Ein Jahr nach Drama

A4-Tragödie: Wie ein Polizist zum Minister wurde

Österreich
27.08.2016 11:57

Heute genau vor einem Jahr erschütterte die Nachricht von 71 Flüchtlingen, die tot in einem Lkw auf der A4 entdeckt wurden, die Welt und führte zu einem Umdenken in der Asyldebatte. Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil war damals als Landespolizeidirektor des Burgenlands hautnah am tragischen Geschehen. Die Eindrücke hätten ihn verändert, sagte er nun bei einem Lokalaugenschein mit der "Bild": "Ich habe es als Polizist immer geschafft, Distanz zu wahren, auch schlimmste Dinge nicht an mich heranzulassen - bis zu dem Tag, an dem ich hierher kam."

In den Morgenstunden des 27. August 2015 wurde in einer Pannenbucht der A4 bei Parndorf ein Kühl-Lkw entdeckt. Das Bild, das sich den Beamten bot, die den Lastwagen öffneten, hätte nicht grauenvoller sein können: 71 Flüchtlinge, qualvoll erstickt. Unter den Toten waren auch vier Kinder. Ein Mann ist bis heute nicht identifiziert.

Der Fall löste bei in- und ausländischen Politikern Betroffenheit aus und brachte eine Wende in der Debatte um Flüchtlingsströme und offene Grenzen. Hans Peter Doskozil war damals der leitende Polizeibeamte. Die Eindrücke lassen ihn auch ein Jahr später nicht los: "Ich muss immer an die Mutter denken, die im hinteren Teil der Ladefläche saß - mit ihrem Kleinkind im Arm."

Video: Flüchtlingsdrama auf der A4 bei Parndorf

Polizist wurde zum Krisenmanager und Minister
Der Sozialdemokrat avancierte zum Krisenmanager neben einer Innenministerin (Johanna Mikl-Leitner, Anm.), die damals "vor Ergriffenheit unbrauchbar war", wie die "Bild" schreibt.

Sein Umgang mit der Tragödie, das professionelle und dennoch mitfühlende Auftreten des Polizisten blieben auch von der krisengebeutelten Polit-Spitze nicht unbemerkt: Im Jänner 2016 machte die SPÖ Doskozil zum Verteidigungsminister.

Obwohl kein Berufspolitiker (oder vielleicht gerade deswegen), macht Doskozil einen guten Job, was ihm auch 85 Prozent der krone.at-User in einer jüngsten Umfrage bescheinigten. In der SPÖ ist er allerdings nicht unumstritten, gilt er doch als scharfer Kritiker der vom linken Parteiflügel präferierten "Willkommenspolitik". Im "Krone"-Gespräch nannte er zuletzt den "Wir schaffen das"-Asylkurs der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel "unverantwortlich".

A4-Verdächtige warten auf Prozess
Das A4-Drama ist übrigens bis heute nicht vollständig aufgearbeitet. Fünf der Schlepperei Verdächtigte sitzen in Zusammenhang mit dem Fall in Ungarn in Untersuchungshaft, die zuletzt Ende Mai für weitere drei Monate verlängert wurde. Die Anklageerhebung ist weiterhin offen. Allerdings mehren sich die Signale, dass die Staatsanwaltschaft in Kecskemet kurz davor steht, ihre Arbeit diesbezüglich abzuschließen.

Am Grenzübergang Nickelsdorf wurde nach der Tragödie ein umfassendes Grenzmanagement eingeführt. Zusätzlich zu den Grenzkontrollen der Intensivstufe 2, der sogenannten Sichtkontrolle, wird seit etwa sechs Wochen das Scanmobil eingesetzt. Dabei handelt es sich laut Exekutive um ein spezielles Kontrollfahrzeug, das von besonders geschulten Beamten bei der Einreisekontrolle für Lkws eingesetzt wird.

Video aus Nickelsdorf: Erste Vorbereitungen für neuen Grenzzaun

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