Das freie Wort

Neue Regeln

Großbritannien „vertschüsste“ sich aus der EU. Nicht gerade so und so, wie man uns einzureden versuchte, sondern mit überwältigender Mehrheit an Zustimmung, wie der Wahlsieg von Boris Johnson zeigte. Und die Briten werden sich auch was dabei gedacht haben, als sie sich zum Austritt aus der „Werte-Union“ entschlossen. Und der britische Premier Boris Johnson ist plötzlich nicht mehr der lächerliche Depp, als den man ihn die längste Zeit hinzustellen versuchte, sondern ein gefinkelter Politiker und harter Verhandler. Das zeigte sich schon, als er sagte, dass mit Ende 2020 die Verhandlungen mit der EU beendet werden, ob es bis dahin fertig verhandelte Verträge und Abkommen gibt oder nicht. Da geht es ja unter anderem um ein Handelsabkommen zwischen Großbritannien und der EU. Und das zeigte sich auch jetzt wieder, als er vor dem Beginn der echten Verhandlungen die Richtung vorgab, nämlich: Großbritannien wird sich nicht den EU-Regeln anpassen, und in Großbritannien soll der Europäische Gerichtshof, der EUGH, nichts zu sagen haben. Die Briten haben wohl gesehen, welche folgenschweren Fehlentscheidungen vom EUGH getroffen wurden. Und die Briten wollen heikle Bereiche wie die Fischerei, die Strafverfolgung und die Zusammenarbeit mit der Justiz separat und nicht mit dem Freihandelsabkommen verhandeln. Wer über diese Entscheidung der Briten überrascht ist, wer das nicht erwartete, der muss schon ziemlich naiv, um nicht zu sagen dumm, sein. Warum hätten sie aus der EU austreten sollen, wenn hinterher alles beim Alten bleiben würde? Dass die Fischerei separat verhandelt wird, war zu erwarten. Die Fischerei ist ein Bereich mit zunehmender strategischer Bedeutung; die Fischbestände schrumpfen weltweit. Und Island hat z. B. auch wegen Streitereien um die Fischereirechte vor ein paar Jahren die Verhandlungen über einen EU-Beitritt endgültig abgebrochen. Sie wollten sich ihre Fischgründe nicht von z. B. spanischen Fangflotten leer fischen lassen. Die Briten haben sich mit dem Austritt aus der EU ihre Souveränität zurückgeholt, und zur Souveränität gehört neben der Hoheit über ihre Fischgründe eben auch, aber nicht nur, ihre eigene Rechtsprechung. Sie haben ja auch schon kundgetan, dass sich in Zukunft ihre Zuwanderungspolitik gravierend von jener der EU unterscheiden wird. Die wird dann in etwa nach dem Motto ablaufen: „Für die Briten die Klasse, für die EU die Masse.“ Die EU-Häuptlinge werden sich wohl oder übel damit abfinden müssen, dass sie mit den Briten bzw. mit Johnson nicht umspringen können, wie sie gerne möchten. Sie werden absteigen müssen vom hohen Ross.

Josef Höller, per E-Mail

Erschienen am So, 1.3.2020

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