Burgtheater-Chef Bachmann bringt Ibsens „Gespenster“ vom Schauspiel Köln ans Akademietheater. Regisseur Thomas Jonigk animiert die Schauspieler zu Höchstleistungen. Die düstere Produktion bleibt bei der Premiere am Sonntag dennoch karg und distanziert.
Eine der Freuden des Theaters besteht darin, dass man einen Abend lang Figuren dabei zusieht, wie sie eine Entwicklung durchmachen. Als Zuschauer lebt man diese Veränderung emotional ein Stück weit mit – in abgedunkelter Sicherheit. Am Ende des Stückes sind nicht nur die Figuren andere geworden, man selbst ist es auch ein Stück weit. Die jüngste Produktion im Akademietheater verwehrt Besuchern diese Theaterfreude gleich mehrfach.
Die „Gespenster“ von Henrik Ibsen sind in der aktuellen Spielzeit die zweite Produktion, die Burgtheater-Direktor Stefan Bachmann aus Köln mitgebracht hat. In der Regie von Thomas Jonigk bleibt das langsame Familiendrama jedoch auf der überspannten Metaebene stecken. Diese einsamen Gestalten haben ihre Entwicklung schon vor der Szene hinter sich.
In der kargen Bühne fokussiert die Regie ganz auf die Schauspieler, die fulminant am Publikum vorbei spielen. Die Geschichte um bröckelnde bürgerliche Moralkonzepte bleibt trotz intensiver Ausbrüche distanziert und abstrakt, die Szenen wirken künstlich überinszeniert.
Die greifbarsten Charaktere formen Anja Laïs als Mutter, die (zu) spät merkt, dass gut gemeint das genaue Gegenteil von gut ist. Und Norman Hacker als Pastor, den es fast zerreißt, sich sein Leben lang für die Moral kasteit zu haben. Jörg Ratjen legt den heimkehrenden Sohn Osvald gleich an der Grenze zum Wahn an, Lilith Häßle ist eine vor allem erstarrte Regine, Sabine Haupt zeichnet deren vermeintlichen Vater pointiert.
Warum sich das Ensemble die Seele aus dem Leib spielt, erschließt sich jedoch auch nach knapp zwei Stunden nicht. Auch schon wieder eine Kunst: dass so viel Intensität so ungerührt lassen kann.
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