Regierung ihre Steuersenkung nur zu einem geringen Teil gegenfinanziert hat, wurde die letzte rot-schwarze Reform fast komplett durch neue Steuern in anderen Bereichen ausgeglichen. „Brutto“ waren beide also gleich groß, „netto“ war die schwarz-blaue Entlastung 2004 aber deutlich größer: 1,3 Prozent der Wirtschaftsleistung gegenüber 0,3 Prozent.

Wachstumseffekte ohne Einsparungen größer
Welche der beiden Betrachtungsweisen sinnvoller ist, will Wifo-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller nicht beurteilen. „Das kommt darauf an: Wenn es darum geht, die Gesamt-Abgabenbelastung zu senken, dann muss ich mir die Nettoperspektive anschauen. Die Bruttoperspektive sagt, wie viel insgesamt bewegt wird“, so Schratzenstaller zur APA. Die expansiven Effekte auf das Wirtschaftswachstum seien natürlich größer, wenn eine Steuersenkung nicht durch Einsparungen oder Steuererhöhungen konterkariert werde.

Deutliche Unterschiede gibt es auch bei der Verwendung der Mittel: Während die Regierung Faymann ihre beiden Steuerreformen fast zur Gänze zur Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer verwendete, kamen unter Schüssel auch die Unternehmen zum Zug: Von den vier Milliarden Euro der Steuerreform 2004/05 flossen 2,2 Milliarden in die Senkung der Lohnsteuer (56 Prozent), fast 1,6 Milliarden (40 Prozent) kostete die Senkung der Körperschaftssteuer. Eine weitere Senkung der Körperschaftssteuer ist auch diesmal vorgesehen. Die Industriellenvereinigung hat daher bereits ein Drittel des Reformkuchens für die Unternehmen reklamiert.

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