"Krone"-Interview

Wollen Sie die Polizei umfärben, Fr. Mikl-Leitner?

Österreich
01.02.2014 16:53
Wer ist die Frau, die 140 Polizeiposten zusperrt und das beinhart als Offensive für mehr Sicherheit verkauft? Im Interview mit Conny Bischofberger erklärt Innenministerin Johanna Mikl Leitner, die am nächsten Sonntag 50 wird, sich und ihre Welt.

Es war eine heikle Woche für die Innenministerin: Eine verwüstete Wiener Innenstadt nach Ausschreitungen beim WKR-Ball löst eine Sicherheitsdebatte aus, die Grünen entfachen einen politischen Streit um den Wiener Polizeipräsidenten, und in dieses aufgeheizte Klima fällt die Ankündigung, dass 140 Polizeiposten in ganz Österreich dichtmachen.

Das Büro von Johanna Mikl-Leitner im Palais Modena, Wiener Herrengasse: Die ÖVP-Politikerin sitzt vor den Fahnen der Republik und der Europäischen Union. Auf dem Couchtisch hat sie Trzesniewski-Brötchen vorbereitet, für ihr Outfit die Farbe Schwarz gewählt. Ihren Pressesprecher nennt die Ministerin "Murli" – Hermann Muhr dürfte auch Hanni zu ihr sagen, meint sie, bevorzuge aber "Chefin".

Die Chefin trägt ein schwarzes Kleid, einen cremefarbenen Blazer, dazu prägnanten Silberschmuck und sogar creme-silbernen Nagellack. Ein Wolltuch in den Farben Schwarz und Creme hat sie über die linke Schulter drapiert. "Ich hab' ein ausgesprochenes Faible für Mode", gesteht sie, "das kommt wahrscheinlich daher, dass ich eine Zwillingsschwester habe. Die Nelli. Deshalb war immer zu wenig Gewand da..." Die Bilder an den Wänden hat ein Kriminalbeamter gemalt.

"Krone": Frau Minister, 122 Bürgermeister – und da ist der Wiener Bürgermeister noch nicht mitgerechnet – protestieren gegen die Schließung ihrer Polizeiposten, fährt da die Eisenbahn drüber?
Johanna Mikl-Leitner: Dass sich Landeshauptleute und Bürgermeister wehren, liegt in der Natur der Sache: Wer trennt sich schon gerne von liebgewonnenen Dingen? Aber wer das Ziel, nämlich mehr Sicherheit, vor Augen hat, kann sich dieser Reform nicht verschließen, deshalb werden wir daran auch nicht mehr rütteln.

"Krone": Haben Sie die Gemeinden da nicht überfahren?
Mikl-Leitner: Bis auf Kärnten haben wir mit allen Landeshauptleuten eine konsensuelle Lösung zustande gebracht, die jeweiligen Landespolizeidirektoren hatten die Aufgabe, die Gemeinden zu informieren und die Sicherheitspakete auszuarbeiten. Jetzt müssen wir viel Überzeugungsarbeit bei den Bürgerinnen und Bürgern leisten.

"Krone": Wie soll es mehr Sicherheit geben, wenn die Polizei plötzlich wegzieht?
Mikl-Leitner: Die Polizei soll ja nicht in einem Gebäude sitzen, sondern präsent sein. Ich will die Polizistinnen und Polizisten von der Verwaltungsarbeit entlasten und auf die Straße bringen. Es hat sich ja auch die Kommunikation völlig verändert. Früher sind die Menschen auf den Posten gekommen, heute hat jeder ein Handy und wählt – zu 98 Prozent - den Notruf.

"Krone": Das ist bereits die dritte Polizeireform, und immer wird versprochen, dass mehr Polizisten im Außendienst sein werden. Können Sie es garantieren?
Mikl-Leitner: Heute in einem Jahr werden wir 100.000 Stunden mehr Außendienstpräsenz haben, bis Ende 2015 sogar mindestens 200.000 mehr, dafür gebe ich gerne eine Garantieerklärung ab. Wir werden dafür mehr Geld brauchen. Alles, was an Mietkosten wegfällt, fließt daher in den Außendienst.

"Krone": Sie behaupten, dass Sie sich durch die Schließungen nichts ersparen. Ist der wahre Grund nicht ohnehin, dass Sie die Polizei umfärben wollen?
Mikl-Leitner: Weil dieser Vorwurf, ich würde nach der Farbenlehre vorgehen, öfter kommt, habe ich mir das erheben lassen. Von allen betroffenen Gemeinden sind 62 ÖVP-, 47 SPÖ- und vier FPÖ-Gemeinden.

"Krone": Dass von 202 Gemeinden im schwarzen Niederösterreich nur 21 eingespart werden, von 149 Gemeinden in der roten Steiermark aber 23, ist also reiner Zufall?
Mikl-Leitner: Das ist kein Zufall, das haben unabhängige Experten so evaluiert, und auch nach der Reform wird die Steiermark auf die Fläche bezogen mehr Dienststellen haben als Niederösterreich.

"Krone": Mehr Polizei auf der Straße klingt nach härteren Zeiten für Verkehrssünder…
Mikl-Leitner: Natürlich, die werden auch weiterhin verfolgt. Vermehrt wird es aber etwas anderes geben, nämlich Videoüberwachung im Grenzraum, um Fahrzeuge, die zur Fahndung ausgeschrieben sind, im Vorfeld herauszufiltern - und auch Fahrzeuge mit einem Risikoprofil. Mit insgesamt 18 Kameras werden wir der grenzüberschreitenden Kriminalität noch mehr Einhalt gebieten.

"Krone": Ihr Problem ist, dass ganz viele Menschen sich in diesem Land längst nicht mehr sicher fühlen. Wie wollen Sie damit umgehen.
Mikl-Leitner: Ich bin ein faktenorientierter Mensch, statistisch gesehen sind die Delikte gesunken, statistisch gesehen ist die Kriminalität im Grenzraum zurückgegangen.

"Krone": Was nützt das zum Beispiel jener Frau, die bereits zum neunten Mal Opfer von Einbrechern wurde?
Mikl-Leitner: Das ist heftig, da nützt natürlich keine Statistik. Deshalb gibt es von mir einen ganz klaren Auftrag, dass Opfer von Einbrechern betreut werden müssen.

"Krone": Glauben Sie, dass Sie das Vertrauen der Bevölkerung noch haben?
Mikl-Leitner: Um das Vertrauen muss man tagtäglich kämpfen.

"Krone": Hat der WKR-Ball in der Wiener Hofburg mit den gewalttätigen Ausschreitungen dem Image der Polizei geschadet?
Mikl-Leitner: Hier haben die Polizistinnen und Polizisten Leib und Leben riskiert, und nach den bisherigen Berichten haben sie gute Arbeit geleistet.

"Krone": Die Grünen haben kritisiert, dass der Polizeipräsident ehemaliger Burschenschafter ist. Was sagen Sie dazu, dass jetzt sogar sein Rücktritt gefordert wird?
Mikl-Leitner: Langsam wird's skurril. Eine Gruppe gewaltbereiter Chaoten verwüstet die Wiener Innenstadt, und den Grünen gefällt die Jugendzeit des Polizeipräsidenten nicht. Er genießt jedenfalls mein vollstes Vertrauen. Und ich danke auch allen Polizisten für ihr vorbildliches Verhalten. Hier gibt es nur eine Gruppe, deren Verhalten mit nichts zu entschuldigen ist, und das sind die Randalierer.

"Krone": Würden Sie sich wünschen, dass dieser Ball im kommenden Jahr an einem weniger geschichtsträchtigen Ort stattfindet?
Mikl-Leitner: Ich persönlich brauche diesen Ball nicht. In einer Demokratie muss man aber auch so einen Ball aushalten. Wäre ich allerdings Veranstalter, hätte ich den Ort schon längst gewechselt, um mich nicht dem Vorwurf der Provokation auszusetzen.

"Krone": Apropos Provokation: Sie sind mit dem Sager "Her mit dem Zaster, her mit der Marie!" in die Schlagzeilen gekommen. Was sagt dieser Satz über Johanna Mikl-Leitner aus?
Mikl-Leitner: Das war sicher ein Satz, der sehr polarisiert hat. Was sagt er über mich aus? Dass auch eine Innenministerin Emotionen hat, und da sind sie eben einmal mit ihr durchgegangen. Heute würde ich es anders sagen.

"Krone": Sie sind Mutter zweier Töchter, neun und zwölf Jahre alt. Wie vereinbaren Sie Kind und Karriere?
Mikl-Leitner: Wenn ich unterwegs bin, gehöre ich ganz der Politik. Wenn ich zu Hause bin, gehöre ich ganz den Kindern. Gott sei Dank ist mein Mann immer da. Das heißt, ich brauch' kein schlechtes Gewissen zu haben. Meine Töchter sind bodenständige, ausgeglichene, lustige Mädels.

"Krone": Sind Sie Ihrem Mann dankbar?
Mikl-Leitner: Jeden Tag. Ich hüte ihn wie einen Augapfel (lacht). Wirklich!

"Krone": Hat er Ihretwegen auf seine Karriere verzichtet?
Mikl-Leitner: Nachdem er für die Kinder die Hauptverantwortung trägt, hat er seine beruflichen Ambitionen hintangestellt. Da mich die Politik voll und ganz in Anspruch nimmt, hat er nicht einmal mehr Zeit, seinem künstlerischen Hobby, der Malerei, nachzugehen. Aber wir müssen Gott sei Dank nicht von seiner Kunst leben.

"Krone": Sth erinnere mich, dass der frühere niederösterreichische Landeshauptmann, als ich zur ÖVP-Landesgeschäftsführerin bestellt wurde, gesagt hat: "Mein Gott, die Welt steht nicht mehr lange!" Nach einigen Monaten hat er gemeint: "Es war eine ganz richtige Entscheidung." Das war für mich als Frau das schönste Kompliment.

"Krone": Ärgern Sie sich, wenn man über Sie sagt, dass Sie Politikerin von Erwin Prölls Gnaden sind?
Mikl-Leitner: Nein, weil mich Michael Spindelegger zur Innenministerin gemacht hat. Diesem Wunsch bin ich nur schweren Herzens nachgekommen, weil ich gerne Landesrätin in Niederösterreich war. Heute bin ich Innenministerin mit Leib und Seele. Und dankbar, dass ich bei Erwin Pröll das politische Handwerk gelernt habe.

"Krone": Darf ich Sie etwas Gemeines fragen?
Mikl-Leitner: Von Frau zu Frau (lacht)? Gerne!

"Krone": Angenommen, Sie sitzen in einem Rettungsboot, Michael Spindelegger und Erwin Pröll treiben im Meer. Sie können nur einen retten. Wen würden Sie retten?
Mikl-Leitner: Ich würde alle Kraft aufwenden, um beide zu retten.

"Krone": Die Antwort gilt aber nicht.
Mikl-Leitner: Okay (denkt kurz nach). So wie ich gestrickt bin, würde ich wahrscheinlich ins Wasser hupfen und den beiden das Boot überlassen. Denn bis jetzt hab ich's noch immer ans Ufer geschafft.

Zur Person
Geboren am 9. Februar 1964 als Tochter einer Kaufmannsfamilie in Hollabrunn. Studium der Wirtschaftspädagogik, seit 1995 bei der ÖVP. Ab 2003 ist sie Sozial-Landesrätin in Niederösterreich, seit 2011 ÖAAB-Chefin und Innenministerin. "Hanni", wie die Ministerin von Freunden genannt wird, hat eine Zwillingsschwester namens "Nelli" und zwei weitere Geschwister. Sie ist verheiratet mit Hobbykünstler Andreas Mikl und hat zwei Töchter (Larissa ist neun, Anna zwölf Jahre alt).

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