Bundeskanzler Sebastian Kurz sieht in der Kritik des Autors Michael Köhlmeier an seiner Person einen NS-Vergleich, den er auf das Schärfste zurückweist. „Die Aussage, dass es auch damals Menschen gegeben hat, die Fluchtrouten geschlossen haben, zielt eindeutig auf Nazis und Nazi-Kollaborateure ab“, sagte der ÖVP-Chef.
Kurz halte es zudem für verfehlt, die Schließung der Westbalkanroute mit den Verbrechen der NS-Zeit zu vergleichen. Köhlmeier hatte in seiner Rede anlässlich der NS-Gedenkveranstaltung des Parlaments am Freitag gesagt: „Es hat auch damals schon Menschen gegeben, die sich damit brüsteten, Fluchtrouten geschlossen zu haben.“ Die Anspielung galt Kurz, der immer wieder betont hatte, die Balkanroute geschlossen zu haben. Einen Vergleich mit dem Nationalsozialismus, wie Kurz die Kritik interpretiert, hatte der Autor aber nicht wörtlich gezogen.
Die Rede von Köhlmeier:
Kurz verteidigt Schließung der Westbalkanroute
ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer hatte Köhlmeier bereits am Wochenende vorgeworfen, einen Vergleich zwischen der Balkanrouten-Schließung und der Judenverfolgung gezogen zu haben. Kurz selbst verteidigte abermals die Maßnahme. Dass die Westbalkanroute geschlossen worden sei, habe „illegale Migration nach Mitteleuropa gestoppt, hat sichergestellt, dass Menschen sich in Europa nicht aussuchen können, in welchem Land sie einen Asylantrag stellen“.
Lercher kritisiert Kurz: „Bedenkliche historische Wissenslücken“
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher zeigte unterdessen kein Verständnis für die Kritik von Kurz an Köhlmeier. „Köhlmeier hat eine viel beachtete Rede gehalten, die angemessen und würdig war und auch unbequeme Dinge klar beim Namen genannt hat. Man kann zu dieser Rede durchaus unterschiedliche Ansichten haben. Dass Kurz in der Kritik des Autors an seiner Person jetzt einen NS-Vergleich sieht, offenbart bedenkliche historische Wissenslücken bei Kurz. Hätte er der Rede aufmerksam zugehört, wüsste er, dass Köhlmeier zu keiner Zeit einen wörtlichen Vergleich mit dem Nationalsozialismus gezogen hat“, sagte Lercher.
„Hätte Kurz im Geschichteunterricht aufgepasst, wüsste er, dass im Gefolge der Konferenz von Evian im Jahr 1938 ein westliches Land nach dem anderen eine weitere Aufnahme jüdischer Flüchtlinge abgelehnt hat. Auch die Schweiz, die im Verlauf des Zweiten Weltkriegs zahllosen Flüchtlingen Schutz geboten hat, schloss 1942 ihre Grenzen für Verfolgte des Nationalsozialismus. Es ist bedenklich, dass Kurz all das nicht weiß“, so Lercher weiter. Sein Appell an den Kanzler: „Lernen Sie Geschichte, Herr Bundeskanzler, und hören Sie auf, die Fakten zu verdrehen, nur weil es Ihnen nicht passt, dass Köhlmeier Ihre Allianz mit der FPÖ hinterfragt, bei der für die ÖVP Macht offenbar mehr zählt als Moral.“
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB).