Gastro-Rauchverbot

372 Anzeigen gegen Lokale in Wiener City

Wien
20.04.2009 14:03
Ein ungewöhnliches "Geschenk" ist am Montag bei Ursula Stenzel (ÖVP), Bezirkschefin in der Wiener City, eingetrudelt. Krebs-Selbsthilfe-Obmann Dieter Erlacher überreichter der Politikerin - hübsch verpackt mit roten Schleifen - 372 Anzeigen gegen Lokale, bei denen der Verdacht eines Verstoßes gegen das Tabakgesetz besteht. Gemeinsam mit Freiwilligen habe er nahezu 100 Prozent der Betriebe in der Inneren Stadt kontrolliert, bei 81 Prozent der 459 Gaststätten müsse von einem Verstoß ausgegangen werden, betonte er.

Laut Wirtschaftskammer Wien entspricht dies nicht ganz den Tatsachen. In der Inneren Stadt gebe es etwa 1.200 Konzessionen, so Gastronomie-Fachgruppen-Obmann Walter Piller. Selbst bei der Abrechnung von Lizenzen für Imbiss-Standl'n und Wüst'l-Buden hätten Erlacher und sein "Verein Krebspatienten für Krebspatienten" nicht einmal die Hälfte der vorhandenen Lokale kontrolliert. Auch Stenzel sprach bei der Übergabe von rund 800 Gaststätten in ihrem Zuständigkeitsbereich. Im Vergleich zu den 372 neuen Anzeigen hat die Wiener Magistratsdirektion bis Ende vergangener Woche 830 Anzeigen erhalten und bisher 250 Strafen ausgesprochen. 70 davon sind bereits rechtskräftig.

"Wie ich höre sind die meisten bemüht."
Die Bezirkschefin warnte bei der Übergabe vor Anschwärzerei und mahnte jeden Gast bzw. Wirt zu Eigenverantwortung: "Mir ist es wichtig, dass wir nicht in ein Klima der Angst, der Denunziation geraten. Was ich nicht möchte, ist, dass jemand Aktionen setzt, die die Gastronomie zugrunde richten", so Stenzel. "Ich appelliere an Verständnis für die Gastronomie. Wie ich höre sind die meisten bemüht." Von einem generellen Bann halte sie nicht viel, da Verbote ohnehin nur umgangen würden. "Der der rauchen will, wird rauchen", betonte Stenzel. Außerdem sei es nicht die Aufgabe der Behörden alles zu regeln. Mit den Worten "Sie sind ein hervorragender Lobbyist, meine Anerkennung", versprach die Politikerin Erlacher eine rasche Weiterleitung der Briefe an die zuständige Gewerbebehörde. "Ich verstehe ihr Anliegen."

Der "Andreas Hofer" im Kampf für den Nichtraucherschutz
Erlacher, der sich als "Andreas Hofer" im Kampf für den Nichtraucherschutz sieht, zeigte sich mit der Reaktion der Bezirkschefin nicht ganz zufrieden: "Auf die Eigenverantwortung der Unternehmer zu hoffen, ist zu spät", konterte er. Beim Thema Gesundheit höre sich die Selbstregulierung auf. Seine Kontrollen in der Wiener Innenstadt hätten ergeben, dass lediglich zehn Prozent der Gastronomen ein Nichtraucherlokal führen bzw. das Qualmen nur in einem Raucherraum erlauben würden. Zehn Prozent würden wegen der Größe unter 50 Quadratmetern ein Raucherlokal führen. Bei den Kontrollen wurde die Raumaufteilung anhand von Ultraschall-Messern beurteilt, ob wegen Umbau oder anderen Gründen Übergangsfristen gelten, wurde nicht überprüft.

"Wir erwarten uns, dass wir damit unserem Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) den Rücken so gestärkt haben, dass er im Ministerrat zu seinen Kollegen sagen kann, das Gesetz, dass ich von Ex-ÖVP-Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky übernommen habe, ist nicht vollziehbar", erklärte Erlacher. Stattdessen forderte er ein absolutes Rauchverbot: "Fast drei Personen in Österreich sterben täglich durch Passivrauchen. Das muss aufhören."

Mediziner unterstützen die Initiative der Selbsthilfegruppe
Österreich sei europaweit Schlusslicht beim Nichtraucherschutz, kritisierte Umwelthygieniker Manfred Neuberger. Studien würden belegen, wie positiv sich der Bann von Tabakqualm auf die Gesundheit wie beispielsweise die Herzinfarktquote auswirke. Umsatzeinbußen wären in keinem Land mit totalem Verbot langfristig nachweisbar, in Bayern habe es sogar eine Zunahme gegeben.

Laut Kinderarzt Tamas Fazkas steigert bereits passiver Tabakkonsum die Häufigkeit von plötzlichem Kindstod und gesundheitlichen Schwierigkeiten. Wichtig sei vor allem Prävention schon bei Kindern, da in Österreich 21 Prozent zwischen 13 und 15 Jahren zum ersten Mal zur Zigarette greifen, 56 Prozent haben zwischen 16 und 19 Jahren mit dem Qualmen begonnen. Kritik an dem Gesetz gab es zusätzlich von Rechtsexperte Keyvan Davani, der das Gesetz auch aufgrund der Formulierung als "nicht haltbar" bezeichnete.

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