"Krone" vor Ort

Stiwoll: Ein ganzes Dorf lebt in Todesangst

Nachrichten
04.11.2017 16:02

Beängstigende Stille herrscht seit genau einer Woche im steirischen Stiwoll, nachdem Friedrich F. auf drei Nachbarn schoss und flüchtete. Die Bewohner leben seitdem in Todesangst. Hunderte, schwer bewaffnete Polizisten sichern den Ort und beschützen Gefährdete vor dem gefährlichen 66-Jährigen. Sie befürchten, dass er noch "Rechnungen" zu begleichen hat ...

"Das, was die Bevölkerung dieses Ortes gerade durchmacht, ist der absolute Wahnsinn", schüttelt ein Beamter der Cobra den Kopf, während er sich im Gasthaus gemeinsam mit seinen Kollegen für den anstrengenden Einsatz stärkt. Seit einer Woche gleicht die 720 Einwohner starke Gemeinde einem Hochsicherheitstrakt, nachdem der Behördenhasser Friedrich F. zwei seiner Nachbarn erschoss und eine Frau schwer verletzte.

Polizeihubschrauber Tag und Nacht im Einsatz
Seitdem verschanzen sich die Menschen in ihren Häusern oder sind teilweise aus purer Angst vor dem 66-Jährigen in andere Gegenden geflüchtet. Polizisten und Journalisten aus Nah und Fern säumen den Ortskern mit der Kirche, dem Gemeindeamt und dem Wirtshaus, von Anrainern keine Spur. "Normalerweise hört man immer irgendwo eine Motorsäge, weil jemand im Wald einen Baum umschneidet. Nirgendwo spielen die Kinder mehr im Freien. Nun drehen die Polizeihubschrauber Tag und Nacht ihre Runden auf der Suche nach ihm", sagt ein Bewohner, der unerkannt bleiben möchte.

Landwirte, die ihr Vieh auf der Weide füttern, werden von schwer bewaffneten Polizisten begleitet - zu gefährlich ist der Weg, denn der Verdächtige könnte jeden Moment und aus dem Nichts auftauchen. Denn er hat noch mit einigen eine Rechnung offen, ist zu hören. Er, der sich laut Erzählungen der Einwohner kein Fest und keine Veranstaltung entgehen ließ, sogar im Pfarrgemeinderat tätig gewesen sein soll und bei der Finanzierung der neuen Orgel tatkräftig unter die Arme gegriffen haben soll.

Eigene Hetzschrift gedruck
Bis zu dem Zeitpunkt, als er mit dem Pfarrer brach, weil er sich seiner Meinung nach in Dinge einmischte, die ihn nichts angingen. Der Groll war so groß, dass Friedrich F. sogar aus der Kirche ausgetreten sein soll.

Groll hegte der Gesuchte offenbar für viele, machte daraus auch kein Geheimnis. Seit den 90er-Jahren druckte er in einem daheim extra eingerichteten Studio Flugblätter und das von ihm selbst ernannte "Volksblatt", mit 15.000 (!) Stück Auflage, in dem er Menschen öffentlich anprangerte, von denen er sich betrogen fühlte.

"Soko Friedrich" gegründet
Sein jahrelang aufgestauter Hass entlud sich vor genau einer Woche so stark, dass zwei Menschen ihr Leben lassen mussten. Seitdem haben sich die Hinweise auf den dreifachen Familienvater und Reisefreund immer wieder zerschlagen. Die größte Hoffnung der Stiwoller: Dass die am Samstag ins Leben gerufene "Soko Friedrich" bald Erfolge verbuchen kann und dass dann irgendwann wieder der Alltag einkehren kann, die Kinder wieder auf der Wiese spielen und jeder sein Haus verlassen kann.

Verabschiedung des ersten Opfers
Rund 150 Trauergäste nahmen zudem am Samstag in der örtlichen Kirche von jenem 64-jährigen Mann Abschied, der am Sonntag durch mehrere Schüsse getötet worden war. Viele Dorfbewohner waren zur Messe gekommen. Beamte in Uniform und mit Sturmgewehren sicherten die Umgebung. Die Verabschiedung des zweiten Todesopfers, einer 55-jährige Frau, soll kommende Woche stattfinden. Das dritte von den Schüssen getroffene Opfer, eine 68-Jährige, überlebte mit schweren Verletzungen.

Interview: "Mochte nicht, dass jemand über ihm steht"
"Krone":Herr Zwanzger, sie sind der Obmann des Kameradschaftsbundes in Stiwoll. Wie haben Sie von der Tat erfahren?
Zwanzger: Ich hatte Frühschicht, als ein Kollege sagte, dass es in Stiwoll Tote gebe. Dann habe ich erfahren, dass es der Friedrich war. Ich war der Meinung, dass er seinem Bruder etwas angetan haben muss.

Dann wurde aber klar, was geschehen war...
Ja, ich konnte es nicht glauben. Ein Opfer, der Gerhard war ein Arbeitskollege. Gerhard war bei allen unseren Aktivitäten dabei. Die erschossene Frau, ist erst vor zehn Jahren nach Stiwoll gekommen. Der Liebe wegen, aus Salzburg.

Sie waren ja auch mit Friedrich F. bekannt.
Ja, ich persönlich hatte nie ein Problem mit ihm. Er hat ein Grundstück meiner Familie gekauft und gefragt, ob er knapp an mein Haus zubauen darf. Ich hab ihm das erlaubt. Im Gegenzug hat er mir immer geholfen.

Seine aufbrausende Art war Ihnen aber bekannt?
Ja. Er hat auch, sobald er Gerhards Sohn oder seine Frau gesehen hat, zu schimpfen begonnen. Und er mochte das Gefühl gar nicht, dass jemand über ihm stehen könnte.

Wie gehen Sie mit der Situation jetzt um?
Es ist schon arg, wenn in der Kirche schwer bewaffnete Polizisten sitzen. Ein Bekannter hat gemeint, Hollywood ist nix gegen das hier...

Monika Krisper und Manfred Niederl, Kronen Zeitung

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